Warum denn schon wieder Kunst ?

Carl & Gerlinde‘ Revival: Bevor Covid 19 die erfolgreiche Serie ‚ Carl & Gerlinde‘ nach mehr als 10 Jahren und aktuell 69 Folgen auch mundtot macht, drängen Carl und Gerlinde samt ihrer metaphorischen Hühnerschar nun doch auf ein Revival: d.h. ab sofort startet mit Folge 1 aus dem Jahr 2011 eine wöchentliche Neuauflage! Und dazwischen gibt es natürlich immer wieder auch weitere Folgen, die sich mit dem aktuellen Geschehen befassen. Viel Spaß dabei!

Carl und Gerlinde (Folge 1)

Ehe Carl noch satt war, war er schon angefressen!

Dabei war das Beuscherl im „Stopfer“ am Rudolfplatz wirklich ausgezeichnet! Besser ging’s nicht! Und das Bierchen dazu – ein Gedicht!
Warum musste nur Gerlinde schon wieder mit der komischen Gemäldeausstellung in der „Albertina“ anfangen?

Der Tag hätte so schön werden können! Trotz der Hitze!

Aber Carl wusste genau, wenn Gerlinde dieses Zittern in der Stimme hatte, ihr Nasenrücken schmal wurde und sich weiß einfärbte, dann zerplatzte jeder Widerstand wie eine Seifenblase an dieser Barriere…

Drum sagte er, „Okay Gerlinde, wenn du meinst“ und bestellte lieber noch ein zweites Bier …
„Aber den Espresso trinken wir später“, sagte Gerlinde plötzlich und drängte zum Aufbruch. Und das trotz der gnadenlosen Hitze, die allmählich auch ins Lokal gekrochen kam.
Vom Judenplatz, mit dem quaderförmigen Holocaustmahnmal, wo sie neulich in dem Beisel daneben so wunderbare Marillenknödel gegessen hatten, schleppte sich Carl, sichtlich leidend, neben der munter ausschreitenden Gerlinde über den Hohen Markt und Kohlmarkt bis zur „Albertina“, in der nach Millionen schweren Restaurierungsarbeiten, die alten Meister neuerdings bei jedem Wolkenbruch feuchte Füße bekamen.
Der Rucksack in der Garderobe kostete 50 Cent, das ging ja!
Die Eintrittskarte für 12.- € pro Person war schon nicht mehr so günstig. Na ja, Kunst, wenn sie denn schon sein musste, gab es halt nicht zum Nulltarif! War ja auch gut so, schließlich wollte man unter seines Gleichen sein.
Rasch noch auf die Toilette, die zwei kleinen Bierchen sollten keine Chance kriegen Ärger zu machen; oder waren’s drei große gewesen?
Prächtig, der festliche Aufgang zu den einzelnen Schauräumen, in denen die „Meisterwerke der Moderne“ präsentiert wurden. Auf der breiten Treppe, gesäumt von Marmorpfeilern und Spiegeln, schwebte selbst Carls geballte Lustlosigkeit wie von selbst nach oben….
Im ersten Raum sprang ihn gleich eines dieser schon ganz eindrucksvollen Seerosenbilder von Monet an! Noch schöner war allerdings die erfrischende Kühle! Carl wünschte sich, nie mehr in die Hitze hinaus zu müssen, ja er wäre sogar bereit gewesen sofort mit Gerlinde zwischen den Bildern zu übernachte. Vielleicht sollte er ihr das sagen? Ihr zeigen dass er gerne hier war…
Die stramme blau uniformierte Aufsicht wirkte eher verwelkt! Erstaunlich aber, mit welcher Geschäftigkeit die durch die Räume hetzten, als liefen sie um ihr Leben, obwohl ihnen das bestimmt niemand nehmen wollte, ihren Job sicher auch nicht. War ja schrecklich genug!
Die Landschaften von Sisley und Signac kamen bei den herrlich tiefen Raumtemperaturen prächtig zur Geltung, das musste Carl sich eingestehen. Gut auch, dass die Bilder so eng beisammen hingen. Nach weniger als drei Sekunden hatte er schon das nächste im Blick. Er wusste auch sofort immer, wer es gemalt hatte. Das hatte er vor einiger Zeit trainiert, als er noch davon träumte, bei „Wetten dass“ auftreten zu können…
Dieses junge Paar vor ihm war unangenehm! Die bewegten sich exakt im gleichen Takt wie er und vermasselten ihm immer wieder die Sicht.
Und wie die ausschauten, er wie ein ausgebuddelter Neandertaler und sie die leibhaftige Schrumpfmadonna! Die hätten sich lieber verstecken sollen und nicht anderen die Sicht nehmen. Schlimm, was so herumrannte!
Und Gerlinde, wo war die? Schon weiter vorne?
Nein, die saß dort auf einer Lederbank und ließ eine ganze Breitseite von bestimmt zwanzig Bildern auf sich wirken…
Mit geschlossenen Augen! Besser wenn er sie jetzt nicht ansprach, wegen der Übernachterei…
Da lag ein nackter Knabe!
Von Gauguin angeblich! Ungewöhnlich, so einen Gauguin hatte Carl noch nie gesehen, war der schwul gewesen der Gaugin? Sah fast so aus!
Na ja, diese Pirouetten drehenden Tänzerinnen von Degas kannte er, das war nichts Neues, auch dieses abstrakte „Indianergesicht“, wie er immer sagte, von Jawlensky, war ihm bekannt: es war in dem Kalender gewesen, den ihm Gerlinde vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte; wenngleich er sich das Original größer vorgestellt hatte. Sogar viel größer! .
Komisch dieses indische Paar mit der Tochter in den goldenen Pumps!
Ob die mit den „modernen Meistern und ihren Werken“ überhaupt etwas anfangen konnten? Eher nicht, oder?
Die Frau Inderin hatte eh schon Probleme, wie es schien! Ununterbrochen massierte sie sich die Oberschenkel … Carl hätte ihr wirklich gerne geholfen…
Plötzlich ein ohrenbetäubendes Geheul!
Carl fühlte sich ertappt!
Erschrocken starrten alle an ihm vorbei zur dahinrasenden Aufsicht – die lächelte verlegen und stellte hastig den Signalton an ihrem Funksprechgerät ab. Ein Versehen! Noch ein Lächeln und weg war sie.
Carls Herzklopfen waren ihr egal!
Dieses Pst! – Pst! nervte! Und wie! Eine Gruppe Jugendlicher musste sich wohl auch die „Werke der Moderne“ antun, bestimmt noch keine Vierzehn!
Die kicherten, quatschten und starrten apathisch zwischen dem „Pst“ ihrer Kunstlehrerin auf einen Picasso; der sogar gar nicht schlecht war; aber nicht für die Grünschnäbel! Kein Wunder!
Vier Mädchen stürzten sich lachend auf die leere Bank in der Mitte und streckten stöhnend ihre nackten Beine aus; die hätte man malen sollen!
Aber wer? Vielleicht der Chagall? Statt dieser „Träumenden unterm Apfelbaum“! Unter dem windschiefen Apfelbaum hätte Carl nicht für viel Geld träumen mögen, war ja nicht lebensmüde…
Wenn schon träumen, dann lieber mit der blauen, stillenden Mutter, gleich daneben; die war vielleicht obszön! So ein aufreizendes Hinterteil, und die Brust erst, mit dem kleinen saugenden Babymann! Und wie der saugte! Wollte gar nicht aufhören, dieses Ferkelchen… Verständlich !
Also – die Ludwig Kirchner Gemälde waren nichts Besonderes! Aber der komische südländische Typ mit Hut fotografierte sie alle ab; eines nach dem andern…Wo war die rasende Aufsicht? Bestimmt suchte der Typ für eine osteuropäische Bande Bilder aus, die später geklaut wurden; wär’ ja nicht das erste Mal; hatte man alles schon gehabt…

Oh Schreck, das Beuschel! Er hatte es ja geahnt!
Warum hatte er es nur wieder bestellt, obwohl Gerlinde, schon Böses ahnend, mit dem Kopf gewackelt hatte, als sie die vielen Zwiebel im Beuschel sah!
Aber nein, er musste ja die ganze Portion in sich hineinschaufeln.
Mensch – Gerlinde durfte das gar nicht wissen, wie mies es ihm ging, das wär jetzt nicht gut gewesen…
Diese verdammte Ausstellung nahm aber auch kein Ende. Wirklich!
Kaum hatte man einen Saal durch, kam wieder einer, mit noch mehr Gemälden. Und noch einer und noch einer. Und den Kokoschka hatte Carl noch nie gemocht. Gerlinde auch nicht. Wo war sie denn?
Der Mädchenkopf von Renoir – ja – der gefiel ihm schon eher! Auch die dick eingerandeten Figuren von Rouault. Wie der wohl diese wandelnde Wampe da vorne gemalt hätte. Das war vielleicht eine Tonne! Unfassbar!
Was sich die Menschen so antaten! Aber die Probleme die Carl hatte, hatte dieser Riesenbauch offensichtlich nicht! Schade, eigentlich ungerecht…
Lange hielt er die Krämpfe nicht mehr aus! Er musste schneller machen.
Warum stand ihm dieser Trampel da schon wieder im Weg?
Bei jedem Bild kritzelte die etwas in ihr Notizbuch! Oder zeichnete die die Bilder ab? Für die Chinesen vielleicht? Wie die aussah, war ihr das zuzutrauen…
Carl blieb keine Zeit mehr! Er raste hinter der Aufsicht an Arnulf Rainer vorbei, der wieder ununterbrochen sein Gesicht zugemalt hatte, was bei dem Gesicht nur von Vorteil war, nahm Gerhard Richter und Amseln Kiefer gar nicht mehr wahr, sondern blieb instinktiv nur noch an Baselitz hängen, dessen Figuren wie üblich auf dem Kopf standen, was die Lösung seines Problems gewesen wäre, dachte er im vorbeirennen; mit seinem Blähbauch wär er bestimmt sofort leibhaftig in den Himmel aufgefahren…Aber seine Gerlinde hätte ihn vermutlich trotzdem nicht angebetet… Wo war sie denn?
Carl deutete ihr und schwebte hinaus – der Erlösung entgegen!

Danach gab’s im nahen Cafe „Central“ endlich den von Gerlinde lange ersehnten Kaffee. Ein Stück Apfelstrudel mit Vanillesoße musste auch sein.
Carl trank lieber schon wieder ein Bierchen!
Plötzlich sein Handy! Der Kurt aus Wiesbaden, er wollte wissen, wie es ihnen ginge: „Wunderbar geht es uns Kurt, wir haben eine irrsinnig interessante Gemäldeausstellung gesehen und sind gerade dabei unsere Köpfe zu sortieren!“
„Wo wir sortieren, na im Cafe Central“
„Ja, in Wien! Der Trotzki war da auch schon, im Central! “
„Und der Peter Altenberg sitzt direkt vor uns, nein nicht wirklich, der ist ja schon tot, aber als Puppe – lebensgroß!
„Wie sie hieß, die Ausstellung?“
„Gerlinde, wie hieß sie gleich –richtig ´Meisterwerke der Moderne´“
„Wirklich fantastisch, Kurt, die hätte deiner Hannelore auch gefallen!
Echt! Gerlinde brachte mich gar nicht raus aus der Ausstellung, so angetan war ich. Alle bekannten Namen waren da, von Gaugin, Kokoschka, Picasso, Renoir, Klee, Katz bis Bacon.“
„Nein, ich beiß in keinen Bacon, ich ess’ gar nichts, aber die Gerlinde hat sich einen Apfelstrudel genehmigt und ich mittags ein wunderbares Beuschel“
„Nein kein Beuys; ein Beuschel beim „Stopfer“ !
„Kurt, der „Stopfer“ ist ein Lokal, kein Beuys!“
„Nein ich stopf mich nicht mit Beuys voll!“
„Ich bin auch nicht voll, was denkst du denn Kurt, du bist mir einer, nichts für ungut. Grüß mir die Hannelore!“

„Der Kurt ist auch alt geworden! Schlimm! Hoffentlich geht das mit uns nicht auch so rasant, Gerlinde!“
„Herr Ober – könnte ich vielleicht aus der Mittagskarte doch noch schnell eine Portion von dem Beuscherl kriegen?“

KH

 

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