Auf leisen Sohlen ins Gehirn.

Begeisterung.

Das ist der Titel eines Buches, das mir vorgestern ein guter Freund geschenkt hat. Es hat den Untertitel:

„Politische Sprache und ihre heimliche Macht“.

Das Buch hat einen interessanten Aufbau, in Form eines großes Interviews oder vielleicht besser Gesprächs zwischen Elisabeth Wehling und George Lakoff.

Es fasziniert mich. Denn ich misstraue schon länger der Diktatur des Verstandes. Wir Menschen sind nicht die vernünftigen Götter, wie man es uns eingeredet hat. Die von Vernunft gesteuert frei entscheiden können und dann ihre Verantwortung für ihre guten oder schlechten Handlungen tragen.

Habe ich doch in meiner Erziehung eingetrichtert bekommen, dass mein Gehirn (und damit ja auch ich) in der Lage ist, frei zu denken, darauf aufbauend unabhängig zu entscheiden und den Entscheidungen folgend Handlungen auszuführen, die man eindeutig als „richtig“ oder „falsch“ bewerten kann und für die ich dann verantwortlich bin. Für die man mich auch moralisch gerechtfertigt bestrafen kann – und muss!

Seit mehreren Jahren dank der Teilnahme an Seminaren der Philosophie und Gehirnforschung habe ich Schritt für Schritt erfahren, dass das keinesfalls so ist und sein kann.

Schon beim Denken fängt meine Unfreiheit an. Genauso auch beim Entscheiden. Mir für meine Handlungen Verantwortung aufzubürden, das war nur unfairer Trick der mich Sozialisierenden. Sogar später, wie ich Unternehmer wurde, hat man mir eingeredet, dass ich die Verantwortung für die Arbeitsplätze hätte. Was für ein hanebüchener Unsinn, den ich die ersten Jahre sogar geglaubt habe.

Eben im Sinne dieser Ausführungen gilt:
„Der Mensch ist nicht frei“.
Freiheit ist nur eine große Illusion und Selbsttäuschung. Schon lange, bevor ich vermeintlich bewusst entscheide, hat mein Unterbewusstsein festgelegt, was ich entscheiden werde. Mein Verstand rechtfertigt nur noch die gefällte Entscheidung. Mein Verstand kennt mein Unterbewusstsein überhaupt nicht. Leider. Da gibt es bestenfalls ein Bauchgefühl.

Damit wäre die einzigartige Positionierung des Menschen aufgrund seines Verstandes als „Krone der Schöpfung“ kaputt – oder in meiner Sprache:

Wir, die Menschen, sind auch nur Säugetiere wie unsere Brüder und Schwestern, das Schwein, die Kuh, die Katze und der Hund. Und all die anderen Wesen der Schöpfung. Es gibt keinen Grund – geschweige denn ein „Recht“ – uns über die anderen Lebewesen und die Schöpfung zu stellen.

Herausragend ist unsere Position nur, wenn man das Ausmaß der von den Wesen dieser Erde verursachten Zerstörung misst, das bei „der Krone der Schöpfung“ Mensch ja kaum mehr messbar ist. Sondern eher als Grenzwert gegen unendlich geht.

Dies mehr als 2.000 Jahre gültige menschliche Selbstverständnis des Menschen, sich als „zur reinen Vernunft fähigen Wesen“ zu sehen, stellt sich als Lüge oder zumindest als folgenschwerer Irrtum heraus.

Der Mensch ist eher als „die kriminellste Gattung auf dem Planeten“ zu betrachten, die aus reinem Egoismus ihre eigene Existenz vorsätzlich zerstört. Und ich rätsele, welcher zynische Witzbold die Gattung Mensch als „homo sapiens“ bezeichnet hat.

Die logische Folge dieser Erkenntnis ist, dass wir unser gesamtes Verständnis von sozialen Systemen, Gesellschaft oder auch unseres Rechtsverständnisses neu  definieren müssten. Aber mit dem Mut zur Veränderung ist es bei uns ja nicht weit her. Und deswegen bleiben wir bei den alten Parolen und zerstören munter weiter.

Und dann kommt das kleine Buch von George Lakoff und Elisabeth Wehling zu KOMMUNIKATION und GESELLSCHAFT zu mir. Schon auf der 1. Seite des Buches (gleich nach dem Vorwort von Freimut Duve aus Seite 13) wird eine zentrale Frage diskutiert:

Denken in Metaphern. Die heimlichen Machthaber. Was wir denken über unser denken zu wissen.

Auf Seite 13 finde ich auch die „vier größten Fehlannahmen über das menschliche Denken“, die ich hier wörtlich zitiere:

  1. Denken ist ein bewusster Prozess.
    FALSCH!
    Gut 80 % unseres Denkens sind uns nicht bewusst!
  2. Der menschliche Geist ist eine Instanz unabhängig von unseren Körper.
    FALSCH!
    Alles Denken ist physisch! Die Form unseres Denkens hängt von den physischen Beschaffenheit unserer Gehirne ab.
  3. Denken ist universell, alle Menschen können gleich denken.
    FALSCH!
    Menschen begreifen unterschiedlich, weil unsere Gehirne unterschiedlich geformt sind.
  4. Wir können alle Dinge in der Welt gedanklich so erfassen, wie sie an sich existieren.
    FALSCH!
    Wir denken und sprechen jeden Tag hundertfach in Metaphern, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Abstrakte Ideen zum Beispiel – also all die Dinge, die wir nicht körperlich erfahren – können nur durch Metaphern begriffen und benannt werden.

Diese vier Annahmen habe ich so auch gelernt und als braver Schüler geglaubt. Nach einem langen Lebensweg habe ich gelernt, dass sie alle falsch sind und überzeugend widerlegt werden können.

Was sind die Folgerungen?

Für mich stürzt eine Welt zusammen. Kommunikation wird zu einem Ding der Unmöglichkeit, das zwangsläufig im Chaos versinken muss. Es gibt kein falsch oder richtig, gut oder böse, schuldig und unschuldig mehr.

Darf man Menschen jetzt noch beurteilen oder gar  verurteilen? Gibt es auch nur eine Chance, das personale DU verstehen zu können. Wie unmöglich wird soziales und politisches Handeln? Wie überhaupt soll Demokratie so funktionieren? Wir merken, mit Vernunft und Ratio wird das nicht mehr funktionieren.

Wie sinnlos wird es, andere Menschen überzeugen zu wollen. Wie solle Demokratie und Politik funktionieren? Zurzeit scheint da viel Zusammen zu brechen. Ist das nicht nur logisch?

Ich habe da keine Antworten. Ich bin im Buch aber erst am Anfang. Und habe noch zirka 150 Seiten vor mir. Vielleicht kommen da noch die Antworten.

Und wenn ich sie finde, werde ich darüber berichten. Allerdings – angesichts des Gelernten: Macht so etwas wie IF-Blog überhaupt noch einen Sinn? Gerade wenn ich an den Disput und Diskurs denke, der hier oftmals ausgetragen wird?

RMD

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