Unternehmertagebuch #77 – Eine eigene unvernünftige Entscheidung …

Zurück zu den „unvernünftigen Entscheidungen“!
Fortsetzung von Unternehmertagebuch #71:
Notwendigkeit von unvernünftigen Entscheidungen„.

Auch die InterFace hat ihren Anfangserfolg einer höchst unvernünftigen Entscheidung zu verdanken. Wehe, wenn wir damals  einen seriösen Aufpasser gehabt hätten. Der hätte uns für „wahnsinnig“ gehalten. Wie man nur einer solchen Utopie nachjagen könne! Mit NULL Erfolgsaussichten.

Im Nachhinein wundere ich mich selbst, dass so etwas Verrücktes funktioniert hat. Sicher waren alle vernünftigen und rationalen Argumente gegen das, was wir vor hatten. Wahrscheinlich würde auch ich heute von dem abraten, was wir damals gemacht haben.

Unsere größte unvernünftige Entscheidung war, als „Newcomer“ und „Nobody“ ein Textsystem für UNIX entwickeln zu wollen. Zu zweit, mit ein paar Studenten. Und nebenher noch zu versuchen, genug Kohle zu verdienen, dass wir und die Studenten ganz gut davon leben konnten. So dass aus dem vorherigen Satz das „zu zweit“ eigentlich gestrichen werden muss und nur die Studenten bleiben.

Daraus wurde dann die Erfolgsstory HIT/CLOU. Und es gab ein paar Jahre später einen Zeitraum von 10 Jahren, in dem die Siemens AG mehr Umsatz mit HIT/CLOU machte als mit ihrem zweiten (auch in Lizenz genommenen) Produkt auf SINIX, der Datenbank Informix von RDS (so hieß die Firma Informix am Anfang noch eine Zeit lang).

Damals haben wir angefangen mit einem bunten Haufen junger Menschen HIT und CLOU zu entwickeln. Dies gegen jeden kaufmännischen Sachverstand, einfach dem Wunsch folgend, ein eigenes Software-Produkt zu besitzen.

Da Datenbanken zu komplex und die Kommunikationstechnologie gerade total im Umbruch war, haben wir uns entschieden, eine „elektronische Schreibmaschine“ zu entwickeln … Das schien uns einfacher. Und haben uns unsere alte „Brother“ und Textautomaten wie die von Triumph-Adler angeschaut und das ganze halt einfach ein wenig besser auf Unix neu implementiert. So einfach kann die Welt sein.

Und wir wurden wenige Jahre später zum Marktführer in Europa – nicht nur auf SINIX sondern auf ganz vielen Unix-Systemen vieler Hersteller!

Zeitgleich hat die Siemens AG eine ganze Reihe von Editoren zu entwickeln versucht. Dort war schon das Produktplanungsteam größer als bei uns die gesamte Entwicklungs-, Projekt- und Vertriebsmannschaft. Alles „vernünftig“ geplant, klassisch entwickelt und mit größten Budgets ausgestattet. Mit teuren Entwicklern und Spitzenconsultants.

Und trotzdem sind sie immer wieder gescheitert!

Mit HIT/CLOU hat die Siemens AG in den erwähnten 10 Jahren übrigens 500 Millionen DM Umsatz gemacht. Kann gut sein, dass sie im gleichen Zeitraum für ihre technisch oder am Markt gescheiterten Neuentwicklungen mehr Geld ausgegeben haben.

Gescheitert sind diese Produkte aufgrund von mangelnden Sachkenntnissen wie zum Beispiel der Forderung nach einer gemeinsamen (!) Oberfläche für BS2000, UNIX und DOS. Kann mich da gut an Diskussionen über die Unsinnigkeit eines solchen Vorhabens erinneren, an denen ich beteiligt war.

Und wenn es mal technisch geklappt hat, sind sie im Markt gescheitert, wie mit ComfoText gegen Microsoft.

Und alle haben sich gefragt, wie es möglich sei, dass die kleine InterFace Connection GmbH mit einem überschaubaren Budget Dinge schafft, die von der großen Siemens AG mit ihren Investitions-Millionen und so vielen Planern, Ingenieuren, Entwicklern, Testern nicht erreicht werden konnten.

Die Gründe waren ganz einfach. Eine unvernünftige Entscheidung, die Begeisterung von tollen Menschen in einem Super-Team, ein agiles Vorgehen, viele Partner und natürlich ein wenig Glück – und schon funktionierts.

Deshalb hier der zweite Teil meines Appells für „unvernünftige Entscheidungen“. Auch wenn diese Geld kosten und Ergebnisse verschlechtern. Wir brauchen sie aber, um wirklich Großes zu vollbringen. Und ein Unternehmen ist eigentlich immer etwas Großes.

RMD

P.S.
Alle Artikel meines Unternehmertagebuchs findet man in der Drehscheibe!

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