Eine Geschichte zur EURO-Geschichte.

Europa ist mehr als die EU (und der EURO)!

Denn 5-Hunderter gibt’s ja wohl nicht mehr – trotz hohen Wertverlusts der Währung.

Letzten Dienstag war ich bei einer Veranstaltung im Café Luitpold, die mit dem Text des Untertitel dieses Artikels angekündigt war (bis zur Klammer; die Ergänzung in der Klammer ist von mir).

Harald Lesch war als Star des Abends eingeladen, aber leider kurzfristig verhindert. Er wurde von zwei „Europa-Experten“ vertreten.

Trotz des Ausfalls von Harald Lesch (wegen dem ich da war) war es ein interessanter Abend, gerade weil sehr geschraubt Unsinn geredet wurde. Dies von Leuten, die bei uns als wissenschaftliche Elite gelten. Da zuzuhören ist zwar ab und zu ärgerlich, ich genieße aber eine gewisse morbide Freude wenn ich gespreizten Unsinn höre.

Die beiden Herren auf dem Podium haben  beim alten römischen Reich angefangen und zum Teil absurde Thesen aufgestellt. Zum Beispiel war die Antwort auf die Frage aus dem Publikum, ob der Niedergang Europas nicht etwas mit dem Verlust von Spiritualität und Religion zu tun haben könnte, dass die wahre Gefahr für Europa nicht von den Atheisten sondern von den Agnostikern ausgehen würde. Mit der Begründung, dass so ein fanatischer Atheist einen streng islamischen Gläubigen besser verstehen könne denn ein Agnostiker. Und Integration dann besser möglich wäre.

Da habe ich mir ganz still bei mir „oh mein Gott“ gedacht.

Bei dieser Veranstaltung im schönen Café im feinsten Teil von München war mein Freund Sigi dabei. Nach Vortrag und Diskussion erzählte mir der Sigi eine Geschichte, die mir recht bekannt vorkam. Weil ich sie so ähnlich auch schon oft erzählt habe – allerdings nie dem Sigi.

Dafür hat diese Geschichte mir vor schon 20 Jahren der Rudi Jansche berichtet, damals allerdings in der Zukunftsform. Das war noch vor der Einführung des EUROs und der Rudi war einer der Top-Manager in Deutschland eines relevanten englischen Konzerns, der auch im restlichen Europa und der BRD viel Macht hatte. Und oft habe ich mich über die Weitsicht meines Mentors Rudi gewundert.

Die Geschichte zum EURO (vom Sigi, Rudi und von mir), erzähle ich jetzt so wie ich sie selber erlebt habe:


Anfang der 60iger Jahre war ich als Austauschschüler in Frankreich. Da gab es noch den Franc. Ich konnte noch nicht ganz so gut französisch und war ein wenig verwirrt, dass ein Sakko z.B. 100 (cent) Francs kostete. Und mein Gastgeber berichtete, dass er für dieses Sakko zehntausend („dix milles“) Francs oder  „dix milles balles“ bezahlt hätte.

Das Rätsel löste sich dann rasch auf. In Frankreich gab es kurz vor meinem Besuch eine Währungsreform. Da wurde der „nouvel franc“ eingeführt, der dem Gegenwert von 100 alten Francs entsprach. Die alten „francs“ konnten als „centimes“ weiter genutzt werden. Eigentlich wurden nur zwei Nullen gestrichen. Aber viele sprachen und dachten noch im alten Franc, obwohl die Produkte in den Läden in neuen Franc ausgezeichnet waren.

Näheres zur französischen „Währungsreform“ steht in Wikipedia – hier ein Auszug:


Am 27. Dezember 1958 wurde die Einführung des Nouveau Franc (NF) zum 1. Januar 1960 verfügt. Ein NF, seit 1963 offiziell nur noch Franc (F) genannt, entsprach 100 alten Francs (anciens francs). Die alten Franc-Münzen konnten als Centimes weiter verwendet werden. In der Alltagssprache blieb die Angabe in alten Francs noch jahrzehntelang gebräuchlich.


Dieser Artikel in Wikipedia ist sehr lesenswert, gibt er doch sehr schön Einblick in die französische Inflation.

Ich erinnere mich noch schwach, dass es eine Zeit gab, da bekam man für eine Deutsche Mark (DM) so in etwa einen nouvel franc (NF) – oder andersrum. Das war aber sehr schnell vorbei, schon wenige Jahre später waren es dann schon drei Francs, die man für eine Deutsche Mark bekam oder auf den Tisch legen musste. Und so ging es munter weiter.

Ich war überrascht, wie bei jedem Besuch von mir in Frankreich das Weißbrot (für mich) immer billiger wurde. Denn das unterlag einer Preisbindung und wurde offensichtlich vom Staat bezuschusst. Wie ich auch überrascht war, dass ich auch nach mehreren Besuchen in Frankreich für viele Franzosen der „le boche“ blieb. Mit meinen Austausch-Eltern befreundete Familien haben sich von meinen Austausch-Eltern abgewandt, weil sie einen „boche“ aufgenommen und – noch schlimmer – ihren Sohn nach Deutschland zum Erbfeind geschickt hatten. Die gute Nachricht: Ich fand trotzdem ganz schnell in Frankreich viele junge Freunde.

Mit der Familie (meinen Eltern und meiner Schwester) ging es damals in den Urlaub meistens nach Österreich. An den Schilling erinnere ich mich gerne. Der Schlagbaum an der Grenze und anderes Geld, das war ein Erlebnis. Wir waren im Ausland!

Die Schillinge – ob das 1- oder 5-Schilling-Stück – waren schöne Münzen. Ich erinnere mich, dass es immer so um die sieben Schilling für eine DM gab. Da hat sich nie viel daran geändert.

Die Zeit des Urlaubs mit meinen Eltern in Österreich ging schnell vorbei so wie auch der Ferienaustausch in Frankreich. Dem Elternhaus entflohen ging es immer häufiger nach Ländern wie Italien und Griechenland.

So lernte ich Lira und Drachmen kennen. Das war eine ganz andere Art von Währung. Die Scheine waren schmuddelig, die Münzen erinnerten an DDR-Geld und waren nichts wert.

In Italien war ich überrascht, dass die Pizza für mich jedes Jahr billiger obwohl sie nominell in Lira immer teuerer wurde. In Griechenland war das ähnlich. Das waren paradiesische Zustände für den DM-Inhaber, die ja seit langem (leider) vorbei sind.

Aus Sicht der Italiener und der Griechen war das Ganze nicht so toll. Sie wollten zum Beispiel gerne einen Mercedes kaufen. Nur, wenn sie endlich den beantragten Kredit für das Auto bewilligt bekommen hatten, war der Mercedes schon wieder teuerer geworden. Und dann haben sie doch lieber einen 2CV, R4 oder einen Lada gekauft.

Und dann kam der EURO. Und alle waren glücklich. Die deutsche Industrie und die internationalen Konzerne waren begeistert, weil sie viel mehr verkaufen konnte. Es gab ja jetzt einen gemeinsamen Binnenmarkt mit einer einheitlichen Währung. Da konnte man so richtig Gas geben und verbleibende lokale Konkurrenz vernichten oder übernehmen, je nachdem wie es für den Ausbau des Geschäfts opportun erschien.

Die Italiener und Griechen waren zuerst auch sehr zufrieden. Denn die Preise für die schönen deutschen Autos blieben stabil. Man konnte sie sich jetzt leisten und wie viele mehr von den schönen Dingen, die deutsche und internationale Konzerne ins Land pressten.

Nur ich war nicht zufrieden. Denn jetzt wurde auch für mich in Italien und Griechenland die Pizza und das Gyros teuerer. Früher galt für die Radtour über die  Alpen ans Mittelmeer die Regel, dass die Übernachtung immer billiger wird, je mehr wir in den Süden kommen. Das ist vorbei. Heute schläft man am billigsten noch in Bayern, in Österreich wird es schon ein wenig teuer und in Italien geht das so weiter.

Das mit dem EURO hatte natürlich einen Haken. Denn die schönen Autos aus Deutschland wurden wie vieles mehr auf Pump gekauft. Und während die deutsche Industrie jubelte und Rekordzahlen schrieb gingen manche Länder an ihren Schulden kaputt. Die „Heilung“ durch Abwertung ging ja nicht mehr, von dem schönen EURO-Strohfeuer blieben nur noch Inflation und Senkung der Einkommen.

Die Gläubiger wollten von diesen schwachen Ländern einen hohen Zins haben und bekamen ihn – und das tat weiter weh. Wie es immer schmerzt, wenn man eh schon pleite ist und viel Geld ohne Gegenleistung abliefern muss.

Aber, die EZB, die EU und der Welt-Währungsfond hatte ein Einsehen. Sie senkten die Zinsen und kauften die Ramsch-Anleihen auf, um die große „Katastrophe“ des Staatsbankrott des einen oder anderen Mitglied-Staates zu vermeiden.

Das rettete scheinbar viele europäische Länder nicht nur im Süden. Besonders gut war das aber auch für den größten aller Schuldner in Europa, die BRD, sprich uns. Unsere Belohnung fürs Mitmachen war, dass wir gar keine Zinsen mehr zahlen müssen. Sonst hätten wir das auch natürlich nicht geduldet hätte, denn natürlich gilt auch bei uns „Germany first“!

So konnten wir uns zweimal ins Fäustchen lachen:
Zuerst rollte unsere Industrie den gemeinsamen Markt dank einer einheitlichen Währung auf – und dann zahlten wir für unsere Staatsschulden keine Zinsen mehr. Auf wunderbare und pfiffig erscheinende Art und Weise haben wir plötzlich einen ausgeglichenen Haushalt geschenkt bekommen.

Das alles hat mein Freund Rudi vorhergesehen. Aber natürlich nicht die verantwortliche Regierung unter dem großen Kanzler der Einheit.

Selbst wenn die den EURO nicht gewollt hätte, hätte das nichts geholfen. Tanzte die Regierung doch schon damals nach der Pfeife der Industrie wie die gesamte EU. Und die Industrie wollte den EURO. Die anderen Staaten Europas übrigens auch. Oder korrekter – sie wollten die D-Mark weg haben, weil die Dominanz der starken DM ihnen schon lange ein andauerndes Ärgernis war. Und das ging ja nur mit dem EURO.

Und jetzt haben wir ein Problem. Ich bin schon gespannt, was der neue Wunderkandidat der SPD dazu sagen wird. Hat er doch im EU-Parlament genau diese Linie unterstützt.

Jetzt muss und wird er wieder deutsch reden – Germany first.  Hat er doch wie kein zweiter deutscher Politiker (außer vielleicht der große Bayer) von Trump gelernt, wie man Menschen „populisiert“.

Dem aktuellen System von Oligarchie der Parteien und Lobbyisten wird er auch nichts entgegen setzen wollen und können. Aber bestimmt wird er es schaffen, seine eigene so unglaubliche Karriere. Und er träumt jetzt ja vom Kanzleramt.

Das macht aber auch nichts. Es dürfte völlig egal sein, wer da im Berlin der Großmannssucht regiert. Ob die Merkel mit dem Schulz oder der Schulz mit der Merkel. Das einzige was sicher sein dürfte ist, dass Mr. Gabriel weiter Außenminister bleibt (wegen geheimen Absprachen – dem Hauptmittel der aktuellen Politik).

So wird sich in meiner Geschichte nichts ändern. Sie wird enden wie so viel Märchen: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann regieren sie bis auf weiteres.

Ergänzung:
Immer wieder höre ich von EURO-Befürwortern, dass dank des EUROs es doch jetzt so schön wäre zu reisen. Der Nachteil zum Beispiel des Geldwechseln wäre weggefallen.

Das Argument verstehe ich gar nicht. In den auch nicht so guten alten Tagen hatte ich immer Reiseschecks. Die musste ich im Zielland auch wechseln. War vielleicht völliger Blödsinn, aber mein „Über-ich“ hat mir das so befohlen.

Heute jedoch ist Geld nur noch eine Verrechnungseinheit und das Umrechnen von einer Währung in die andere ist eine der leichtesten Aufgaben für unsere „digitale Welt“.

Aber der EURO ist halt passiert und jetzt haben wir ihn. Gerne hätte ich auf nämlicher Veranstaltung an die beiden Europa-Experten die Frage gestellt, ob sich die Einführung des EUROs  nützlich für ein gemeinsames Europas oder schädlich war. Dazu kam ich aber nicht mehr. Ich kann sie nicht beantworten, vermute aber, dass er eher geschadet hat.

Wir haben aber nicht nur den EURO sondern auch den Nullzins. Und eine weiter stark wachsende Verschuldung der Länder Europas, die von der EZB und dem Währungsfond noch gedeckt wird. Das ist eine Situation, von dem man nicht weiß, wie lange es gut geht.

Auf dem letzten PM-Camp hat Gerhard Wohland gesagt, dass ein Problem ein Zustand ist, der so nicht bleiben kann. Zu unserem Problem hat keiner eine Lösung, vielleicht gibt es keine. So machen die Verantwortlichen in Europa einfach so weiter wie bisher. Was sollten sie sonst auch tun?

Für mich ist Europa aber so viel mehr als der EURO und ich meine, dass es völlig gleichgültig sein wird, wann und wie er platzt. Ist er doch nur eine Verrechnungseinheit, die dann halt durch neue und genauso virtuelle Verrechnungseinheiten ersetzt wird. Das kriegt eine gute Administration hin.

Klar wird es auch hier Verlierer und Gewinner geben. Wahrscheinlich werden auch in Zukunft die Reichen die Gewinner und die Armen die Verlierer sein. Aber an das sind wir ja seit längerem gewöhnt und werden da weiter machen bis es halt mal wieder knallt.

Und das klingt nach der Logik der Geschichte. Und vielleicht knallt es schon bald, weil die Welt vor viel größeren Herausforderungen steht als vor so einer läppischen Währung!

RMD

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