Vorträge ohne Folien (rmd)

Wie dem verehrten Blog-Leser wohl bekannt, halte ich gerne Vorträge. Ich mache das, weil ich glaube, dass ich in meinem Leben einiges gelernt habe und davon etwas weitergeben möchte. Bei meinen Vorträgen habe ich verschiedene Ziele: Mal gebe ich den Warner, andere Male den Mutmacher. Ich versuche immer, mein Auditiorium zum Nachdenken und kritischem Hinterfragen vermeintlicher Wahrheiten zu bringen.

Gerne spreche ich zu jungen Menschen. Ich glaube, dass Bildung und Lernen von zentraler Bedeutung sind und möchte da mein Scherflein beitragen. Deshalb halte ich meine Vorträge für Hochschulen und Non-profit-Organisationen honorarfrei. Vor dem Vortrag werde ich regelmäßig gefragt, welche technischen Hilfsmittel ich außer einem Beamer brauchen. Dann sage ich meistens: „Keinen Beamer, wenn möglich eine Tafel oder ein Flipchart“ und ernte Staunen. Tafel oder Flipchart brauche ich immer nur für den Fall, dass es mir gelingt, mich mit Worten nicht verständlich zu machen.

In der Tat habe auch ich viele Jahre gedacht „Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte“ und alle meine Präsentationen und Vorträge fleißig mit Folien vorbereitet. Bei der Gründung der InterFace Connection GmbH 1984 wurden auch gleich 2 Overhead-Projektoren beschafft, ein mobiler im Koffer mit Ersatzbirne und ein großer stationärer für den Konferenzraum (hatten wir vom ersten Tag an). Und mit dem ersten Windows-System mit Powerpoint kam dann ein ganz großer Beamer.

Und da man ja als Geschäftsführer und Vertriebsmensch immer präsentieren und reden muss, bin ich viele Jahre vor Powerpoint-Bildern aufgetreten und habe mit mechanischen und Laser-Pointern auf die Sätze und Graphiken gezeigt, mit denen ich überzeugen wollte. Tausende von Folien haben sich angesammelt, die von einem auf den anderen Laptop mit umgezogen sind.

Aber ich war im Irrtum. Es ist viel besser, wenn man seine Vorträge frei hält. Ich erstelle jetzt für jeden Vortrag zumindest ein Roh-Manuscript, dass die Zuhörer im Internet (oder auch in IF-Blog) nachgelesen können. Viel Zeit erspare ich mir mit dem Layout, es gibt kein endloses Herumfummeln an den Folien mehr. Die inhaltliche Vorbereitung freilich ist intensiver geworden und frisst die Ersparnis beim Layout mehr als auf. Im Vortrag fehlt die Führung durch die Folien. Konnte ich mich früher auch noch nach einer durchzechten Nacht an die Folien klammern, so gehe ich jetzt am Vorabend des Vortrages rechtzeitig schlafen.

Ohne Folien bleibt man viel besser mit den Zuhörern im Kontakt. Bei Präsentations-Trainings habe ich gelernt, dass man sich nicht hinter dem Rednerpult verstecken soll, weil es eine Barriere zwischen Referent und Publikum darstellen würde. Und in der Tat, die bunten Bilder hinter dem Redner haben eine ähnliche Folge. Der Redner gibt einen Teil der Aufmerksamkeit ab. Die Zuhörer sind ohne Folien merklich näher an am Redner dran. Ein kolossaler Wettbewerbs-Vorteil. Mittlerweile wundere ich mich, das immer noch so viele Vorträge mit Folien gehalten werden. Sind die Vortragenden zu bequem oder glauben Sie, dass die Zuhörer die Folien zum Verständnis brauchen?

RMD

P.S.

Bei meinem ersten Vortrag in einem Saal mit aktivem WLAN hatte ich ein neues Erlebnis. Geschätzt jeder dritte Zuhörer hatte einen aufgeklappten Laptop vor sich auf dem Schreibtisch. Da leuchteten auch viele Äpfel (ich hatte damals schon ganz vergessen, dass es Apple noch gibt – heute habe ich selber einen). Da ich keine Folien hatte, konnte der Raum heller geschaltet werden und ich sah die Gesichter der Menschen wieder. Die Laptops haben mich zuerst irritiert, da ich sie als Desinteresse an meinem Vortrag gewertet haben. Jetzt weiß ich, dass das ganz normal ist. Die Zuhörer machen auf ihren Laptops Notizen zum Vortrag, „googlen“ ein wenig, um zum Beispiel heraus zu kriegen, wer denn das für einer ist, der da redet. Und natürlich haben sie ein wenig geschwätzt – pardon „gechatet“ (Geschwätzt haben wir früher in den Vorlesungen) – sie mussten ihren Freunden ja mitteilen, dass sie bei mir im Vortrag sind. Der Vortrag hat dann noch so richtig Spaß gemacht.

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Eine Antwort

  1. Hallo Roland,
    danke für den gelungenen Blog. Ich nutze bei meinen Vorträgen ua. als BR-Vorsitzender schon seit Jahren keinen Beamer auch aus den genannten Gründen. Va. hatte ich mal einen Artikel darüber gelesen, dass der Nutzen von Powerpoint den Redner in ein Korsett zwängt, daß ich nicht bereit war mitzutragen. Ich hatte meine erste Betriebsversammlung mit Powerpoint gehalten und dann beschlossen, dies sein zu lassen, damit ich besser mit meinen Zuhörern in Kontakt komme, aber auch um hier flexibel agieren zu können.

    Des weiteren halte ich auch keine Reden mahr ohne Inhalt. Ich hatte einmal eine Betriebsversammlung ohne Inhalt gehalten. Das hat immerhin 20 Minuten gedauert 🙂 (!!!). Seitdem mache ich das lieber nur bei Bedarf und auch nur so lange wie nötig. Denke ich bin auch schon fast „berühmt“ für die kurzen Betriebsversammlungen.

    Ich denke immer, man muss von seinem Publikum auch verlangen können, dass es nicht nur konsumiert, sondern auch Dinge einfordert. Dies geschieht mir zum Gösstenteil zu wenig.

    Viele Grüße

    Jürgen

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