Mittelmeer.

Vorbemerkung: Diesen Artikel habe ich sehr emotional geschrieben und wollte ihn gerne schnell veröffentlichen. So bitte ich, mir etwaige Tipp-Fehler und ungelenke Formulierungen zu verzeihen. Ich werde versuchen, das in den nächsten Tagen zu glätten.

Gestern habe ich mir „Jauch“ angeschaut. Und war erschüttert. Über die Sendung. Über die Moderation. Über die Auswahl der Teilnehmer. Über die tiefe Unmenschlichkeit, die am laufenden Band formuliert wurde.

Ich war entsetzt, wie viel Raum kleinmütiger Angst von Spießbürgern gegeben wurde. Die unreflektierten Aussagen der meisten Teilnehmer haben mich erschreckt. Christian Haase, ein wohl selbsternannter Sprecher der Bautzener „Bürgerinitiative Greenpark“ (!) durfte objektiven Unsinn verbreiten. Die Ignoranz der deutschen Politik wurde lehrbuchhaft formuliert durch das realitätsferne Geschwafel des Politik/Funktionärs Hans-Peter Friedrich. Die Gefährlichkeit und Arroganz des rechten Randes der Schweizer Politik und wohl auch Gesellschaft vertreten durch Roger Köppel, Mitglied der „rechtskonservativen“ Schweizer SVP, bekam eine öffentliche Plattform. Und ich war auch nicht glücklich, dass die als betroffenes Opfer präsentierte Maya Alkhechen mir bei aller Sympathie als ein wenig indoktriniert erschien.

Es schien mir schier unglaublich zu sein, dass Menschen im Angesicht solcher Tragödien so leichtfertig und oberflächlich in einer zentralen Sendung des deutschen öffentlichen Fernsehens soviel Mist erzählen dürfen. Das hätte sich schon aus Respekt vor den vielen Toten verboten

Ich war froh, dass Heribert Prantl auf einsamer Flur die Fahne der Werte einer humanen und aufgeklärten Gesellschaft hochgehalten hat. Und dass ein Harald Höppner, der in der FAZ heute als „gutwilliger Amateur“ bezeichnet wird, ein starkes Symbol gesetzt hat.

Der Rest ist grauslich und für mich unfassbar.

Hier noch ein paar ergänzende Gedanken zum Hintergrund der Situation.

Geschichte besteht nach meinem Verständnis aus hochkomplexen und kausalen Wirkungsmechanismen. Die auch im nach hinein nicht trivial zu erkennen und erklären sind. Allein die Lektüre eines Buches wie die „Verwandlung der Welt“ von Osterhammel lässt das leicht erkennen.

So hat alles, auch die Problematik Afrikas wie die unserer aktuellen Welt Ursachen. Und die Aufgabe der Politik wäre, uns weise durch dieses schwierige Lage hindurch zu lotsen.

Zu Afrika: Nicht nur in den letzten Jahrzehnten ist Afrika durch eine idiotische Politik des „Westens“ weiter ruiniert worden. Unser Wohlstand, in dem wir leben und der für uns wohl so wahnsinnig wichtig ist, dass wir ihn mit allen Mitteln schützen wollen, kommt irgendwoher. Auch von unserer Tüchtigkeit. Auch von unserem Klima, das hartes Arbeiten ja erst so richtig ermöglicht. Aber letzten Endes geht  unser Wohlstand zu Lasten der armen Länder in der ganzen Welt – ich will sagen: In letzter Konsequenz gedacht beruht er auf Ausbeutung.

Afrika brennt, weil es seit mindestens 300 Jahren ausgeplündert wird. Lest bitte einfach die Geschichtsbücher. Früher wurde Afrika bevorzugt von der „westlichen Welt“ ausgebeutet – heute von der ganzen. Und irgendwann bekommt man halt dann mal auch „die Reichen“ die Quittung für ein solches Verhalten. Das kann man nicht „hopplahopp“ mit einem „Marschall-Plan“ reparieren oder mit administrativen Verfahren inklusive Ablehnungsbescheid vor Ort regeln. Alleine das zu denken und sagen ist dumm und naiv und grenzt an eine Unverschämtheit.

Insofern geht es nicht, sich einfach zurück zu lehnen und Menschen ertrinken zu lassen, ganz gleich wie viel vernünftige oder unvernünftige Überlegungen es im Kontext geben mag.

Ich möchte noch ein par Gedanken beitragen, um das Denken zu öffnen:

  • Wer erinnert sich noch an die Flüchtlingskatastrophe 1945 in der Ostsee? Da sind auch nur Menschen in Not ins Restdeutschland geflohen. Konnte man da unterscheiden, wer Soldat, Kriegsflüchtling, politischer Flüchtling (weil Nazi), Wirtschaftsflüchtling (weil er nichts mehr zu essen hatte) oder nur aus „Angst vor den Russen“ geflohen ist? Wäre dies, Angst vor Russen, ein Ablehnungsgrund gewesen?
    Und wenn man der Geschichte glaubt, hat da sogar das unmenschliche und schon wankende „Dritte Reich“ absolut und auch prozentual mehr Flüchtlinge aus Seenot gerettet als die EU im Mittelmeer.
  • Was wäre in Deutschland los gewesen, wenn die MS Europa, das deutsche 5-Sterne-plus Schiff mit zirka 350 Menschen im Mittelmeer mit nahezu Totalverlust gekentert wäre? Das Schiff habe ich mir als Beispiel rausgesucht, weil ich es gut kenne und weiß, wer auf diesem Schiff so reist.
    Die Trauerfeier zu dem verunglückten Air-Wings-Flieger ist noch nicht lange her. Auch die Toten haben ihre Klassengesellschaft.

Abschließend will ich nur erwähnen, dass ich mich zurzeit in einer schwierigen Lebensphase befinde. Privat nehme ich mich als zufrieden und sehr glücklich war. Als soziales Wesen leide ich immer stärker und vielem was in unserer Gesellschaft passiert. Das Verhalten „meines Europas“ tut mir weh.

Gleichzeitig bin ich entsetzt, wenn ich sehe, wie von den selben Politikern, die ihre Unmenschlichkeit täglich dokumentieren ohne sich zu schämen, Gesetze und Vereinbarungen, die gegen das Grundgesetz sind (VDS, TTIP) unter Aushebelung demokratischer Regeln und gegen den Willen der Menschen im Schnelldurchgang durchgezogen werden sollen.

Wenn ich immer mehr feststellen muss, wie viel gelogen wird. Wie verantwortungslos gehandelt und gemauschelt wird. Ich könnte noch vieles dazu schreiben. Das Schlimmste ist aber mein Gefühl der Hilflosigkeit. Ich weiß nicht, was ich dagegen tun kann und habe den Eindruck, der aktuellen Entwicklung nur hilflos zu schauen zu können. Und das stinkt mir!

RMD

4 Antworten

  1. I give this diatribe 5 stars, because it represents the justified outrage of a normal decent guy, based on a Christian family upbringing, influenced by the Sermon on the Mount and the parables. I am an atheist, but still influenced by the same factors.
    But that is not the whole story. In Europe we are very lucky to live good lives, with greatly reduced chances of early death, despite cigarettes and cars. The men in primitive tribes often plundered other villages, killing the men and capturing young women. Most religions look rather bad. Dawkins wrote, with justice that God of the Old Testament is the most unpleasant of all fictional characters, vain, malicious, homophobe, etc., etc. Many Jews, and some other Americans believe they are God’s chosen people. The Koran gloats over unbelievers burning eternally in hell. It condemns men who raid only unprotected caravans, (for their cowardice), but says nothing against plundering peaceful traders. It even advises how to split the booty. The Hindu caste system is repugnant to Europeans and surely is a main cause of widespread poverty in India.
    Buddhism is perhaps nicest, and was widespread in India 2000 years ago, but was overrun by Hinduism. Probably it was too nice. Christianity somehow avoided being too nice. Emperor Constantine would surely have given it up if his soldiers had all turned pacifist. It and Islam waged bloody wars for centuries from Portugal to the Caucasus and further.
    Human nature is determined by evolution. Some animals are nicer, some are nastier. Humans are most complicated, having various behavioural modes, depending on circumstances. We are clever enough to realise that we need help from others, and that we tend to get this from those close to us genetically, geographically, in language, faith, or love of cricket. When we come under pressure from others, we react singly or as a group against them. We may be clever enough to do this hypocritically. At present we are under plenty of pressure, due to overuse of resources, such as land, water, oil, and the atmosphere. SZ says we are using 150%, but I think the situation is worse in the long term.
    It seems that vox populi is cleverer than it seems and is driving our politicians to extreme hypocrisy towards the poor people of the world. Of course most of us would like a world where we were all nice to each other. But could this work in practice? Meanwhile, we should be happy that our politicians pretend to be nice. Things would be worse if those in power were openly evil.
    Perhaps you can understand, Roland, why I made fun of your mentor, who essentially advised, using bits of Latin and Greek, that we should all be nice to each other. Most of us are nice most of the time, but to ignore the rest of human nature puts us and the world in danger.
    By the way, read Naomi Klein’s last two books. They are important, if rather wishful thinking.

  2. @Chris: Thank you for 5 stars and the long comment!
    In apite I think that „be nice to each other“ is the first step in a better world. 🙂

  3. Mir fällt hierzu das Modell der „adverse Selektion“ von George A. Akelof ein (übrigens verheiratet mit Jane Yellen), der dafür mit Anderen den Nobelpreis bekommen hat. http://de.wikipedia.org/wiki/Adverse_Selektion
    Das Schlimme bei Jauch ist nun, dass diese Sendung nicht zur Behebung, sondern zur Verschlimmerung der Informationsasymmetrie beiträgt. Allein dafür sollte Jauch mitsamt seiner Sendung aus den öffentlich/rechtlichen Systemen rausfliegen! Das Einzige was einem selbst bleibt, ist, woimmer es geht gegen diese Art von „Journalismus“ vorzugehen. Die Einfachste Maßnahme ist, Jauch nicht mehr anzuschauen und in Diskussionen zu Sendungen von Jauch auf die unselige Art dieses Journalismus hinzuweisen.

    Leider verhalten sich auch immer mehr Politiker in dieser opportunistischen Weise zur Sicherung ihrer Wählerstimmen. Sie nutzen Sehnsüchte und Unwissen aus, um an die Wählerstimmen zu kommen und sich in der Folge damit selbst zu bereichern. Wehe, wenn dieses „gesunde Volksempfinden“ wieder die Oberhand gewinnt!!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Suche

Kategorien

Aktuelle Umfrage

Wie würden Sie die EURO-Krise meistern?

Ergebnisse anzeigen

Wird geladen ... Wird geladen ...
SCHREIBHEMMUNG

SCHREIBHEMMUNG

Reden und Argumentieren ist sinnlos geworden, die Hilflosigkeit hat mich überwältigt.
Gressthal – Projekttagebuch (Gressthal V)

Gressthal – Projekttagebuch (Gressthal V)

Der Lausbub aus Gressthal, der als Professer den b-tree erfindet, berichtet seine Kindheit zum Ende des großen Krieges.
Ist 'soziale Gerechtigkeit' nur ein Missverständnis?

Ist 'soziale Gerechtigkeit' nur ein Missverständnis?

Ja! Wenn wir weiterhin glauben, dass 'Gerechtigkeit' viel mit 'Gleichheit' und wenig mit 'Freiwilligkeit' zu tun hat...
SUCHE
Drücken Sie "Enter" zum Starten der Suche