Macht das Ausschreiben der S-Bahn München einen Sinn?

Vor kurzem habe ich die These aufgestellt, dass Staatsbetriebe und vielleicht sogar monopolistische Staatsbetriebe gar keine so schlechte Lösung sind und dass unter gewissen Voraussetzungen solche Betriebe sogar leistungsfähiger, effizienter und Kunden orientierter arbeiten können als privatwirtschaftliche Unternehmen. Dieser Artikel hat eine spannende Diskussion bewirkt, deshalb hier noch zwei dazu passende Meldungen aus der Presse.

Zu einem habe ich vor kurzem gelesen, dass sich bei Ausschreibungen für Regionalbahnen immer öfters zu wenig bis gar keine Anbieter mehr finden würden. Und dass die Vergebenden (staatliche Administration – wobei die Frage spannend ist, wer das genau ist und warum er das ist) gerne zum Mittel der Direktvergabe ohne Ausschreibung greifen würde, dies aber aufgrund eines Urteils des Bundesgerichtshof nicht möglich sei.

Mich überrascht das nicht. Aus eigener Erfahrung weiß ich sehr wohl, wie viel Aufwand die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung verursacht und dass die Kosten der Teilnahme in der Regel in keinem Verhältnis zu der möglichen Umsatzmehrung und Ergebnisgenerierung stehen.

Besonders da der Ausgang immer unsicherer und der Gewinn einer Ausschreibung für einen seriösen Anbieter immer unwahrscheinlicher wird, weil immer mehr Anbieter unter Kosten anbieten, da sie den Auftrag aus irgendwelchen Gründen unbedingt haben wollen oder brauchen. So erscheint das zumindest in der IT – der Gewinn von Ausschreibungen wird sich wegen „strategischer Ziele“ förmlich erkauft.

In der Süddeutschen stand zur kommenden Ausschreibung „Betrieb der Münchner S-Bahn“ auch etwas Interessantes. Ein eventuell neuer Gewinner der Ausschreibung dazu müsse das rollende Material des alten Betreiber übernehmen. Das hat mich zuerst mal überrascht, kam mir aber nach ein wenig Nachdenken durchaus logisch vor. Obwohl es ja eigentlich Unsinn ist.

Nehmen wir an, ein neuer Anbieter gewinnt den Betrieb der Münchner S-Bahn. Wenn er die alten Züge übernehmen muss, dann hat er keine Chance mit besseren und moderneren Fahrzeugen zu punkten. Mit vielleicht strukturierter erster Klasse. Oder Toiletten in den Zügen, die längere Strecken bedienen (Die Fahrtzeit von Kreuzstraße nach Wolfratshausen beträgt z.B. eine Stunde und dreißig Minuten).

Er kann die Züge auch nicht öfter fahren lassen. Veränderungen am Netz (zum Beispiel mehr Begegnungsstellen auf eingleisigen Strecken oder zweigleisiger Ausbau) werden ihm auch nicht möglich sein.

Der Anbieter kann auch kein neues Konzept beim Tarifsystem anbieten, ist er doch wahrscheinlich auch an die Automaten, Entwerter und sonstig vorhandene Logistik gebunden. Er kann eigentlich nur dasselbe anbieten wie der aktuelle Betreiber, mit marginalen Veränderungen oder Verbesserungen. Wenn er gewinnen will – dann hilft ihm nur eines: ein niedriger Preis. Und das heißt eigentlich nur mit billigeren Mitarbeitern (oder mit wenigeren).

Und was ist mit dem Personal, das beim alten Betreiber die Züge gefahren hat? Muss das dann zum neuen Gewinner wechseln? Zu weniger Gehalt? Geht wahrscheinlich (und natürlich) wegen Arbeitsrecht und Kündigungsschutz gar nicht.

Wo aber soll der neue Betreiber die Menschen herholen, die er braucht, um die Züge fahren zu lassen. Beim Bus-Regionalverkehr ist es ja schon vorgekommen – dass der neue Betreiber nur billiger ist, weil er es schafft, seine Busfahrer als Subunternehmer einzusetzen und schlechter zu bezahlen.

Ich finde, an diesem neuen Konzept der Privatisierung mit Betrieb zur Ausschreibung schon vieles sehr unausgereift ist. Mir wäre da lieber ein starkes integriertes System. Ein Gemeinschaftsunternehmen, das sich nicht von Ausschreibung zu Ausschreibung retten muss, sondern in einem wahrhaftigen kontinuierlichen Verbesserungsprozeß integriert mit dem Schienennetz, Transport- und Logistiksystem den öffentlichen Verkehr pünktlicher und komfortabler macht. Und das auch bei den Randdimensionen wie vernünftige Tarife, einfaches Zahlungsystem und vieles mehr entscheiden und bestimmen kann.

Das wird aber mit dem heutigen Privatisierungsmodell nicht gelingen. Schlimmer noch: Die Ausschreibungen werden nicht die besseren Anbieter finden sondern die gerissensten. Und der öffentliche Verkehr wird so nicht attraktiver werden. Mit negativen Folgen für unsere Umwelt und Zukunft.

Und die Rechtfertigung, dass die Bahn ja nach der Privatisierung effizienter wäre und deshalb Gewinne und keine Verluste mehr machen würde so wie die alte Deutsche Bundesbahn, erscheint mir auch nur dünnes Eis. Heute fahren die regionalen Betriebsgesellschaften doch erst dann, wenn sie von den Gemeinden/Kreisen bezahlt werden. Und ich habe den Eindruck, dass das, was früher „Verlust“ genannt wurde, heute der aktive Zuschuss von der öffentlichen Hand ist.

Die Privatisierung hat aber auch etwas anderes bewirkt: Mir scheint, dass Preiserhöhungen von den neuen Herren noch dreister angegangen werden als von den ehemaligen Staatsbetrieben.

RMD

2 Antworten

  1. Generell mal zu Ausschreibungsverfahren: Ich finde es ja ohnehin schon lächerlich, dass man immer den billigsten Anbieter nimmt. Das fördert ja gerade eine Spirale des unterbietens, nur damit dann am Ende doch mehr gezahlt wird, weil letztlich die Angebote teilweise unseriös berechnet waren. Daher: Nicht das billigste Angebot, sondern das zweit billigste sollte das Rennen machen..
    Prinzipiell gebe ich Dir aber Recht: Es gibt gewisse Grundaufgaben, zu denen meiner Meinung nach sicherlich kommunale Verkehr gehört, die nicht (nur) nach Effizienzgedanken gemacht werden dürfen. Noch klarer finde ich das übrigends beim Gesundheitssektor: Ich will mich ja auch ncht vom billigsten Arzt behandeln lassen, sondern lege meine Gesundheit am liebsten natürlich in die Hände des/der besten.

  2. @Coridan: Bei den letzten Ausschreibungen, an denen wir beteiligt waren, wurde das Gewicht immer mehr auf den Preis gelegt. So ist das nun mal …

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