Unternehmertagebuch #105 – Kommunikationssplitter

Schon vor einiger Zeit habe ich ein eigentlich harmloses Beispiel von „Kommunikation im Unternehmen“ erlebt, das mich überrascht hat. Da musste ich ein paar Gedanken dazu aufschreiben. Heute veröffentliche ich sie. Hier die Diskussion des „use case“, wie man das heute in modernem Unternehmer-Deutsch formuliert:

Nehmen wir an, Sie sind der Chef eines Unternehmens. Und Sie haben einen neuen Mitarbeiter. Ihnen fällt auf, dass der Neue regelmäßig mit seinem Auto auf einem der Kundenparkplätze parkt. Was sich sonst in der Firma kaum keiner traut. Das ist nicht gut und das ärgert Sie. Was machen Sie dann?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, hier ein paar davon:

  • Sie bitten in Ihrer betrieblichen Socialmedia-Anwendung alle Mitarbeiter „die Kundenparkplätze aus gegebenen Anlass nicht ohne wirklich triftigen Grund zu nutzen“. Falls Sie kein Socialmedia im Unternehmen haben, schicken Sie ersatzweise ganz altmodisch eine E-Mail mit dem selben Inhalt an „all“. Und weil Sie der Chef eines ordentlichen und so nach ISO zertifizierten Unternehmens sind, wird parallel der Prozess „Einführung für neue Mitarbeiter“ im Management Handbuch überprüft und erweitert. Ferner wird die interne Broschüre „Begrüßung neuer Mitarbeiter“ um den Hinweis erweitert, dass man „nur auf den für Mitarbeiter vorgesehenen Parkplätzen parken dürfe“! Das ganze natürlich in Abstimmung mit dem Betriegsrat.
    So würde das in großen Unternehmen funktionieren. Korrekt im Sinne der Unternehmens-Prozesse, aber für kleine Unternehmen sicher nicht optimal, da genauso der Weg in die Welt von „bürocracy“ geht.
  • Sie wollen das nicht an die große Glocke hängen und nehmen sich vor den Mitarbeiter bei nächster Gelegenheit auf sein Fehlverhalten hinzuweisen. Sobald er ihnen dann im Gang oder sonstwo über den Weg läuft machen Sie dem Kollegen – nach kurzer Begrüßung mit Smalltalk – seinen Regelverstoß klar: „Ich hätte da noch eine Anmerkung – Sie parken immer wieder auf den für die Kunden reservierten Parkplätzen“ und Sie fügen eine Aufforderung zu, dies doch bitte zukünftig zu unterlassen.
    Eigentlich gibt es doch an diesem Vorgehen nichts auszusetzen – oder? Ich meine jedoch, dass dieses Vorgehen unteroptimal ist. Auf dem Gang könnte es Zuhörer geben, die sich freuen, dass der Chef dem neuen Kollegen mal klar macht, „wo der Bartl den Most holt“. Und in die Enge getrieben wird sich der Neue verteidigen, dass halt sonst kein Platz frei gewesen wäre. Oder zur dummen Notlüge greifen und behaupten, er hätte das Schild „Reserviert für unser Kunden“ übersehen. Oder Ähnliches.
  • Sie besuchen den neuen Kollegen einfach gleich in seinem Zimmer und weisen ihn unter vier Augen darauf hin, dass er vielleicht die Beschilderung übersehen haben könne und es eine sinnvolle Unternehmensregel gäbe, die besagt, dass die besonders gekennzeichneten Parkplätze für Kunden frei zu halten wären.
    🙂 Die letzte Variante finde ich besser als die beiden anderen. Ihr Frust ist sofort vom Tisch, und niemand wird beschädigt.

Jetzt gehen wir mal davon aus, das nicht nur Ihnen als Chef („direkter Vorgesetzte“) der Neue als Parkplatzsünder aufgefallen ist sondern auch „Ihrer“ Chefin der Administration. Denn sie ist für das sinnvolle Einhalten solcher Regeln verantwortlich oder meint zumindest, dafür verantwortlich zu sein. Aus ganz ehrenwerten Gründen, denn sie will einfach mithelfen, dass das Unternehmen gut funktioniert. Sie ist allerdings der Meinung ist, dass Dinge, die man halt nicht macht, auch im Unternehmen nichts verloren haben. Sozusagen als Hüter der Moral. Im sicheren Wissen, dass die Moral auf ihrer Seite ist.

Welche der folgenden Wege könnte (oder sollte) die „Chefin der Administration“ gehen?

  • Sie meldet dem Chef des Kollegen den permanenten Verstoß des Neuen. Vielleicht weil sie selber „sich die Hände nicht schmutzig machen“ will. Als Chef sollte dieser ja wissen, wie man mit solchen Dingen umgeht (Mehr Geld verdient er ja auch). Und dass sie selber den neuen Kollegen nicht gleich belehren wolle, ist doch auch einsichtig.
    Das finde ich ein geschicktes Vorgehen. Die einzige Gefahr könnte sein, dass der Chef das als „Petzen“ bewertet.
  • In der zweiten Variante notiert sie sich den Kollegen und merkt ihn sich vor. Wenn er mal bei der Administration vorbei schauen muss (und der Tag kommt schneller als er denkt), dann macht sie ihn mal ein wenig rund. Ganz freundlich natürlich. Aber auch ein Neuer darf sich hier keine Extrawurst raus nehmen. Wo kämen wir denn da hin?
    Dass ich von diesem Vorgehen nicht so ganz begeistert bin, kann man sich denken. Das war allerdings die erlebte Variante.
    Aber es gäbe ja auch noch eine andere Möglichkeit.
  • Sie gibt dem Kollegen beim nächsten Treffen unter vier Augen den kollegialen Hinweis auf die im Haus gültige Regel, dass die Kundenparkplätze für die Kunden da sind und er sich doch bitte auch daran halten solle.
    Das hätte ich noch am Besten gefunden. Besonders wenn sie dann in diesem Gespräch den richtigen Tonfall finden – denn der Ton macht immer die Musik.

In jedem Fall ist es aber am besten, wenn wir als Vorbild fungieren – ganz gleich ob als Unternehmenschef oder als Chef der Administration. Gerade bei solchen Kleinigkeiten. Dann funktioniert das meist ganz von selbst. Weil auch der „Neue“ dies mitbekommen und sich daran halten wird.

Vorbild heißt ganz einfach, nicht selber gelegentlich den so gut gelegenen Kundenparkplatz nutzen. Denn was für alle gilt, gilt auch für den Chef und die Chefin der Administration. Und deren Freunde, Bekannten und Lieblingsmitarbeiter.

Nur so behalten wir Glaubwürdigkeit. Und mit Glaubwürdigkeit wird Vertrauen aufgebaut. Und erst Vertrauen ermöglicht das gemeinsame Arbeiten in einer Umgebung von Mut und Freude.

RMD

P.S.
Ich veröffentliche die Geschichte erst jetzt. Gestern habe ich erlebt, dass ein nicht unbekannter Konzern mit dem Umzug seiner Zentrale auch gleich die Kundenparkplätze abgeschafft hat. Neben seiner neuen und sehr modernen Zentrale steht ein schickes und für die Nutzer entsprechend teures Parkhaus. Sollen doch die Besucher (und auch die Kunden) dort parken. Es scheint als ob der Konzern sagen will: Liebe Kunden, Ihr sollt zwar unsere Produkte kaufen, aber ansonsten bleiben wo Ihr seid. Und wenn Ihr schon unbedingt kommen müsst, dann zahlt doch Eure Parkplatzgebühren selber.

P.S.1
Alle Artikel meines Unternehmertagebuchs findet man in der Drehscheibe!

5 Antworten

  1. Nicht nur Kunden benutzen Kundenparkplätze, die auch Besucherparkplätze heißen, sondern ebenfalls Lieferanten. Wenn diese Plätze vollgestellt sind, bleiben nur noch die Behindertenparkplätze, von denen es zu viele gibt.

  2. Hi Chris, das hatten wir schon mal. Deutsche Manager bezeichnen gerne ein Fallbeispiel als „Use case“. So wie sie einen Geschäftsfall als „User story“ bezeichnen. Die „User story“ dabei als Obermenge von zusammengehörenden „Use case“. Oder andersherum … 🙂

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