Mumbai und seine Hochhäuser.

11352466_10206989829248912_592815073_o11352466_10206989829248912_592815073_oDie Woche in Mumbai wohnen wir bei meinem Sohn in der Anlage Dodha in Mumbai. Es ist eine auf den ersten Blick sehr gepflegte Anlage mit einem schönen Club und Swimmingpool. Sie besteht aus zwei Türmen mit 49 Wohnebenen. Mein Sohn lebt im 29. Stock in hellen Räumen, die deutlich über drei Meter hoch sind. Es ist eine sehr schöne Wohnung mit einem wunderbaren Ausblick aufs Meer. Allerdings wurde genau zwischen Meer und Dodha ein neuer Wolkenkratzer hochgezogen, der vielen Wohnungen der Dodha den Blick auf Meer genommen hat. An diesem können wir gerade noch so knapp vorbeischauen.

Ich habe hier Ende 2013 schon mal gewohnt. In der ersten Nacht in 2015 war ich überrascht, weil Ich es noch lauter in Erinnerung hatte. Was war los? Die Antwort war einfach. Unweit des von uns bewohnten Gebäudes ragen weitere Hochhäuser als Rohbauten in die Luft, unter anderem das beschriebene. Beim letzten Besuch wurde auf diesen Baustellen gearbeitet, und zwar Tag und Nacht – mit einem fast unerträglichen Lärmpegel.

20150522_051554_resizedSeit einem Jahr sind die Bauarbeiten eingestellt. Und werden wohl nie mehr aufgenommen. Denn der Bauunternehmer hat dicht gemacht. Die Hochhäuser gegenüber sind häßliche Bauruinen geworden. Aber es sind nicht die einzigen stillgelegten Baustellen von Wolkenkratzern in Mumbai. An mehreren Stellen in der Stadt sieht man Riesenrohbauten ohne jede Bauaktivität, die oft schon Ruinencharakter haben.

Die Erklärung dafür ist einleuchtend.

Entweder sind die Bauherren „bankrupt“. Denn das System in Indien reich zu werden ist einfach. Man startet zum Beispiel ein Immobilien-Projekt und verkauft die Wohnungen im voraus. Geld gibt es genug in Indien. Dann wird das Gebäude gebaut. Natürlich steigen während dem Bau die Kosten. Aber nicht nur wie in Deutschland um 70 % bei Großprojekten. Auch hier sind die Inder „besser“.

Was macht man, wenn man mit den Kosten nicht hinkommt? Man startet neue Projekte, die konzipiert und verkauft werden. Mit den Einnahmen aus diesen Prospekten wird das erste Gebäude fertiggestellt. Und als Referenz für noch mehr Projekte genutzt, mit denen man die alten finanziert. Nur ist das halt ein Schneeball-Prinzip. Und das ist immer endlich und schon stehen ein paar Betonskelette mehr da. Für mich wie drohende Mahnmale eines entarteten Wirtschaftssystems.

20150522_095506_resizedEs gibt auch stillgelegte Hochhaus-Baustellen, auf denen aus einem anderen Grund Ruhe herrscht. Da hat der Bauherr die Behörden-Auflagen dramatisch ignoriert. Vielleicht in der Hoffnung, dass man zuerst mal vollendete Tatsachen schafft, die man dann mit einem Bakschisch heilen kann. Nur klappt das nicht immer, vielleicht sogar weil der Konkurrent mehr Geld geboten hat. Jetzt verlangt die Behörde den Rückbau.

Nur wie will man einen Wolkenkratzer, der zum Beispiel eine doppelt so große Grundfläche hat wie genehmigt, rückbauen? Also lässt man das Betonskelett mit vielen Stockwerken halt mal stehen. Den Weiterbau braucht man in beiden Fällen ja nicht, denn das Geschäft ist ja schon gemacht. Das Geld ist verteilt und in verschiedenen privaten Kassen gelandet.

20150522_051605_resizedUnd es geht um viel Geld. Überschlagsweise rechne ich mal die Türme, in denen ich bei meinem Sohn wohne: Ich zähle 6 Wohnungen auf einer Ebene, das sind bei 50 Ebenen 300 Wohnungen. Je nach Lage im Turm kosteten die Wohnungen (bevor das unvollendete Hochhaus davor gebaut wurde) zwischen einer (unten) und zwei Millionen USD (oben). Rechnen wir mal 1,5 Millionen im Schnitt pro Wohnung, dann kommen wir auf ein Projektvolumen in Höhe von 450 Millionen USD. Da ist dann genug Geld drin, damit alle reich werden können, die Finanziers, die Verkäufer, die Projekteure, die Rechtsanwälte …

Den Schaden haben die Käufer der Wohnungen. Die sind aber in der Regel so reich, dass es nicht so stört. Außerdem wissen die schon, wie und wo sie sich das Geld wiederholen. Am Schluß ist es halt die Allgemeinheit. Wie üblich – die Gewinne sind schon privatisiert, die Verluste werden sozialisiert – irgendwann mal in der Zukunft.

So sieht man sie immer öfters in der Stadt, diese Bauruinen von Mumbai. Aber so richtig zu stören scheint das niemanden. Bestimmt nicht die armen ganz unten in den Straßenschluchten. Warum sich gegen Dinge auflehnen, die man eh nicht ändern kann?

Man sieht in Mumbai aber auch immer wieder neue Wohntürme, an denen fleißig gearbeitet wird. Darunter sind auch die Gebäude, die dann in ein paar Jahren die höchsten reinen Wohngebäude der Welt sein sollen …

Wohlgemerkt, ich will hier nicht Indien oder Mumbai kritisieren – ich muss bei meinen Beobachtungen immer an uns zu Hause denken!

RMD

P.S.
Das Gebäude, in dem ich zurzeit lebe, ist vielleicht 15 Jahre alt. Manches erscheint hier aber auch schon so, dass man es eigentlich schleunigst renovieren sollte. Zumindest wenn man so mitteleuropäisch sozialisiert wurde wie ich.

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