Doppelagent Dnalor in Warnemünde

Ironie und Realität

Als leidenschaftlicher Leser von John le Carré (Verräter wie wir) und Herbert Rosendorfer (Das Messingherz) kenne ich mich mit Geheimdiensten und deren Praktiken natürlich bestens aus.

Zurzeit gibt es ja wieder einen genialen „use case“, den ich heute kompetent besprechen und fachlich analysieren will. Lapirks oder so ähnlich.

Die beiden erwähnten Bücher sind übrigens zwei absolut geniale und lesenswerte Werke, vielleicht empfehle ich das Messingherz noch einen Hauch mehr. Aber jetzt zum Thema – es geht heute um den „Doppelagentenmord“!


Gehen wir davon aus, Sie sind ein Geheimdienstler eines noch EU-Landes und wollen einen Doppelagenten beseitigen, der Ihnen stinkt.

Ein Doppelagent hat zwei „Arbeitgeber“ über Jahre gegeneinander ausgespielt. Von beiden wurde er gut bezahlt. Keiner der beiden kann sich jemals ganz sicher sein, wem seine Gunst wirklich gehört hat. Vielleicht beiden? Dies gilt auch für den Arbeitgeber, der ihn am Schluss als (lästige?) Laus im Pelz sitzen hat und ihm die Rente finanziert.

So ist Doppelagent schon so eine von Art Königsklasse der Geheimdienstliga, übertroffen wahrscheinlich nur von dem sehr seltenen 3- oder 4-fach Agenten. Andererseits – ein Doppelagent dürfte doch immer zuerst mal ein Agent der eigenen Sache sein …

Die Arbeitgeber eines Doppelagenten sind in einer blöden Situation. Denn immer bleibt ihnen der Verdacht, dass in „Wirklichkeit“ sie die Beschissenen waren. Aber „Wirklichkeit“ ist bei Geheimdiensten eh unwichtig, geht es da doch viel mehr um „Unwirklichkeit“!

Wenn Sie jemand umbringen, dann geben Sie natürlich nicht  gerne zu, dass Sie es waren. Auch nicht bei einem Doppelagenten. Bei diesem bietet es sich jedoch förmlich an, den Verdacht auf den zweiten Arbeitgeber zu richten.

Dazu gibt es für den Doppelagentenmord zwei Möglichkeiten, die einfache oder die doppelte Indirektion. Die intelligentere aber auch aufwändigere Variante ist zweifelsfrei die doppelte Indirektion. In Kurzform geht diese so:

Sie richten den Verdacht – zum Schein – ein wenig auf sich selber. Und beweisen ganz ruhig, dass Sie es gar nicht selber gewesen sein können. Sondern es der andere Arbeitgeber des Ermordeten (eigentlich Hingerichteten?) gewesen sein muss.

Natürlich lassen Sie in keiner der beiden Variante den Doppelagenten durch Ihre eigenen Agenten umbringen. Das erledigt in der Regel ein befreundeter Geheimdienst. Gemeinsam mit diesem legen Sie (unbedingt leicht widerlegbare) Spuren aus, die auf ihre eigenen Organisation deuten und (möglichst unwiderlegbare), die zeigen, dass es der Andere war.

Mit gut vorbereiteten Indizien zeigen Sie, dass Sie es ja gar nicht gewesen sein können! Aber der Andere die Schuld auf Sie schieben will! Ungeheuerlich! Und schon ergibt sich der einfache Schluss, dass es nur der Andere gewesen sein kann. Der ist ja sowieso ein Böser, was leicht zu beweisen ist, denn Sie sind ja der Gute.

Diese Variante (sich selbst zum Schein in Verdacht bringen und dann herausfinden, dass es der andere war) kann durchaus klappen, besonders wenn sie virtuos und geduldig gespielt wird. Und der andere kann dann ganz schön bescheuert am Schluss dastehen.

Allerdings ist sie eher etwas für intelligente Menschen. Und bei Lapirks haben diese Methode wenn dann höchstens die Russen angewendet.

Wenn die Engländer die Täter waren, dann haben sie – wie Geheim-Dienstler in der Regel – die Variante der einfachen Indirektion verwendet. Zwar klappt diese wegen ihrer Plumpheit meistens nicht. Aber das spielt keine Rolle, denn bei Geheimdiensten klappt eh meistens nichts. Nur die Folgen ihrer Aktionen sind oft schlimm.

Die (natürlich nicht in den anspruchsvollen Romanen von le Carré) häufig angewendete Methode der einfachen Indirektion geht so:

Sie (als Geheimdienst) bitten einen (jetzt wirklich nur so zum Beispiel) guten Kumpel aus dem ehemaligen Warschauer Pakt um Unterstützung. Der könnte z.B. einem heute verbündeten Geheimdienst aus dem ehemaligen Ostblock angehören. Also einer, der die Seiten gewechselt hat und von früher Know-How und Materalien aus dem Umfeld des zweiten Arbeitgebers des zu beseitigendem Doppelagenten hat. Dieser beseitigt für ein kleines Entgegenkommen Ihrerseits mit „quasi-russischen“ Methoden den Doppelagenten. Er macht das gerne, denn er mag die Russen ja nicht (mehr) und wischt ihnen gerne eins aus.

Dass er dabei pfuscht und der Doppelagent überlebt ist durchaus normal und nicht schlimm. Wahrscheinlich geht es ja eh um etwas ganz anderes. Das ist dann höheres Geheimdienst-ABC.

Sie melden dann sofort Ihren politischen „Vorgesetzten“, dass die Russen etwas für sie Typisches und sehr Böses angestellt haben. Der Begriff „Vorgesetzten“ ist natürlich Blödsinn, denn als Geheimdienst machen Sie ja eh was sie wollen, von wegen parlamentarischer Kontrolle und so …

Ein Motiv findet sich im Falle eines Doppelagenten immer leicht – in diesem Fall sollen die Mörder damit eine Warnung an andere Doppelagenten bezweckt haben. Klingt zwar ein wenig konstruiert, aber was ist bei Geheimdiensten nicht konstruiert?

Ihre Regierung glaubt das gerne, denn die will sich ja nach vielen Flops profilieren und Stärke demonstrieren. Und will auch gar nicht wissen, wer es wirklich wahr. Denn es könnten ja auch Sie (der eigene Geheimdienst gewesen) sein, denn wie gesagt, welche Regierung traut schon ihrem Geheimdienst? Und so eine unerfreuliche Wahrheit will man ja wirklich nicht wissen.

So ist es für die Regierung am Besten, in die Offensive zu gehen und die andere Seite zu beschuldigen. Je massiver und entschlossener, desto besser, damit auch keiner ins Zweifeln kommt.

Natürlich müssen Sie alle Zeugen beseitigen, in unserem Fall eine verstörte Katze. Da der Geheimdienst ja ein Herz für Katzen hat, wird diese ganz schnell aus „humanen“ Gründen getötet. Und natürlich muss der übliche Prozess ausgelöst werden wie alle Akten vernichten und alle Daten löschen.

Belege kann man auch nicht vorlegen, man darf ja nicht die Quellen (andere Doppelagenten) gefährden. Sonst werden die auch noch ermordet. Ein selten dümmliches Argument übrigens, dass jedoch alle Möglichkeiten eröffnet.


Soweit die Satire

Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein. Gerade bei Doppelagenten. Vielleicht hat ein Dritter beide reingelegt, die Briten wie die Russen. Das könnte irgendeine Mafia oder die Amis gewesen sein. Oder ein Einzeltäter? Einfach nur aus Rache. Oder was auch immer? Wir wissen Nichts! Viele Varianten sind denkbar und die „Wahrheit“ dürfte nie herauskommen. Nur eins scheint sicher, die „offizielle“ vom britischen Geheimdienst dargestellte Variante ist sehr unwahrscheinlich.

Und ich stelle mir wieder mal die Frage, was die Geheimdienste eigentlich bringen. Und ob diese per se unkontrollierbaren polizeilich-militärischen Einheiten, die jenseits des Rechtsstaates operieren dürfen, nicht ziemlich gefährlich für Rechtsstaaten wie demokratisch legitimierte Regierungen sind?

RMD

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5 Antworten

  1. The stuff about single and double deception seems confused.

    Spies are undervalued. Even where they work for evil regimes,
    they may start off with noble motives, and they may even help avoid dangerous mistakes and imbalances of strength.

  2. Hi – „use case“ ist der neudeutsche Begriff für „ein Fallbeispiel, das zum einen zum besseren Verständnis eines komplizierten / komplexen Sachverhaltes aber vor allem auch der Diskussion dient, um plausible Überlegungen zu generieren – also Erkenntnisgewinn zu schaffen“.

  3. „seems confused“ – Grundeigenschaft von geheimdienstlichen Manipulationen.
    „spies“ – Es geht nicht um Spione, die man insofern verherrlichen und verklären kann, wenn sie „im Dienste fürs Vaterland“ ihr Leben geben – also nicht um „Mata Hari-Romantik“.
    Geheimdienste haben überwiegend nichts mehr mit Spionage zu tun. Sie sind operative Organisationen, die jenseits staatlicher Kontrolle außerhalb jeglicher demokratischer Kontrolle neue Realitäten schaffen wollen. Dies auch mit quasi-militärischen Mitteln. Vor allem sind sie der Waffenlobby verpflichtet; Rüstungs-„güter“ (Waffen etc.) müssen auch eingesetzt werden, damit das Geschäft brummt.

  4. Der Fall Babtschenko http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-arkadi-babtschenko-das-schweigen-des-geheimdienstes-a-1210482.html bringt den Zyniker in mir auf den Gedanken, dass z.B. der ukrainische Geheimdienst auch gerne so ein Spiel gemacht hätte, wie SKRIPAL. Immerhin mögen die die Russen zurzeit ja bestimmt nicht und haben sicher großes Interesse daran, das Ansehen von Russland im Westen stark zu beschädigen. Da ist die Idee einen russischen Angriff auf einen westlichen Doppelagenten auf englischem Boden vorzutäuschen doch gar nicht so schlecht. Und alle Voraussetzungen dafür hätten sie ja. Das könnte eine Erklärung für den Fall LAPIRKS 🙂 in meinem Artikel sein.

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