Projekte ruinieren die Gesundheit eines Unternehmens

Und wahrscheinlich auch die Gesundheit der beteiligten Menschen! Eine Polemik über die Projektkultur.

Im Blog von Jens Hoffmann fand ich vor einiger Zeit einen schönen Beitrag, der den Sinn von Projekten in Frage gestellt hat. Ich zitiere ein paar spannende Sätze aus diesem Artikel:

„Projekte haben sich überlebt. Ihre Tage als Organisationsform sind gezählt. Agile Coaches meinen, Projekte seien ungeeignet, um aktuelle Unternehmensprobleme zu lösen. Sie verhindern die kundenorientierte Wertschöpfung und sind nicht geeignet permanten Wandel wirksam zu steuern. Welche Daseinsberechtigung haben Projekte noch?“

Ich habe den ganzen Artikel mehrfach gelesen und auch fleißig beim Jens im Blog mitkommentiert. Das hat mich inspiriert, diese kleine Polemik zu schreiben:

Sportlicher Erfolg ist vielleicht noch schwerer zu generieren als unternehmerischer. Ich nehme mal das Beispiel „Fußball“. Natürlich ist der „use case“ mein Lieblingsverein, die SpVgg Unterhaching. Und unsere Supermannschaft der Saison 2012/2013, aus deren Heimspielen in der dritten Liga auch die Bilder sind.

Ich versetze mich mal in die Rolle der verantwortlichen Trainer. Wenn sie ihre Arbeit in Form von Projekten gliedern würden, dann „Gute Nacht“. Sie hätten sofort (viel zu) viele Projekte. Mit beliebig vielen Mit- und (Gegen-)streitern, bezahlten wie ehrenamtlichen Mitarbeiter und Berater. Erwünschte (wie Spielereltern) oder unerwünschte (wie Spielereltern).

Gehen wir die Projekte der Reihe nach an: Im Fußball heißt es „nach dem Spiel ist vor dem Spiel“. So wäre das nächste Spiel das priore Projekt. Beginn, Ende und Ziel sind da leicht zu definieren. Das Projekt beginnt nach dem Schlusspfiff des n-ten Spieles und hört auf mit dem Schlusspfiff des (n+1)ten Spieles (n als ein Element der Menge der natürlichen Zahlen). Und das Ziel ist ist ganz einfach zu definieren: Drei Punkte. So einfach sind unsere Projektziele ja meistens nicht.

Die Projektlänge beträgt in der Regel eine Woche. Das passt ja auch gut zu einem Sprint in Scrum. Mannschaft einstellen, Spieler heiß machen und betreuen. Richtiges und Falsches heraus arbeiten, je nach Ausgang des letzten Spieles auf bauen oder runter holen … Videoanalyse, Details anpacken usw.

So das erste Projekt. Es besteht auch gleich wieder aus vielen Teilprojekten. Da muss einiges delegiert und die Ergebnisse integriert werden. Aber noch klingt’s ja  ganz einfach.

Nur – von Spiel zu Spiel denken – wird nicht ausreichen. Es muss sichergestellt werden, dass die Informationen über spätere Gegner konsequent erfasst werden. Das Training muss in vielen Dimensionen systematisiert und variiert werden.

Jeder Spieler stellt (mindestens) ein eigenes Projekt dar. Ganz gleich, ob er Stammspieler ist, die Bank drücken muss oder gar nicht aufgestellt werden kann.

Das innere und das äußere Umfeld muss beachtet, divergierende Interessen ausgeglichen werden. Nebenher muss auch noch der Kader für die nächste Saison zusammen gestellt werden. Die Beobachtung von Jugendspielern und die Sichtung von Talenten in der Region ist zu steuern.

Es werden immer mehr Projekte, die „gemanagt“ werden muss. Und überall gibt es Mitstreiter. Bezahlte und ehrenamtliche, erwünschte (wie z.B. Spielereltern) oder unerwünschte (wie z.B. Spielereltern). Stakeholder ohne Ende. Und viele Besserwisser – nicht nur bei den Fans.

Die Komplexität bei so einem Fußballverein ist enorm. Und jetzt soll mal einer die große Planung machen. Der zwingt das alles in Prozesse und baut dazu ganz klassisch eine mechanistische Organisation auf. Wie lange braucht man dann, bis die Übersicht verloren geht?

Das System „Sport“ hat in sich so viele zusammenhängende und vernetzte Aufgaben. Wenn man die in Projekte gießt, gerät das klassische Projekt Management schnell an seine Grenze. Und das Ziel Aufstieg wird ganz schnell in die Brüche gehen und statt dessen kommt das Abstiegsgespenst ins Stadion.

Für sportlichen Erfolg notwendig ist zuallererst die Kompetenz des handelnden Teams. Möglichst verbunden durch ein tiefes Vertrauensverhältnis und fast blindes Verständnis der Mitmacher. Besonders muss es zwischen den Protagonisten im Club stimmen. Es muss „an einem Strick gezogen“ werden. Jeder muss intuitiv das „Richtige“ entscheiden und tun. Verantwortung muss übernehmen werden. Das im gemeinsamen Streben alles immer besser zu machen und selbst immer besser zu werden. Geeint durch den gemeinsamen großen Wunsch zu gewinnen.

Aber ist das soviel anders als in einem mittelständischen Unternehmen?

RMD

P.S.
🙂 Die schönen Bilder sind natürlich alle von Heimspielen der SpVgg Unterhaching (von woher auch sonst ). Im Sportpark fotografiert hat Stefan Kukral.

P.S.1
Und morgen am Freitag Abend spielen sie wieder – im Sportpark um 19:00 gegen Darmstadt. Unbedingt kommen!

3 Antworten

  1. Im amerikanischen / englischen gibt es ursprünglich deutsche Worte/Begriffe wie „Kindergarten“, „Blitzkrieg“, „Waldsterben“, „Angst“ … Für diese Begriffe gibt es anscheinend im Englischen keine geeignete oder beliebte Übersetzung, so dass man hier deutsche Begriffe zu verwenden scheint.

    Mit „use case“ ist es im Deutschen ähnlich. Die Deutschen nennen Fallbeispiele, die in einer besonderen Art und Weise geeignet sein könnten, einen speziellen Sachverhalt detailliert zu diskutieren, einen „use case“. Anscheinend gibt es dafür kein geeignetes Wort im Deutschen… (siehe oben).

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