Bild in Schwarz

Von mb
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Es ist der 28. März 2011, ein Tag nach den großen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Zum ersten Mal wird es einen grünen Ministerpräsidenten geben und das nach 58 Jahren ungebrochener Dauerregierung der CDU. Winfried Kretschmann hat dem Erfolg ein Gesicht gegeben. Klar, dass dies im „Volksblatt“ mit vier Buchstaben für Unmut sorgt – sogar für Trauer. Als ich heute deren Internetpräsenz angeklickt hatte, erschlug mich der zunächst fröhlich klingende Titel „Grüne strahlen!“

Wunderbar! Könnte man denken, denn auch die Bildzeitung müsste anerkennen, dass es im Südwesten zu einem politischen Dammbruch gekommen war. Nicht liess sich der Sachverhalt eventuell noch weg reden, wie es in der causa zu Guttenberg versucht wurde, denn dieses Mal hatte das Volk entschieden und gewählt. Das muss die selbsternannten Vertreter von „Volkes Stimme“ ins Mark und Bein treffen, denn das Volk hatte nicht so entschieden, wie es die Bild-Zeitung erwartet hatte. Ich möchte daher die Darstellung der Internetpräsenz von Bild.de als eine Art Kunstwerk sehen und eine Bildinterpretation wagen.

Grüne HoffnungWas wir dort heute sehen ist vor schwarzem Hintergrund eine Dreiteilung von Überschrift in einem oberen Kasten, in einem größeren Kasten links Baden-Württemberg und rechts in einem kleineren Rheinland-Pfalz. In den jeweiligen Bereichen in Grün verschiedene Schriftzüge. Oben mit einer strahlenden Aura ist „Grüne strahlen!“ umrandet.

Im unteren linken Kasten der potentielle Wahlgewinner der Grünen Winfried Kretschmann mit derselben Korona und sein Foto außerdem noch so bearbeitet, dass er selbst strahlende Erhellungen trägt. Links leicht über Kretschmann und auf ihn herab blickenden und in einem eigenen weiß-umrandeten Kasten der aktuellen und wohl bald fallende Ministerpräsident Jürgen Mappus mit geschlossenen Augen. In seinem Kasten in weiß die Inschrift „CDU-Mappus abgeschaltete“.

Im rechten Kasten Herr Beck nach unten blickend und rechts oben Reiner Brüderle und der Spitzenkanditat der FDP Herbert Mertin. Darunter im großen Kasten „SPD Beck heruntergefahren“ und im FDP Kasten der Rheinland-Pfalz „FDP vom Netz“.

Die Stimmung des Bildes zunächst irgendwie düster, durch den schwarzen Hintergrund. Es herrscht eine Stimmung von Trauer. Auf den Bildern lacht nur eine Person und das ist Winfried Kretschmann. Er wird damit zum Meister über die Düsternis und damit auch zu deren Verursacher. Mappus und Brüderle blicken von links und rechts auf Kretschmann bzw. Beck herab. Sie sind kleiner dargestellt. Verlust, aber dennoch eigentlich erhoben über die Kandidaten von Grün und Rot.

Die Überschriften der unteren Kästen „Baden-Württemberg“ und „Rheinland-Pfalz“ sind in verwischendem Weiß unterlegt. Strahlensymbolik. Auch Winfried Kretschmann ist von dieser Aura umgeben, ebenso wie der Titel „Grüne strahlen!“. Es ist auch die Zeit des großen Reaktorunglücks in Japans Fukushima. Die Worte des Bild.de Titels verweisen damit bereits unmittelbar auf den Super-GAU und übertragen ihn ins Politische. Direkt wird man mit dem kleinen Schriftzug in weiß und noch über der grünen Überschrift darauf gestoßen: „Die Atom-Wahlen“. Fukushima ist politisch geworden. Nicht nur machen die konservativen und liberalen Parteien den GAU in Japan verantwortlich für deren politisches Desaster, sondern es ist auch zum GAU in den Wünschen und Hoffnungen der Bild Vertreter gekommen.

Die Freude der Grünen wird euphemistisch, sie wirkt fast diabolisch, denn nur sie kontrollieren den Schrecken. Sie ist die einzige Partei, die lachen kann. Winfried Kretschmann wird zu dem gemacht, was seine Partei versucht abzuschaffen: radioaktiv strahlende Verseuchungen. Bei der größten Tageszeitung Deutschlands ist es zum GAU gekommen, denn kurze Zeit nachdem Herr zu Guttemberg stürzte lösen sich nun auch die Hoffnungen und Wünsche für Baden-Württemberg in Wohlgefallen auf. Schlimmer noch, sie werden für Bild zur Verseuchung der kommenden Jahre.

Kein Wunder daher, dass der Tonus schwarz ist und erst ein Mal Trauer angesagt ist. Das Anheften der schlimmsten Umwelt-Katastrophe der Gegenwart an den grünen Ministerpräsidenten in spe ist der verzweifelte Versuch den Schrecken an das, was nicht gewollt ist, zu heften und dieses damit zu denunzieren. Eine Katastrophe aber, die viele Menschenleben gekostet hat und kosten wird, die die Umwelt über Jahre hinaus beschädigt und verseucht, mit dem Gewinn eines Kandidaten zu vergleichen, der nicht dem Bild der Bild entspricht, drückt einfach nur verstärkt das aus, was jeden Tag durch jene Zeitung in Deutschland immer wieder neu und in doch erstaunlicher Brillanz hervorgerufen wird: der geschmackliche Super-GAU.

mb

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Der Artikel bezieht sich auf Bild.de vom 28.03.2011 abgerufen um 8:30 Uhr
Der bild.de-Screenshot im oberen Teil des Artikels wurde bei diesem Abruf gemacht.

4 Antworten

  1. Roland, what are you trying to say? I guess that few of your blog readers like Bild. But why object to „Grüne strahlen!“, when it is clear that events in Japan increased the Green vote? Various candidates were connected with different aspects of the disaster. At least the word „strahlen“ (radiate) has also positive connotations.
    I was surprised that the election swings were not greater. One sees that Germans do not tend to panic. It is uncomfortable for us with socialist tendencies that Baden-Wurttemberg (like Bavaria) after decades of conservative government is much more prosperous than the German average. Maybe even some Bild opinions are right! But of course here cause may be confused with effect.

  2. Thanks, I will upload a screenshot of the picture later. Saw that they already replaced it with another one.

  3. @Chris: Bin ja fast beleidigt, dass Du meinen Stil nicht erkennst. Marc hat doch eine ganz andere Art zu schreiben als ich …

    Zu Bild äußere ich mich nicht. Das habe ich mein Urteil früh gefällt, und hatte die letzten 45 Jahre keine Gelegenheit, es zu revidieren …

  4. Roland, please don’t be miffed. Of course Bild is terrible, but are its jokes bad enough to complain about? In fact „Bild dir eine Meinung“ annoys me too.

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