Arbeiter und Angestellte – heute und morgen.

1950 Im Herbst mit meinem Vater.

In meiner Kindheit gab es Arbeiter und Angestellte.

Und Beamte. Ich war ein Beamtensohn. Mein Vater war bei der Eisenbahn, in der Direktion Augsburg der Deutschen Bundesbahn.

Mir schien er eine gute Arbeit zu haben. So habe ich ihn gerne im Büro besucht, bin hoch in sein Büro mit dem Paternoster gefahren und habe in seinem Zimmer die Rohrpost bewundert. Er hatte feste Arbeitszeiten, eine verantwortungsvolle Aufgabe, die ihm Freude machte (Erstellung der Fahrpläne), nette Kollegen und wie ich meinte ein gutes Gehalt. Und das „Bundesbahn Sozialwerk“ machte viele schöne Veranstaltungen nicht nur für die Eisenbahner-Kinder.

So ging es uns immer gut.

Ein paar Mal im Jahr war mein Vater auf Fahrplankonferenzen, die immer eine Woche lang gingen. Da war ich mit meiner Mutter alleine zu Haus, und er war in fernen Städten in  Westdeutschland, ein paar mal auch in Österreich und der Schweiz. Und immer brachte er mir von den Dienstreisen etwas Schönes mit. Darauf habe ich mich dann zum Wochenende, wenn er wieder heimkam, schon sehr gefreut.

Wir wohnten in einem Eisenbahner-Block in der Rosenaustr. 18 in Augsburg. Die Rosenaustraße war zumindest im oberen Bereich eine Eisenbahner-Straße, denn hinter dem großen Hauptbahnhof gehörte der Grund mit allen Gebäuden der Deutschen Bundesbahn. Das Haus, in dem wir wohnten, hatte 12 Wohnungen auf drei Ebenen. Die Bewohner waren alle Beamte. In den Nachbar-Gebäuden lebten Arbeiter. Da hatten wir nicht so viel Kontakt.

Wie ich in die Schule kam, lernte ich dass die Eltern der Mitschüler zum Teil Arbeiter und zum Teil Angestellte waren. Ich habe das damals so wahrgenommen, dass die Arbeiter richtig arbeiten mussten. Arbeiter machten sich schmutzig. Die Menschen mit den weißen Kragen, die nicht körperlich arbeiteten, waren die Angestellten. Den Angestellten ging es „besser“.

Sie hatten es zwar nicht so gut wie die rundum versorgten Beamten, aber deutlich besser als die Arbeiter.

Die mussten immer ran, wenn es nach Schmutz und Schweiß roch – also körperlich schwere Arbeit in unangenehmer Umgebung (Stahlkochen, Schweißen …) anstand oder wenn es gefährlich wurde (Rangieren, ausgesetzte Arbeit auf Gerüsten …).

Das war mein Weltbild.

Kein Wunder, dass ich Ingenieur werden wollte. Wie ich dann älter wurde und 1960 ins Gymnasium kam, änderte sich die Welt. Die Arbeiter verschwanden und wurden Angestellte. Auch mein Berufswunsch änderte sich – mit dem Ingenieur wurde ich unsicher, vielleicht sollte ich doch besser Direktor werden?

Die Welt änderte sich weiter. Ende der 60iger hatte ich an etwas Gefallen, für das es noch keinen Namen gab. So begann ich 1969 an der TUM mein Studium der Mathematik und Informatik.

Das war eine kluge Entscheidung, denn so langsam kam die Digitalisierung auch in das Land der Techniker und Ingenieure. Zwar ein wenig zögerlich und mit manchen Rückschritten.

Heute haben wir Corona – und es scheint zu sein, dass ironischer Weise das Virus der Digitalisierung in unserem Land zum Durchbruch verhilft.

So bin ich sicher, dass nach dem Zusammenbruch des EUROs, der ja wahrscheinlicher wird (Corona könnte ihn endgültig zum Platzen bringen), wir auch bei uns eine rein digitale Währung einführen werden. Keine Angst, es wird kein Krypto-Quatsch werden. Eher auf Basis einer soliden Blockchain-Technik wie C-Chain implementiert. Unser zukünftiger Bruderstaat China wird uns sicher dabei unbürokratisch helfen.

Die Digitalisierung eröffnet eine neue ZWEI-Klassen-Gesellschaft.

Das zeigt uns auch die Corona-Krise. Ich könnte mir vorstellen, dass man den „Arbeiter“ zukünftig als einen Menschen bezeichnen wird, der seine Arbeit VORORT erbringen muss. Der Angestellte dagegen kann seine Leistung von ÜBERALL erbringen.

Man erkennt auf Anhieb die Vorteile der ANGESTELLTEN-Klasse. Sie können aufwändige Fahrtwege vermeiden, sich ihre Zeit und Wege frei einteilen, auch mal in der Freizeit oder im Urlaub wichtige Sachen erledigen, einfach ihr Leben deutlich mehr selbst steuern und verantworten. Der ARBEITERKLASSE dagegen wird weiter fremdbestimmt auferlegt werden, WO und WANN sie zu arbeiten hat.

Ein Problem dürften aber beide Klassen haben. Man kann sie leicht weg rationalisieren. Das betrifft die Kassierin im Supermarkt (ARBEITERIN – wird durch eine Spezial-Hardware ersetzt) genauso wie den Sachbearbeiter (ANGESTELLTER – wird durch ein Stück Software ersetzt).

Vielleicht wird die Definition sich ändern in:

ARBEITER sind die, die durch Roboter ersetzt werden können.
ANGESTELLTE sind die, die durch Bots ersetzt werden können.

Ich persönlich habe den Glauben, dass die Selbstständigkeit das Beste ist. So heißt mein neues altes Credo:

Ach wie gut, dass ich mein eigener Herr sein kann.

RMD

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3 Antworten

  1. Ein Angestellter
    – hat besondere Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen,
    – eine besondere Treuepflicht,
    – leistet erforderlichenfalls freiwillig unbezahlte Überstunden
    – übernimmt Verantwortung
    – hat eine Vorbildfunktion und muß sich entsprechend benehmen
    – wird nach Ergebnis bezahlt und nicht nach Stunden

    Ein Arbeiter
    – wird nach Stunden bezahlt und nicht nach Ergebnis

    Schade, daß der Begriff des Angestellten mittlerweile derart abgewertet wurde. Die Zweiklassengesellschaft war gut: Beispielsweise bei der Wohnungsvergabe mußte man früher ankreuzen: Arbeiter, Angestellt oder Selbständig. So konnte man sich gleich ein Bild über den Mieter machen – das nenne ich Transparenz. Mein Vater regte sich seinerzeit fürchterlich (und zu Recht) darüber auf, daß wir in der Schule tatsächlich jedes Jahr ein solches Formblatt ausfüllen mußten. Ich schrieb dann immer, „Beruf des Vaters: Zuhälter“ und „Geburtsort: Honolulu“, was immer mächtig Ärger gab.

    Eine Gesellschaft, die ihren Bodensatz schön unten liegenläßt, anstatt ihn aufzumischen, mag nicht gerecht sein, ist aber angenehmer. Im Grundgesetz steht, „Pflege und Erziehung der Kinder ist das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht“.
    Da steht nix davon, daß der Staat irgendetwas beizusteuern hätte. Wenn Proleten ihre Kinder nicht fördern können, dann ist das hat so. Muß man die Stütze weiter kürzen, daß kein Geld mehr für Fernseher, Mobiltelephone, Alk, GTIs und PCs bleibt. DANN sind die Asis auf sich allein gestellt und haben das Glück, endlich einmal etwas GEMEINSAM zu unternehmen, Menschärgerdichnicht, eine Radtour, Schulaufgaben …

  2. Lieber Hans,
    danke für die Anmerkungen.
    Stimmt, die Veränderungen in der Gesellschaft haben auch vor dem Verständnis von Arbeit, Angestellten und Beamten nicht Halt gemacht. Die Definition, die Sie dem „Angestellten“zu kommen lassen, klingt ein wenig idealistisch. Vielleicht war sie mal gültig. Allein das Kriterium „wird nach Ergebnis bezahlt und nicht nach Stunden“ falsifiziert sie. In einer modernen Arbeitswelt ist die Zeit die falsche Messeinheit für den Mehrwert. Kaum dass ich Angestellter geworden war, wunderte ich mich, dass ich morgens und abends an die Stechuhr mußte, wie vormals in meiner Studentenzeit als Lagerarbeiter.
    Der Begriff „Ergebnis“ ist fragwürdig und schwer zu definieren. Beim Angestellten hätte ich die „Wertschöpfung“ bevorzugt. Die Arbeiter scheinen verschwunden, sind sie aber nicht. Der Arbeiter wurde auch oft nach Ergebnis bezahlt. Das hat man „Akkordlohn“ genannt und wurde von vielen Arbeitern als gerecht empfunden.

    Zu Ihrem Zitat „Pflege und Erziehung der Kinder ist das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht“. Das sehe ich genauso. Wieso ist dann aber „home schooling“ in Deutschland als wohl einzigstem Land der Welt verboten?

  3. Tja, Deutschland.
    Sehen sie sich die Georgierin, au weia, der Name ist heftig: Khatia Buniatishvili an. Nicht von den schrecklichen Youtube-Videos abschrecken lassen, wo man meint, das schwere, billige Parfüm riechen können.

    Aber deren Beethoven und deren Rachmaninow (gut, ein Youtube-link geht):
    https://www.youtube.com/watch?v=06_gYtLR0jA
    Das ist RICHTIG gut. Gerade das Stück im verlinkten Video wird gern als „Fingerübung“ mißbraucht, hier einmal zum Vergleich eine m.E. schlechte Interpretation der von mir normalerweise sehr geschätzten Desislava Bobrina:
    https://www.youtube.com/watch?v=5iwEu2UrUA8
    Das BILD ist wesentlich gefälliger, aber die Interpretationen trennen Welten. Insbesondere dann, wenn man das „Original“ zum Vergleich heranzieht:
    https://www.youtube.com/watch?v=xCKPH-bsTss

    Was ich sagen will: Die Khatia Buniatishvili hat eigentlich nie eine Schulbildung genossen (mit 12 Jahren abgebrochen), spricht fließend fünf Sprachen und ist hochintelligent. Man merkt es, wenn sie in Ermangelung eines passenden Wortes in der Sprache, in der sie gerade spricht, blitzschnell ein anderes passend einbaut: „Da bleibe ich ganz indifferent …“. Mitunter sehr erfrischend. Die Frau ist unglaublich belesen und macht einfach Spaß.
    Hochbegabung und Intelligenz sind ein Naturgeschenk, aber den Menschen Khatia hat die FAMILIE geformt, insbesondere die Mutter, die der Kleinen ab dem dritten Lebensjahr Klavierunterricht gab.

    In Deutschland wäre Khatia ggfs. Kassiererin im Supermarkt geworden.

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