Infrastruktur-Betriebe, Privatisierung und vom Sinn eines Unternehmens

🙂 Die InterFace AG sorgt dafür, dass das moderne Nervensystem unseres Planeten funktioniert …

Das schaffen wir natürlich nicht alleine, sondern nur gemeinsam mit vielen anderen kleinen und großen Unternehmen auf dieser Welt. Es ist ein gigantisches „coworking“, und wir versuchen da einen ordentlichen Beitrag zu leisten.

So gesehen wären wir ja so etwas wie ein „Infrastruktur-Betrieb“?

Auf die Idee mit dem Infrastruktur-Betrieb kam ich, weil jedes Unternehmen einen Sinn haben sollte. Und der kann nicht nur aus der Maximierung des Shareholder-Value bestehen (siehe Alfred Rappaport). Da muss mehr da sein, und da könnten Infrastruktur-Betriebe es einfacher haben. Denn diese besitzen nach meiner Meinung eine implizite Sinnhaftigkeit.

So waren die Eisenbahner und Postler zumindest in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine stolze Mannschaft. Denn sie waren es ja, die dafür gesorgt haben, dass die Räder rollten und Briefe und Pakete zuverlässig transportiert wurden. Auch die Elektrizitätswerke hatten eine leicht zu erklärende Sinnhaftigkeit. Immerhin haben sie dafür gesorgt, dass die Lichter nicht ausgingen. Wie auch die Stadtwerke, die auch noch für Wasser, den Abfluss des Abwassers, die Beseitigung des Mülls, das Fahren der Straßenbahn, die Pflege der gesamten Infrastruktur der Stadt und vieles mehr gesorgt haben. Sogar die kommunale Central-Molkerei wie der öffentliche Schlachthof haben mir eingeleuchtet.

Es ist noch gar nicht lange her, dass die relevanten Infrastruktur-Betriebe ausschließlich in staatlicher Hand waren. Das hatte Vor- und Nachteile. Wobei ich meine, dass die Vorteile überwogen haben. Die Nachteile bestanden eigentlich nur darin, dass Staatsbetriebe gerne feudale Strukturen entwickeln. Zu leicht wird dann aus dem Beamtenstand eine privilegierte Kaste, die sich Vorteile und Rechte verschafft. Dabei aber vergisst, dass sie zu besonderer Verantwortung verpflichtet ist.

So scheint es auch leider in Teilen geschehen zu sein. Staatsbetriebe wurden auch noch zusätzlich von den Regierungen zur Versorgung abgetakelter Politiker missbraucht. Auch dies hat diesen nicht gut getan. Es kann ja nicht funktionieren, wenn die Besetzung von Führungspositionen nicht der Eignung des Kandidaten für die Anforderungen des Jobs folgt sondern eigenartigen anderen Interessen.

So haben sich die Dinge im Lauf der Zeit wohl zum schlechteren verändert. So war es nur logisch, dass „das Fass mal überlaufen“ musste! Das passierte am Ende des letzten laufenden Jahrtausends. Und jetzt war „Privatisierung“ angesagt. Als das universale Heilmittel. Und gleich mal das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Und weg war sie, die Sinnhaftigkeit der ehemals so wichtigen Infrastruktur-Betriebe. Es entstanden große Staatskonzerne, die an die Börse mussten. Und plötzlich ging es nicht mehr um die Versorgungssicherheit der Menschen im Staate, sondern um „Shareholder-Value“. Die ehemaligen Staatsriesen träumten von Rekordgewinnen und Weltmarktführerschaft.

Aber beides, Shareholder Value und Weltherrschaft, schafft zuerst mal keine Sinngebung für die Mitarbeiter. Auch gern praktizierte Alternativen wie eine künstlich eingeführte „Champion Mentalität“ (We are the  number 1!) oder das Ausrichten von Unternehmen nach Design-Kriterien ersetzen diese nicht. Und haben auch alle betreffend Motivation und Unternehmenskultur versagt. So gingen viele Mitarbeiter in die innere Kündigung oder entwickelten eine „Leck mich am A….“ Einstellung. Siehe dazu auch meine Bemerkungen zum brand eins des Monats Juni.

Aus eigener Erfahrung habe ich erlebt, dass das früher anders war. Mein Vater war Beamter. Aber vor allem war er Eisenbahner. Aus Überzeugung. Ihm war es wichtig, dass die Züge pünktlich fuhren. Für seinen Arbeitgeber, die Bundesbahn hat er alles gemacht und sich oft gegrämt, wenn die Dinge nicht so geklappt haben wie es hätte sein sollen. Und hat hart daran gearbeitet, dies zu verbessern.

Auch in der Industrie kenne ich es von früher anders. Von den damaligen großen Unternehmen mit großer Reputation wie das Volkswagenwerk eines Herrn Nordhoffs. Aber auch kleine Unternehmen habe ich früh mit Interesse beobachtet. Zum Beispiel eine kleine Molkerei in der Nähe von Augsburg, die trotz eine sehr durchschnittlichen Namens mittlerweile zu Weltruhm gekommen ist.

So richtig habe ich als junges Kind als erstes Unternehmen die Fleischfabrik Zimmermann bewusst erlebt. Das war in den Mitt-Fünfzigern und ich hatte gerade die Laufbahn des ABC-Schützen gestartet.

Die Eigentümer-Familie Zimmermann waren die Könige von Thannhausen, dem Ort in dem meine Großeltern mütterlicherseits lebten. Die beiden Schwestern meiner Mutter hatten die großväterliche Landwirtschaft im Sudetenland erben sollen und deshalb „nichts gelernt“. Im Gegensatz zu meiner Mutter, die studieren durfte, weil sie bei der Aufteilung des Erbes leer ausgegangen wäre.

Am Ende der deutschen Eroberungsstrategie im zweiten Weltkrieg kam es aber zu dem bekannten Rollback (Vertreibung) und das von mir nicht mehr erlebte großväterliche Anwesen war Ende des Krieges weg! Die ehemaligen Eigentümer wurden dann laut der Legende im letzten Viehwagen nach Bayern ausgesiedelt. Meine Eltern nannten das Vertreibung. Da meine Tanten in der Annahme, das väterliche Geschäft weiter zu führen, offiziell nichts gelernt hatten, waren sie froh, im neuen Leben in der Fleischfabrik Zimmermann als Hilfsarbeiterinnen arbeiten zu können.

Das Gehalt war schlecht, aber die „Familie Zimmermann“ versorgte seine Angestellten ganz besonders günstig mit den guten Wurstwaren. Damals habe ich manche Legende über dieses Unternehmen und seine schillernde Eigentümerfamilie gehört.

Die Eisenbahnstrecke von Dinkelscherben nach Thannhausen wurde eigentlich nur für das Werk der Zimmermanns betrieben. Hinter der Fabrik gab es eine Landebahn, von denen die Zimmermanns öfters mit ihrem Privatflieger in die große Welt starteten. Und nur zu oft waren die Zimmermann in der großen weiten Welt unterwegs und die Geschichten darüber gingen durch die Mitarbeiterschaft.

Und obwohl den Fleisch-Arbeitern wohl bewusst war, dass es den Zimmermanns in Dimensionen besser ging als ihnen selber, fanden sie damals einen Sinn in ihrer Arbeit. Weil es wieder aufwärts ging und weil es wieder Wurst zum Brot zu essen gab. Die Familie Zimmermann war der beliebte Arbeitgeber, der für Beschäftigung sorgte und wurde von allen verehrt. Sie waren die Sonnenkönige und die Sensation in Thannhausen. Die Mitarbeiter wussten das und liebten trotz beschwerlicher Arbeit und geringen Lohnes ihre illustre und mondäne Familie Zimmermann .

Das war auch so eine Art (wie ich schon früh fand zwar eher eigenartig), als Mitarbeiter einen Sinn im Unternehmen zu sehen. Alle mussten hart arbeiten und waren trotzdem irgendwie glücklich. Wie ich älter wurde, änderte sich das dann in den Geschichten meiner Tanten. Der Sinn ging immer mehr futsch und die negative Aussagen mehrten sich. Der Wohlstand wurde zum Normalzustand und die Härten der Arbeit wurden entdeckt.

Die schillernde und reiche Familie Zimmermann war mit der Entwicklung wohl eines Tages auch nicht mehr zufrieden. Deshalb verkaufte sie ihre Fabrik eines Tages an einen großen Fleischkonzern und verschwand wohl aus Thannhausen. Wohl um sich nur noch ihren „gesellschaftlichen“ Pflichten zu widmen. Das neue Leben in der Welt des Luxus schien ihnen wohl sinnvoller als die unternehmerische Arbeit in hoher Verantwortung. Aber darüber weiß ich nichts mehr.

Ich erzähle diese Geschichte eigentlich aus anderen Gründen. Ich glaube, dass in der heutigen Zeit schwierig ist, einer Fleischfabrik einen Sinn zu geben. Da reicht auch keine von Sagen umworbene Familie mehr. Sondern da muss man wohl über die richtigen Werte und eine Unternehmenskultur verfügen, die auch dem Schlachten von Tieren einen handwerklichen Sinn gibt.

Generell ist es schwer, einem Unternehmen einen Sinn zu geben. Und ich denke mir, dass Infrastrukturbetriebe da einen natürlichen Wettbewerbsvorteil haben – eine ganz natürliche Sinngebung, auf der man aufbauen könnte. Die aber wahrscheinlich sich ins Gegenteil umkehrt, wenn diese zu Privatkonzernen werden und dann ihre Hauptaufgabe vergessen, zuverlässig und zu fairen Preisen Infrastruktur zu realisieren und nur in Umsatz und Gewinn denken.

Und dann kommt mir der Verdacht, dass gerade Infrastruktur-Betriebe doch besser Staatsbetriebe sein sollten. So dass der Vorteil einer natürlichen Sinngebung sich nicht ins Gegenteil verkehrt. Nur dürften die „neuen Staatskonzerne“ dann halt die bekannten und oben benannten Fehler nicht wiederholen. Vielleicht könnte „gutes Management“ dies bewirken.

Und vielleicht gilt dies auch für das nach meiner Meinung so wichtige Nervennetz unseres Planeten, das wir Internet nennen und von unserer führenden Politikerin als Neuland bezeichnet wird. Gerade im „Neuland“ sollte die Freiheit, Offenheit und Verfügbarkeit von einem demokratisch kontrollierten Staat garantiert werden! Und diese so wichtige Infrastruktur muss als Voraussetzung für die Entwicklung eines sozialen Konsens zur Gestaltung von Zukunft vor Angriffen von den verschiedensten Seiten geschützt werden.

RMD

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