Bericht aus Melbourne

Von JRO
2Kommentare

Mich hat es vor 2 Monaten nach Australien (genauer gesagt: Melbourne) verschlagen. Nach einer wissenschaftlichen Laufbahn  in der Schwerionenphysik am Maier-Leibnitz Laboratorium in Garching und 30 Jahren Arbeit in verschiedenen IT-Funktionen habe ich im  März 2012 die Freizeitphase der Altersteilzeit begonnen. Ende 2011 hat meine Frau ein interessantes Job-Angebot in Melbourne bekommen. Nach intensiver Diskussion, bei der eine gewichtige Rolle gespielt hat, dass unsere Tochter in Neuseeland lebt, haben wir beschlossen (vorerst probeweise), nach Australien auszuwandern.

Vorweg folgendes: wir haben jetzt die wichtigsten Aufgaben erfolgreich gemeistert (Haus mieten, Gas, Strom, Wasser, Bank, Kabelanschluss, Telefon, Internet, …).
In ein paar Tagen kommt der Container mit unseren Sachen, dann können wir unser Haus einrichten.

Ich möchte, beginnend mit diesem Blog-Eintrag, einige (total subjektive) Eindrücke von Australien beschreiben.

Wetter

Der erste Eindruck bei einer Reise auf die Südhalbkugel ist natürlich das Wetter:
der Astronomische Winter auf der Südhalbkugel dauert vom 21.6. bis zum 23.9.
Da sich Australien  zwischen 10° und 44° südlicher Breite erstreckt, sagt dies natürlich wenig über den gesamten Kontinent aus; für Melbourne bedeutet das jedenfalls:
Die Temperaturen gehen tagsüber  von 17 – 11 Grad (je nach Sonnenscheindauer). In der Nacht kann es schon mal 6 Grad werden. Es regnet relativ wenig, aber wenn, dann recht heftig.

Der Sonnenaufgang ist jetzt um ca. 7:30, der Sonnenuntergang um 17:20.
Weniger als die Hälfte  der Bäume hat das Laub abgeworfen, einige Pflanzen beginnen jetzt mit der Blüte – richtig winterlich wirkt es also überhaupt nicht.

Ein beliebter Spruch lautet: ‚If you don’t like Melbourne’s weather, wait five minutes and it will change’!
Das ist völlig zutreffend und bedeutet praktisch, dass man kleidungsmässig auf alle Fälle vorbereitet sein muss. Im Extremfall erlebt man alle 4 Jahreszeiten an einem Tag

Also kurz gefasst: der Winter ist ungefähr so wie Ende April / Anfang Mai in Deutschland aber mit etwas weniger Niederschlägen.

Wegen der kurzen Kälteperiode sind Zentralheizungen nahezu unbekannt. Die einzige Heizung in unserem Haus ist eine Klimaanlage im Wohnzimmer, die auf Wärmepumpe umgestellt werden kann. Da unser Haus, wie fast alle Häuser, aus Rigips, Holz und Wellblech hergestellt ist, ist es morgens schon flott kalt.

Die Melbournians versuchen offensichtlich, den Winter zu ignorieren, nur so kann ich mir erklären, dass alle Schulmädchen Miniröcke tragen und die meisten Schuljungen kurze Hosen. Coole junge Menschen tragen auch gerne – selbst bei Sauwetter – T-Shirts.

Ob es wohl so etwas wie einen Jahreszeiten-Jetlag gibt? Irgendwie geht mir der verpasste Sommer schon ab (ich bin mal gespannt, was ich in 5 Monaten meine) .

Downtown Melbourne von Williamstown Marina gesehen

Pelikane in Williamstown

Pelikane in der Nähe unseres Hauses

Die Stadt Melbourne

Melbourne wirkt in vielen Stadtteilen sehr europäisch (ist auch klar, wegen der vielen Einwanderer aus Europa – nach einem viel erzählten Witz ist Melbourne die größte griechische Stadt nach Athen).
Aus diesem Grund gibt es auch Vorstädte wie Altona, Brunswick, Coburg und Heidelberg.

Melbourne hat eine Vielfalt hervorragender Museen und Kunstgalerien.(z.B.:National Gallery of Victoria).

Es macht einfach Spaß, im Zentrum herumzugehen und sich die 1000en Shops – besonders in den schönen historischen Fussgängerarkaden –  anzuschauen. Zu dieser Zeit gibt es hochwertige Kleidung zu vernünftigen Preisen. Generell muss man wegen der Preise jedoch genau hinschauen (dazu in einem späteren Beitrag noch mehr).

Vergleich mit Sydney: Melbourne kann mit der spektakulären Lage von Sydney nicht ganz mithalten. Die Skyline von Sydney mit dem Opernhaus und der Harbour Bridge ist weltweit einmalig und der nahe an unserem Haus gelegene Strand ist auch nicht ganz so toll wie Bondi Beach. Trotzdem hat Melbourne seinen eigenen Charme, vor allen Dingen durch die lebendige, europäisch wirkende Innenstadt.

Williamstown Beach

Willamstown Beach

Wir wohnen in Williamstown, einem ca. 13 km von der Innenstadt entfernten Vorort. Dort war der der erste Hafen für Seeschiffe an der Port Phillip Bay, der Ort ist älter als Melbourne. Wir haben noch kein Auto und deswegen ist der Ort ideal: mit der S-Bahn (Metro) ist man in 25 Minuten in der Innenstadt  (Central Business District – CBD). Es gibt eine gute Infrastruktur und alle notwendigen Geschäfte (und der Strand) befinden sich in Fußgängerentfernung. Nahe des Strandes liegt das Jawbone Marine Sanctuary mit einer Vielfalt von Seevögeln – vor allem Pelikane, Kormorane, Tölpel und Ibisse.

Essen gehen und Lebensmittel

Melbourne (dies gilt für den Großteil von Australien) ist sehr wohlhabend und dies spürt man an den Preisen: für ein anständiges Abendessen im CBD für 2 Personen muss man schon mal 500 $[1] ansetzen. Vor 2 Wochen habe ich dort für einen Hamburger und ein Bier 31 $ bezahlt (das Bier ist allerdings ziemlich gut – es gibt eine Vielzahl kleiner kreativer Brauereien).

Wir gehen oft vietnamesisch oder chinesisch essen – die Qualität ist meistens hervorragend zu anständigen Preisen.

Lokal produziertes Gemüse, Fleisch und Fisch sind oft erheblich günstiger als in München. Es war für mich überraschend, dass es jede Menge lokal produzierte hochwertige Wurstspezialitäten wie z.B. Salami gibt (selbst bayerischen Presssack kann man in guter Qualität kaufen).

Wein: In Australien wird hervorragender Wein angebaut, aber Qualität hat auch hier seinen Preis. Als wir das erste Mal in eine Vinothek gegangen sind, habe ich dem Verkäufer gesagt, dass ich gerne einen Wein unter 30$ die Flasche hätte; den hatte er dann auch, allerdings hat er mich so angeschaut, als ob ich nach Wein in der Dose gefragt hätte.

Wenn man direkt bei Winzern verkostet, wird man hervorragende Weine finden, aber auch im Direktverkauf wird man selten einen Wein unter 25$ die Flasche bekommen.

Die Menschen

Die Menschen sind meistens freundlich und hilfsbereit. Leider gilt das nicht immer für die jungen Leute: die ersten Erfahrungen meiner Frau mit jungen australischen Kollegen sind nicht immer positiv. Viele junge Angestellte sind egoistisch, verwöhnt und schlichtweg schlecht erzogen. Zudem kann die Ausbildung der australischen IT Professionals meist nicht mit der Ausbildung in anderen Ländern (z.B. Indien) mithalten. Anspruchsvolle  technische Themen werden fast immer von Indern oder Asiaten bearbeitet.

Die Menschen sind entwaffnend ehrlich, wenn etwas nicht klappt (und es klappt manches nicht). Ein Beispiel: am Wochenende ändern Metro-Züge oft die Fahrtroute, dann gehen freundliche Mitarbeiter von Metrolink durch den ganzen Zug, entschuldigen sich bei den Fahrgästen und bitten darum, auf die Ansagen nicht zu achten, leider könne man die nicht ändern, der Zug fahre heute eine andere Strecke „no worries mate“…

Sprachlich habe ich noch meine Schwierigkeiten, einige Mitmenschen zu verstehen. Dass die Leute so englisch reden, als ob sie gerade eine heiße Kartoffel im Mund haben, war mir von früheren Urlauben in Australien und Neuseeland ja klar. Schwierig wird es bloß wenn ich mit Einwandern aus Asien kommuniziere (praktisch alles was körperliche Arbeit erfordert, wird durch asiatische Einwanderer erbracht) dann kann ich oft nur raten, was der Typ meint. (Das gilt übrigens nicht für junge Chinesen, die sprechen meistens ein hervorragendes Englisch)

Dies als erstes Schlaglicht – mehr folgt im nächsten Teil.

No Worries

JRO


[1] 1 AUS$ = ca. 0,80€

2 Antworten

  1. Hi Mate! You don’t mention that you have the chance to see some good cricket. From your weather report, perhaps there is even some in winter?

  2. the #1 sport (in television and newspapers) is definitely australian football (footy).
    I’m afraid, I’m probably not competent enough to include cricket in my reports from Melbourne ;-))

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