Keynote Teil III „Utopie Open Source?“ (GUUG-Frühjahresfachgespräch)

Den Vortrag bei der GUUG habe ich mit der Schilderung folgender Utopie geschlossen:

Die Mitarbeiter bestimmen ihren Einsatz im Team autonom und wählen die Aufgaben, an denen sie arbeiten, selbstständig aus. Idealtypisch könnte das so aussehen.

  • Die Teilnehmer übernehmen Themen, bei denen sie ihre Fähigkeiten am besten einbringen können.
  • Sie suchen Herausforderungen in einem Umfeld, das sie fasziniert und dass sie kennen lernen wollen.
  • Die Motivation aller Mitstreiter ist intrinsisch begründet.
  • Alle Entwickler sind gleichzeitig Nutzer (Kunden), der Kundennutzen steht so außer Frage.
  • Der Aufbau der Organisationen ist einfach und klar.
  • Die Projektarbeit folgt eindeutigen Regeln.
  • Die Ziele sind transparent.
  • Der (immaterielle) Erfolg der Arbeit wird fair und angemessen geteilt.

Das ist wohl das Geheimnis des Erfolgs von vielen Open-Source Entwicklungsgemeinschaften: Sie schaffen es, diese Utopie zumindest teilweise zu realisieren. Ich sehe hier auch Parallelen zu „SCRUM“ (die mir persönlich nachvollziehbarste Software-Entwicklungsmethode).

Hier noch eine philosophische Ergänzung zum Thema Open Source!

Unser Vorstand Thomas Vallon (Geschäftsfeld IT-Organisation und Personal) hat im Internet eine Seminararbeit zu Jürgen Habermas

Theorie des kommunikativen Handelns der Universität Wien gefunden.

Hier auszugsweise der Abschnitt 2.5.

<<<< (Beginn des Auszuges aus der Seminararbeit)

2.5 Die ideale Sprechsituation

Habermas entwickelt ein fiktives Modell einer idealen Sprechsituation, die eine gültige Einigung im Sinne des kommunikativen Handelns ermöglicht. Er spricht auch von einem „utopischen Entwurf einer idealen Kommunikationsgemeinschaft“. Wenn das kommunikative Handeln zentrale gesellschaftliche Funktionen übernimmt, muss auch das Medium der Sprache Aufgaben der substantiellen Verständigung übernehmen. Die Sprache dient somit nicht mehr nur der „Übertragung und Aktualisierung von vorsprachlich garantierten, sondern zunehmend auch der Herbeiführung von rational motivierten Einverständnissen […]“

Die formalen Eigenschaften des Diskurses begründen nach Habermas, dass echte Einigung über Geltungsansprüche prinzipiell denkbar ist. Um wirkliche und wahre Verständigung zu erzielen, müssen die Sprecher die Ebene einer rein argumentativen Rede betreten, das heißt, eine ideale Sprechsituation voraussetzen. In der idealen Sprechsituation ist jede systematische Verzerrung der Kommunikation ausgeschlossen, alle Handlungszwänge sind außer Kraft gesetzt und es setzt sich ausschließlich das bessere Argument durch. Die Bedingungen für eine ideale Sprechsituation in Bezug auf die Sprechaktklassen sind nach Habermas:

1. Alle potentiellen Teilnehmer eines Diskurses müssen die gleiche Chance haben, kommunikative Sprechakte zu verwenden, so dass sie jederzeit Diskurse eröffnen sowie durch Rede und Gegenrede, Frage und Antwortperpetuieren können.

2. Alle Diskursteilnehmer müssen die gleiche Chance haben, Deutungen, Behauptungen, Empfehlungen, Erklärungen und Rechtfertigungen aufzustellen und deren Geltungsanspruch zu problematisieren, zu begründen oder zu widerlegen, so daß keine Vormeinung auf Dauer der Thematisierung und der Kritik entzogen bleibt. […]

3. Zum Diskurs sind nur Sprecher zugelassen, die als Handelnde gleiche Chancen haben, repräsentative Sprechakte zu verwenden, d. h. ihre Einstellungen, Gefühle und Intentionen zum Ausdruck zu bringen.[…]

4. Zum Diskurs sind nur Sprecher zugelassen, die als Handelnde die gleiche Chance haben, regulative Sprechakte zu verwenden, d. h. zu befehlen und sich zu widersetzen, zu erlauben und zu verbieten, Versprechen zu geben und abzunehmen, Rechenschaft abzulegen und zu verlangen usf.

Durch die kontrafaktische Situation der idealen Sprechsituation, wie sie im herrschaftsfreien Diskursvorausgesetzt wird, lassen sich Konsense herstellen, die die Bedingung für die Identitätsbildung in der modernen Gesellschaft darstellen.

>>>>(Ende des Auszugs aus der Seminararbeit)

Dazu merkt Thomas Vallon an:

Auf das OpenSource-Konzept ließen sich die vier Bedingungen einer idealen Sprechsituation bzw. Kommunikationsgemeinschaft beziehen – auch wenn Habermas auf eine politische Situation zielt. Wir finden bei Habermas Analoges zum OpenSource-Konstrukt.

Eine korrekte Lösung, ein „wahres“, anforderungsgerechtes technisches Modell wird durch die unzensierte Kommunikation und den Austausch prinzipiell gleichberechtigter Kommunikations- (Entwicklungs-, Qualitätssicherungs- etc.) Partner angezielt.

Ziel ist bei Habermas der herrschaftsfreie Diskurs. Partikularinteressen (etwa wirtschaftlicher oder machtorientierter Art) werden durch die grundsätzlich uneingeschränkte Transparenz der Kommunikations- und Kooperationsmuster durchsichtig gemacht und möglichst überwunden. Immunisierungsstrategien werden durch das Recht kontinuierlicher Infragestellung vorhandener Positionen tendenziell ausgehebelt.

Faktisch ist ja in der OpenSource-Community die Lust am Aufspüren und Verbessern von Schwachstellen allemal ausgeprägter als bei dem Anbieter kommerzieller Lösungen, dessen Interesse eher darauf zielt, Problempunkte möglichst zu kaschieren.

Vielleicht hat die OpenSource-Bewegung ja in der Tat neben dem kommerziellen Moment auch ein politisches Motiv. Vielleicht ist ja auch ein Aufbegehren der Betroffenen am Werk, das sich gegen Bevormundung zur Wehr setzt und dem Ausschluss von (echtem) Mitreden, Mitwirken, Einflussnehmen widersetzt. Denn die Marktsituation im IT-Bereich belegt meines Erachtens über weite Strecken ja gerade nicht, dass der Konsument, der Investor und Nutzer die Richtung bestimmt.

(Soweit die Anmerkungen von Thomas Vallon)

Meine Meinung:

Man kann OPEN SOURCE-Modelle auch philosophisch begründen 🙂 !

Das finde ich fantastisch!

RMD

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