Auf dem Podium der BALANCE, der Konferenz über Gestaltung der Arbeit im 21. Jahrhundert – war eine der zu diskutierenden Thesen

Flexibilität ist der Weg aus der Krise. Die Krise ist Stabilität.

Mit Flexibilisierung war auch die Dynamisierung von Arbeit zum Beispiel durch „Leiharbeit“ gemeint.

Die These besteht aus zwei Sätzen. Mit dem ersten Satz der These war (und bin) ich zuerst mal nicht einverstanden. Unterstellt sie doch, dass wir eine allgemeine Krise hätten, die sich auch in einer Krise der Arbeit auswirkt. Das sehe ich nicht so.

Wir mögen eine gesellschaftliche Krise oder eine moralische Krise, aber bestimmt keine Arbeits- oder Wohlstandskrise haben. Die kann (und wird wohl auch) noch kommen, aber derzeit haben wir eher ein Luxusproblem. Und viele von uns haben eine eigenartige Vorstellung von Arbeit (und dem Leben). Die geht in etwa so:

Nach getaner Hausarbeit in der Designerwohnung (so man keine Putzfrau hat) fährt man mit dem schicken Mini aus der Tiefgarage von zu Hause auf den Parkplatz bei der Arbeit. Dort steigt man in den Aufzug eines noch schickeren „Büro-Towers“ und begibt sich in einen der höheren Stockwerke.

Den lieben langen Tag verwirklicht man sich vor dem PC und in Besprechungen aller Art und macht dabei auch noch Karriere (und wird auch noch nebenher reich). Weil die Umwelt aber so feindlich ist, leidet man unter Monstern wie Stress und Leistungsdruck, von denen man sich dann abends in verschiedenen Umgebungen voller Life Style erholen muss.

Nur, so ist weder das Leben und so richtige Arbeit ist das auch nicht.

Mich stört aber an der Betrachtung etwas ganz anderes. Es werden schlichtweg ein paar Dinge ganz vergessen:

Arbeit ist ein ganz besonderes Gut
und
Das „Angestelltenverhältnis“ ist keinesfalls von Gott gegeben für die Entlohnung von Arbeit.

Arbeit ist ein besonderes Gut. Der „Erzeuger“ von Arbeit, wie wir sie hier verstehen ist der Mensch. Maschinen „arbeiten nicht“. Man könnte höchsten noch von der Arbeit von Tieren wie Pferden sprechen. Diese erhalten im Gegenzug Nahrung. Um ein optimales Kostennutzenverhältnis der Tiere zu erreichen, gibt es auch noch ein Mindestmaß an Pflege.

Es ist allen Beteiligten klar, dass wir uns diese Systematisierung des Menschen als Arbeitsprodukt nicht wünschen. Denn bei Menschen nennt man das „Sklaverei“.

Wagen wir aber trotzdem noch einen Vergleich von Arbeit mit einem „harten“ Produkt und betrachten wir die Kuhmilch. Der Erzeuger der Milch ist zweifelsfrei die Kuh. Trotzdem meinen wir mit dem Erzeuger von Milch den Bauern, der heute oft ein agrar-industrielles Unternehmen ist.

In meiner langen Zeit als Vater von kleinen Kindern habe ich die viele Milch, die wir brauchten, mit dem Fahrrad vom Bauern geholt. Aufgrund des strukturellen Wandels in der Landwirtschaft ist mir das heute zu vernünftigen Grenzwertkosten nicht mehr möglich. Als Bub habe ich die Milch mit der Milchkanne bei einem Filialgeschäft der Molkerei – genannt „Milchladen“ geholt. Auch das ist heute kaum mehr möglich.

Letzten Endes muss ich heute bei einem der Handelsmonopole meine Milch beziehen. Dort wird sie häufig nur noch extrem pasteurisiert im Tetrapack angeboten, der von mir bevorzugte Bezug von Frischmilch in der Flasche gestaltet sich schwieriger.

Die Situation beim Produkt Arbeit ist nicht ganz unähnlich. Eine Dienstleistung wird von Endnutzern „legal“ selten direkt beim Erzeuger bezogen. Wenn dann geschieht dies in der Regel durch „Schwarzarbeit“ oder in einem gesetzlich zumindest bedenklichen juristischen Bereich.

In der Regel beziehe ich die Arbeit auch über eine lange Lieferantenkette. Innerhalb der Lieferantenketten erfolgt der Bezug von Arbeit immer häufiger im Rahmen von freiberuflichen „Beschäftigungsverhältnissen“. Die liegen oft als „verdeckte Angestellten-Verhältnisse“ in einer Grauzone und könnten in vielen Füllen als Verstoß gegen das AÜG bewertet werden. Arbeit hat halt nun mal etwas mit „Weisung“ zu tun und eine Abhängigkeit von nur einem Lieferanten ist nicht selten.

Aber auch das ist nicht mein wesentlich Punkt. Arbeit ist ein besonderes Gut, weil der Erzeuger „Mensch“ sich selbst verkauft. Er verkauft sein Gewissen und seine persönlichen Ziele (Systemagent), sein Können (Experte), seine Erfahrung und sein Wissen („Innovation Worker“), seine Gesundheit (körperlich Arbeitender) und in manchen Fällen auch seinen Körper.

Der „Arbeitende“ gibt also etwas von sich weg. Und das eigentlich Absurde, diese Abgabe wird – außer bei Einzel- oder Team-Akkordarbeit (die geht ja in vielen Fällen nicht und man will sie ja auch nicht) – in Zeit gemessen?!

Denn das Maß für die Entlohnung ist die ZEIT eines Menschen. Das ist beim Angestelltenverhältnis die Basiskompetente einer jeden Gehaltsvereinbarung. Die variablen Gehaltsteile, in der Regel von mir als stark unteroptimal empfundenen Zielvereinbarungen ändern da nichts dran. Letzten Endes bestimmt das Arbeitszeitkonto die erbrachte „Leistung“. Leistung ist übrigens auch ein schwieriges Wort – probieren Sie es mal redlich ins Englische zu übersetzen.

Das Angestelltenverhältnis als Entlohnungsmittel auf  Basis der Zeit ist sicher „besser“ als die Leibeigenschaft oder gar die Sklaverei. Aber das Ende der Entwicklung bei „Entlohnung menschlicher Arbeit“ dürfte es mit Sicherheit nicht darstellen.

Denken wir mal innovativ! Die Zeit ist die relevante Komponente.

Vielleicht löst sie sogar in den hoch zivilisierten Gesellschaften die Funktion des Geldes ab. Etwa so: Ich gebe Dir meine Zeit und tue in dieser etwas für Dich. Dafür gibst Du mir Deine Zeit, und in der tust etwas für mich.

Zum zweiten Satz der These:

Die Krise ist Stabilität.

Diesen Satz würde ich gerne ein wenig verbessern. Ein Leben ohne Krisen gibt es nicht. Nicht für den Menschen als Person und nicht für Menschen in einer Gemeinschaft. Art, Schwere und Häufigkeit von Krisen ändern sich aber. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Krise zur Stabilität wird (oder gar führt, wie der Satz ein wenig suggeriert). Nein, die Krisen werden häufiger und heftiger kommen – und schwerer zu bewältigen sein. Und die Lösungen von diesen Krisen werden zukünftig immer mehr echte oder vermeintliche Opfer von uns verlangen. Dies dürfen wir nicht ignorieren.

Und vergessen wir nicht, jede Krise ist eine Chance. Einer meiner Lehrer – Dr. Baldur Kirchner – hat mir gezeigt, dass nur die drei großen „K“s in der Lage sind, auch tiefe geprägte Wesenszüge beim Menschen zu verändern. Und die drei „K“s stehen für Katastrophe, Krankheit und Krise. Und so dürfte es auch bei Gesellschaften sein.

Wir dürfen aber auch noch aus einem zweiten Grund optimistisch sein. Wir jammern auf sehr hohem Niveau. Denn wir verfügen über große Wohlstandsreserven, die wir auflösen können, bevor es uns selber an den Kragen geht.

Als Beispiele für solche Wohlstandsreserven nenne ich gerne den Individualverkehr, unsinniges Konsum- und Ernährungsverhalten (in Quantität und Qualität), einen Life Style, der uns eben nur vermeintlich glücklich macht, in vielen Fällen großzügige Wohnverhältnisse …

Bei uns herrscht Verschwendung aller Orten, ein wenig Kaizen in unserem Leben wäre schon angebracht. Uns muss also nicht bange sein, denn wir können auf vieles verzichten, das uns nicht unbedingt „glücklich“ macht.

RMD

Eine Antwort

  1. Bitte ‚mal ganz kurz anhalten.

    Wieso eigentlich ‚Krise‘ ? Was ist das eigentlich ?

    Etymologisch betrachtet ist eine Krise eine Situation,
    in der eine _Entscheidung_ (altgr. krisis) erforderlich
    wird.

    Wir wollen doch heutzutage garnix mehr entscheiden, Hauptsache, es bleibt alles so wie es ist, damit wir auch morgen wieder jammern können.

    Wo keine Entscheidungsnot, da keine Krise.
    Weitergehen, es gibt nix zu sehen …

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