Nachlese zu meinem Vortrag – Fragen&Antworten #7 Markt und Wettbewerb

In dieser Artikelserie beantworte ich die von Studenten gestellten Online-Fragen, die ich in meinem Vortrag

Lehren für Unternehmensführer – das Leben, das Wissen, die Informatik und die Ethik

im Rahmen der Vorlesungsreihe

„Innovative Unternehmer“ / Sommersemester 2010
Führung von wachstumsorientierten Unternehmen

nicht ausführlich behandeln konnte.

Thema: Markt und Wettbewerb

Frage:
Ich stelle mir gerade die Akquise der ersten Kunden besonders anstrengend vor. Können Sie etwas darüber berichten, wie Sie ihren ersten „großen“ Deal gemacht haben? Haben Sie einen Tipp für eine Herangehensweise an das häufige Dilemma für Start-Ups: Kundengewinnung für ein Produkt ohne Referenzen, keine Referenzen da kein Kunde der Erste (das Versuchskaninchen) sein möchte?

Antwort:
Erster Kunde:
Aus meiner Zeit vor der Gründung hatte ich Geschäftspartner, die mich kannten und gerne mit mir zusammen arbeiten wollten. Da war es nicht schwierig, für mich persönlich und für meinen Partner Wolf Geldmacher erste Aufträge zu gewinnen.
Erster großer Deal:
Der erste große Deal war sicher, die Etablierung unser Textsystem HIT als von Siemens lizensierte Software zu schaffen. Wir konnten einen großen Behördenkunden überzeugen, dass unser HIT ein ideales Produkt für seine Bedürfnisse sei. Das gelang mit Hilfe von Dr. Peter Schnupp, einem unserer Mentoren.
Als nächstes musste ich die Siemens AG von HIT überzeugen. Ziel war, dass Siemens AG unser Produkt für uns als Standardprodukt anbietet. Wir selbst hätten auch bei der schon überzeugten Behörde als „no name“ Lieferant keine Chance gehabt. Da bei Siemens gerade eine große Entwicklung für ein Textsystem auf UNIX (SINIX) gescheitert war, hat das Zeitfenster ideal gepasst. Ohne unseren Behördenkunden und ohne die ausgezeichnete (Vertrauens)-Beziehung zu den verantwortlichen Entscheidern bei Siemens hätten wir aber auch hier keine Chance gehabt.
Das Ganze war ein vertrieblich sehr fein gesponnenes Husarenstück, wie es wohl nur ganz selten gelingt. Zumindest wundere ich mich auf Basis der heutigen Erfahrung selbst oft, dass das alles so einfach geklappt hat.
Der Rest war „trivial“: Die SINIX-Systeme wurden zum Marktrenner – und unsere Software (fast) immer dabei. Und so konnten wir uns auf die vielen Unix-Systemen anderer Hersteller ausbreiten: Altos, DEC, HP, IBM (AIX), ICL, Kienzle, NIXDORF, SCO … Es war in der Tat eine wunderbare Zeit.
Kundengewinnung und Referenzen:
Die IT-Landschaft war damals doch recht überschaubar. Ich war damals schon 6 Jahre hauptberuflich an der „IT-Front“ und hatte aus besonderen Projekten (DISPOL, SNATCH, START) gute persönliche Referenzen. Für unser Produkt hatten wir freilich keine Referenzen. Das war auch gar nicht möglich, denn dieses existierte ja nur als Spezifikation auf dem Papier. Wir konnten gerade mal einen Prototyp vorführen, der zeigte, wie es aussehen und funktionieren sollte. Unser Glück war, dass es kaum Konkurrenz gab. Unix war ein ganz neues Thema, wir hatten den Vorteil der „grünen Wiese“.
Ein paar zusätzliche Gründe für unseren Erfolg gab es noch: Wir haben die Funktionalität der im Markt befindlichen Technologie von kleinen und großen Anbietern ausführlich untersucht und bewertet. Die im Markt vorhandenen „stand alone“ Text-Computer von Herstellern wie IBM, Kienzle, Nixdorf, Olivetti, Triumph-Adler, Siemens und Wang waren unsere Muster. Auf diesen Systemen haben wir die benötigte Funktionalität identifiziert und gemeinsam mit „echten“ und kompetenten Anwendern optimiert. Das Ergebnis wurde dann mit einer radikal anderen Oberfläche (Unix war als zeichenverarbeitendes System für diese Zwecke tatsächlich revolutionär) implementiert. Weil wir jetzt auf einem „richtigen Rechner“ und keiner Spezial-Hardware für Textgenerierung mehr waren, konnten wir die „alte“ aber völlig neu implementierte Funktionalität der Textgenerierung mit Datenbanken, Kommunikation- und weiteren Office-Bausteinen verbinden. Das war in der Tat genial, so entstand eine ziemlich konkurrenzlose und überzeugende Anwendung. Die ersten Kunden und so die ersten Referenzen kamen schnell. Und auf dem SINIX-Markt hatten wir ja die geballte Vertriebskraft der Siemens AG hinter uns. Zwar bekamen wir dort nur einen bescheidenen Lizenzanteil, mit dem wir allerdings die notwendige und teure Weiterentwicklung des Produktes stabil finanzieren konnten.

Frage:
Meine Frage bezieht sich eher etwas auf den Markt, in dem Sie heute agieren. Dazu würde mich interessieren, wer sind Ihre Kunden und wer ist Ihre Konkurrenz? Teilen Sie sich mit Accenture und T-Systems den Markt oder liegt der Schwerpunkt Ihrer Branche woanders?

Antwort:
Mit den Konkurrenten, die wir am meisten schätzen, sind wir überwiegend befreundet und arbeiten häufig partnerschaftlich zusammen. Da gibt es eine ganze Reihe in München, aber auch in Deutschland oder z.B. in der Schweiz. In der Regel sind das mittelständische IT-Unternehmen.
Unternehmen wie Accenture und T-Systems bieten ähnliche Dienstleistungen an wie wir. Die sind aber von der Größe nicht vergleichbar und haben ein völlig unterschiedliches Marktmodell (go-to-market) und „funktionieren“ (ticken) ganz anders als wir.
Gerade die genannten Unternehmern beziehen auch Dienstleistung von uns, in einem Fall sogar umgekehrt. Von Marktteilung zu sprechen ist da nicht angemessen. Allgemein kann man sagen: Richtig große Projekte wird ein Unternehmen der Größenordnung der InterFace AG nie bekommen. Im Normalfall sitzen da immer die Großen drauf. Und wir beschränken uns auf die Rolle des Zulieferanten.
🙂 Allerdings: Ausnahmen bestätigen die Regel!

Frage:
Wo durch merkten Sie, dass es vermutlich besser für Ihr Unternehmen wäre, sich zu einem Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen zu wandeln? 
Warum und wie haben Sie den Wandel vollzogen – Austausch der Belegschaft?

Antwort:
Das war sehr leicht zu merken. Vor allem durch das Aufkommen neuer Technologien (MS, Windows, World) gingen unsere Lizenzeinnahmen kontinuierlich zurück. Mit Microsoft zu konkurrieren, erschien uns sinnlos. Also haben wir versucht, „elastisch Platz zu machen“.

Frage:
Wie begegnen Sie / die Interface AG der wachsenden Globalisierung konkret? Werden Sie eventuell ähnlich wie SAP den Schritt von Deutschland hin zur Internationalisierung betreten, um in dem immer härter umkämpften IT-Markt bestehen zu können (man schaue auf SAP versus Oracle )?

Antwort:
Wir erwirtschaften zurzeit die Umsätze überwiegend in Deutschland und nutzen auch keine „Near-shore“- oder „Off-shore“-Kapazitäten mehr. Wir glauben, dass sich die günstigen Preise für die Programmierung z.B. in Weißrussland oder Indien aufgrund der höheren Transaktions- und Kollaborationskosten – wenn überhaupt – nur bei sehr großen Projekten lohnen.
So übernehmen wir selbst nur kleine Projekte. Für große Projekte stellen wir Projektleiter, Architekten oder Spezialisten (Qualität, Implementierung oder besondere Werkzeuge) ab, dies auch gerne in Partnerschaft mit einem oder für einen „global player“.
Wir bauen aber Lösungen für lokale Unternehmen im globalen Markt. Deshalb haben wir ein eigenes Tochterunternehmen zur Lokalisierung aufgebaut, das uns – tief integriert im Entwicklungsprozess – bei internationalen Anwendungen unterstützt und hilft, auch in vielen Sprachen sehr schnell liefern zu können.
Zu SAP und Oracle:
Mit SAP haben wir nicht viel zu tun. Das Thema ERP spielt bei uns keine Rolle.
Interessant ist für uns die Übernahme von SUN durch Oracle. Jetzt ist mySql, Java inklusive einer starken SW-Technologie (glass fish), OpenOffice und manches mehr bei Oracle. Das macht Oracle für uns als globalen Partner sehr interessant. Aber ob ganz allgemein die großen (Dell, Google, HP, IBM, Microsoft, Oracle, SAP) langfristig das alles zusammen halten können, was sie zusammen gekauft haben? Ich weiß es und glaube es auch nicht. Wahrscheinlich werden wir da noch große Reiche zerfallen sehen.

Weiter geht es im nächsten Post dann mit Fragen und Antworten zu Mitarbeiterverantwortung.

RMD

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