Wozu benötigen Führungskräfte Philosophie?

Von kjg
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Dr. Klaus-Jürgen begründet, warum für Führungskräfte Philosophisches Wissen von hoher Bedeutung ist und er Vorlesungen für Führungskräfte anbietet.

Sprechen mit Denken verbinden

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, schrieb Ludwig Wittgenstein vor knapp einhundert Jahren. Im Zeitalter der Globalisierung gibt es kaum mehr Grenzen der Welt. Wie aber wie steht es mit unserer Sprache?

Unsere Sprache bleibt hinter dem Anspruch, Grenzen zu beseitigen, weit zurück. Sie erinnert an urtümliches Verlauten und ist oft gerade noch tauglich, Befehle zu erteilen, Informationen weiter zu geben, Mut oder Unmut zu bekunden. Wer von uns verfügt über eine unverbrauchte Sprache, die präzise ausspricht, was wir denken? Wo sind die Worte, die Gedanken tragen? Welche Worte sind es wert sind, gedacht werden? Wie oft erleben wir dagegen haltloses Reden, das sich abgelöst hat von allem Denken?

Wir überlassen es zu oft dem Zufall, ob die Verknüpfung zwischen Denken und Sprechen gelingt. Auch wissen wir zu wenig über die Methoden, nach denen wir Gedanken entwickeln. Vielen von uns fehlt die Fähigkeit, sich auf eine länger Abfolge von Gedanken zu konzentrieren. Was bedeutet es, ein starkes Argument von einem schwachen zu unterscheiden? Erkennen Sie leicht, wann ein Gedanke widerlegt ist?

Wenn wir philosophische Bücher lesen, gewinnen wir schnell den Eindruck, als schrieben ihre Autoren über unwirkliche Welten, die mit Lebenswirklichkeit und Praxis nichts zu tun haben. Dieser Eindruck ist falsch. Die vielfach zu beobachtende Abgehobenheit akademischer Sprache ist nicht der Ausdruck einer anderen Welt. Sie ist vielmehr die verzerrte Abbildung derjenigen Wirklichkeit, in der wir leben. Es ist die Wirklichkeit, in der die Sprache allseits abgelöst ist von Leben, Handeln und Denken. Der moderne Mensch, der sein Wesen durch Empfang und Weitergabe von Informationen prägt, spricht in seiner Sprache sich selbst als Bestandteil eines Informationssystems aus. Weil aber der Mensch kein Glied eines reinen Informationsweitergabesystems ist, erlebt er sich selbst oft als Fremder in einer Welt, zu deren Erhalt er beiträgt.

Gleichwohl sind es veraltete Vorstellungen, die zu einer Arbeitsteilung zwischen Denken, Sprechen und Handeln gekommen sind. Dass wir Lehrstühle für reines Denken unterhalten, ist ebenso ein Relikt aus überholten Produktionsweisen wie die Überzeugung, dass präzises Denken und Sprechen dem wirtschaftlichen Erfolg abträglich sein könnten. Wer es versteht, in unverbrauchter Sprache den innovativen Gedanken präzise auszusprechen, wird sich leichter auch Marktvorteile sichern können. Zudem belehrt die Erfahrung, dass es Menschen Freude bereitet, Form und Inhalt ihrer Sprache vom Widerspruch zu ihrem eigenen Menschsein zu befreien.

Viele Menschen werden oft missverstanden, weil zwischen Reden, Denken und Handeln starke Dissonanzen herrschen. Doch unsere Sprache transportiert Handlungsvorstellungen. Wenn Kinder damit beginnen, Bauklötze zu Türmen aufeinander stellen, erwacht ihre ebenso große Freude, mit Hilfe der ersten grammatischen Regeln Sätze zu konstruieren. Die Tätigkeit des Konstruierens im Handeln wird begleitet von der Konstruktion der Sprache. Sprechen, Denken und Handeln bereichern sich wechselseitig.

Das Wahre und das Falsche

Wer weiß es besser als die Entscheidungsträger eines jeden Unternehmens: Die wenigsten Entscheidungen sind das Resultat rationaler Überlegungen. Zumeist treffen wir Entscheidungen „aus dem Bauch“ heraus. Hirnforscher sagen uns zudem, dass die Entscheidung um so weniger rational ist, je mehr Bedeutung wir ihr beimessen.

Folgt aus diesen Überlegungen, dass wir beim Entscheiden auf das rationale Denken verzichten sollen? Keineswegs. Was uns allein durch praxisnahe Philosophie zuteil wird, ist eine stabile Zusammenarbeit zwischen „Kopf“ und „Bauch“. Schließlich ist auch die so genannte „Bauchentscheidung“ eine Kopfentscheidung. Doch weil wir nicht wissen, wie der Kopf sie zustande bringt, entsteht uns der Eindruck, der Kopf sei unbeteiligt gewesen.

Für einen stressfreien Umgang im Lösen von Problemen und Treffen von Entscheidungen ist es hilfreich, die Mechanismen des Zustandekommens von Erkenntnis zu kennen. Nach welchen Kriterien unterscheiden Sie Richtiges von Falschem? Können Sie im Zweifelsfall auf eine Methode des korrekten Schließens zurück greifen? Welches Kriterium von Wahrheit entspricht Ihren eigenen Gewohnheiten und zu welchen Kriterien stehen Sie dadurch im Gegensatz?

Kritisches Bewusstsein

Sigmund Freud hat in einer Zeit des Schreckens die Vermutung ausgesprochen, dass jede Schädigung unseres „allmächtigen und selbstherrlichen Ichs“ im Grunde ein Kapitalverbrechen darstelle. Es „morde selbst für Kleinigkeiten“, meinte er. Moderne Hirnforschung bestätigt diese Vermutung. Unser Ich ist ein Konstrukt, das sich aus verschiedensten Wahrnehmungen bildet. Sein einziges Ziel ist es, stabile Einheitlichkeit aus der Selektion seiner Wahrnehmungen herzustellen. Dabei konfabuliert es aus Fragmenten der Wirklichkeit ein plausibles Ganzes zusammen. Allein was diesem Konstrukt entspricht, wird als gültig anerkannt, alles andere wird mit vehementer Kraft verdrängt.

Nichts ist der Innovation so feindlich wie das ängstliche Festhalten an gewohnten Vorstellungen. Aber jede Abkehr vom stabilen Weltbild bereitet Schmerzen. Wir verstehen die Vorteile der Offenheit gegenüber Neuem nur dann in Erfolg zu verwandeln, wenn wir gelernt haben, die Entstehung des Neuen mit Freude zu begleiten. Die stärkste Kraft des Fortschritts ist schließlich der Widerspruch. Aber genau diesen wehrt unser Selbstbewusstsein allzu leicht als feindlichen Angriff ab. Statt den Widerspruch zu suchen, befördern wir zumeist nur die Bestätigung des Gewohnten und die Anpassung an unsere eigenen Vorurteile. Wie erreichen wir einen furchtlosen Umgang mit Betrachtung der Welt, die sich leicht nicht der gewohnten Wahrnehmung fügt? Wie erreichen wir den Nutzen im Umgang mit dem Widerspruch?

Ethik

Eines der Zauberworte des gegenwärtigen Zeitalters ist das Wort Ethik. So lange wir uns nicht fragen, was es bedeutet, glauben wir dies immer schon zu wissen. Doch im Feld der Ethik zeigt sich am deutlichsten, ob wir in der Lage sind, bloße Worthülsen von gehaltvoller Sprache zu unterscheiden. Woher kommt die Ethik und warum können wir nicht darauf verzichten? Die Antwort auf diese Frage hängt auch davon ab, ich welchem kulturellen Umfeld Sie aufgewachsen sind und leben. Ethik ruft das Gefühl des Guten bei uns hervor. Das macht es nötig, kritisches Bewusstsein an sie heran zu tragen. Wenn etwas gute Gefühle bei uns hervorruft, müssen wir immer damit rechnen, dass uns mit dem guten Gefühl als Träger eine Sache untergeschoben werden kann, die weniger gut für uns ist.

Betrachten wir die unterschiedlichsten Begründungen von Ethik, dann erkennen wir schnell, dass es auch verschiedene Angebote von Vormündern sind, die uns sagen, was gut sein soll. Sind Sie in der Lage, die Ansprüche, die mit der Begründung von Ethik verbunden sind, immer zu erkennen? Kennen Sie die Grundlage Ihrer eigenen Vorstellung von ethisch-moralischem Bewusstsein?

Aufklärung

Eine Philosophie für Führungskräfte bleibt dem Anspruch der Aufklärung verbunden. Das gemeinsame Merkmal aufgeklärten Denkens ist es, die Inhalte des Bewusstseins nicht vorschnell für das anzuerkennen, wofür sie sich selbst ausweisen. Wenn wir einen Sonnenuntergang sehen, muss dies nicht bedeuten, dass diese Vorstellung der Wirklichkeit entspricht. Schließlich kann es auch sein, dass es gar keinen Sonnenuntergang gibt und wir uns aus vereinzelten Wahrnehmung eine Bewegung der Sonne um die Erde selbst konstruieren. Dass vor einigen hundert Jahren noch Menschen umgebracht wurden, wenn sie daran zweifelten, dass die Sonne sich bewege und die Erde im Zentrum der Welt ruhe, deutet den Fortschritt aufgeklärten Bewusstseins an.

Aber auch wir Heutigen verfallen dem Anspruch unseres Bewusstseins nach wie vor, seine Inhalte unkritisch so zu verstehen, wie sie sich selbst darstellen. Je elender die Arbeitsbedingungen des Arbeiters, um so herrlicher stellt er sich das Paradies vor, bemerkte Karl Marx vor einhundertundfünfzig Jahren. Aber wir verstehen den Arbeiter nicht wirklich, wenn wir den Auskünften seines Bewusstseins folgen und mit ihm über die Herrlichkeit des Paradieses sprechen. Sehr viel mehr haben wir verstanden, wenn wir danach fragen, wie die Inhalte unseres Bewusstseins aus der ökonomischen Lebenswirklichkeit eines Menschen zustande gekommen sind. Es ist zumeist das Sein der Menschen, das ihr Bewusstsein bestimmt.

KJG

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