Depressionen und die Ursachen

Der Rummel um die Selbsttötung von Robert Enke ist vorbei, vergessen spätestens seit dem neuen „Wettskandal“ des europäischen Fußballs. Der spektakulären Berichterstattung wird wieder Schweigen folgen. Die depressiven Erkrankungen werden aber immer mehr, entsprechend steigt die Anzahl der Selbsttötungen. Sie hat schon vor Jahren die Anzahl der Verkehrstoten übertroffen und trotz massivem Einsatz von Antidepressiva steigt sie weiter.

Auch ich kenne eine ganze Reihe von depressiven Menschen. Ein guter Freund von mir hat vor gar nicht langer Zeit zu unserer großen Überraschung den Freitod gesucht. Leider hat sein Schicksal wie das vieler anderer nie die Öffentlichkeit erreicht.

Rückwirkend finde ich es ein wenig schade, dass die aus der traurigen Selbsttötung eines Spitzenfußballers resultierende große mediale Aufmerksamkeit nicht mehr bewirkt hat. Sicher wurden die Fans vom DFB ermahnt, dass auch Superstars nur Menschen sind und dass überehrgeizige Sportlereltern ihre Kinder nicht überfordern sollten.

Aber über die wirklichen Ursachen der zahlreichen Depressionen in unserer Gesellschaft wurde geschwiegen. Nach meinem sicher laienhaften Kenntnisstand sind dies eher:

  • Menschen erfahren einen permanenten Sinnverlust durch Konsum und Naturentfremdung.
  • Verlässliche und stabile Beziehungen werden immer seltener.
  • Soziales Leben reduziert sich.
  • Emotionen werden aus zweiter Hand gelebt.
  • Egoismus wird zum Überlebensprinzip.
  • Säuglinge und Kleinkinder werden zu früh ihrer zentralen Beziehungsperson beraubt.
  • Die psychische und soziale Entwicklung von Kindern missglückt in gesellschaftlich relevanten Umfang.

Auch in unserer „aufgeklärten Zeit“ haben viele Menschen anachronistische Lebensbilder internalisiert. Sie empfinden Glückseligkeit als Sünde, fürchten sich vor einem überwachenden und strafenden Gott, empfinden sich als schlechte Menschen und sehnen sich nach Vergebung ihrer Sünden und geben sich gepflegt diversem Aberglauben hin. Das alles kann auch verrückt und depressiv machen.

Und hat man uns nicht allen das Denken in Schuld und Sühne angelernt? Haben wir nicht die Angst vor dem Glück und die Sorge zu Versagen auf den Weg mitbekommen? Das wurde vielen von uns schon schon von Kindesbeinen an durch Elternhaus und Schule eingetrichtert. Wie oft sind wir als Kinder von gut meinenden Erwachsenden „klein gemacht“ worden, ganz gleich ob mit oder ohne Absicht. Und so robust und selbstschützend Geist und Seele von Menschen sind – oft wundere ich mich, dass nicht noch viel mehr Menschen depressiv sind.

Und deshalb hätte ich mir eine tabufreie Diskussion zum Thema „Depression“ gewünscht. Vielleicht wäre das Ergebnis einer solchen Diskussion eine Rückbesinnung auf uralte Werte wie Liebe und Geborgenheit, Vertrauen und Verständnis gewesen. Oder es wäre aufgefallen, dass eine intensive und intakte Mutter-Kind-Beziehung eher vor Depressionen schützt als die Verbringung eines Kleinkindes in eine Kinderkrippe.

Wahrscheinlich gibt es noch weitere physische Formen von Depressionen, die durch eine Stoffwechselstörung oder andersweitig durch Krankheiten bedingt sind. Aber wenn man sich ein wenig mehr wieder aufs Menschsein bewegen würde, würde das auch schon helfen. Weniger Verkrampfung und Zwanghaftigkeit, weniger faschistoider Ernst, dafür mehr Lust und Freude an Leben und Liebe dürfte ein wertvolles Rezept sein, auch um Depressionen zu reduzieren. Also mehr Glückseligkeit mit weniger schlechtem Gewissen.

Aber leider kann auch der Tod eines Nationalhelden unsere selbst auferlegten Tabus nicht brechen und keine radikale Veränderung hin zur Lebensfreude bewirken. Die Medien und die Gesellschaft beschränken sich auf belanglose Statements und Erklärungen wie den Leistungsdruck.

Wir aber lernen nichts aus unserer eigenen Kindheit und produzieren immer mehr psychisch kranke Menschen. Und verdrängen, dass Vorbeugen besser (und billiger) ist als das oft unmögliche Heilen. Und sind gelähmt vom Entsetzen über immer mehr werdende Gewalt, Depression und Schizophrenie in unserer Gesellschaft.

Und beim nächsten Selbstmord eines Prominenten demonstrieren wir dann wieder für eine Woche medial und kollektiv unsere Betroffenheit.

RMD

P.S.
In der Jugend haben wir Aldous Huxley’s „Brave New World“ gelesen und uns Sorgen gemacht, dass die Zukunft gut so aussehen könnte. Here we are.

3 Antworten

  1. Ja, ich glaube an einen wachsamen und strafenden Gott und sehne mich nach der Vergebung der Sünden. Nur: Was hat das mit Depressionen zu tun?

  2. Diese Frage würde ich lieber von kompetenteren Menschen aus der Psychologie/Psychopathie beantworten lassen. Nach meinem Wissen gibt es hier sehr stark differenzierende Fachmeinungen.
    Persönlich vermute ich ganz intuitiv, dass der Glaube an einen liebenden und verzeihenden Gott eher vor Depression schützt als der an einen kontrollierenden und strafenden. Und habe auch den Eindruck, dass die Erziehung hin zu Schuld- und Sühnemodellen der geistigen Gesundheit schadet. Wenn ich mich wegen Glückseligkeit auf Erden schuldig fühlen muss, weil diese erst im Jenseits sein darf, dann gruselt es mir. Aber wie gesagt, das ist ein schwieriges Terrain, auf dem auch die Experten gerne straucheln. Ich habe auf jeden Fall Angst vor den Folgen einer Erziehung, die Lebensfreude und Lust negiert.
    RMD

  3. Hallo,

    Kompliment zu deinem Blog, ich habe auch einen Blog zum Thema Depressionen gegründet und würde mich freuen, wenn auch andere meinen Blog lesen und kommentieren würden.

    Ich denke es ist eine Hilfe für alle sich auszutauschen, zu diskuttieren und sich tipps zu geben .

    http://neuesleben2010.wordpress.com

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