RMD – Urlaubstagebuch #25 – Aschermittwochsreflektionen

5. Tag: Sorrento am Morgen

Das Essen gestern Abend war Spitze. Das Ristorante la favorita in Sorrento, CSO Italia 23, erwies sich als wahrer Tempel edler italienischer Esskultur, In den hohen Räumen fand ein kulinarisches Fest statt, ein kollektiver Orgasmus des Genießen. So macht Fasching Spaß.

Heute ist Aschermittwoch. Als Kinder mussten wir Aschermittwoch früh immer mit der Schulklasse in die Kirche und bekamen mit Asche ein Kreuz auf die Stirn gemalt. Ich empfand als Botschaft: Jetzt ist Schluss mit lustig. Und deswegen waren wir immer ein wenig traurig, wenn der Fasching vorbei war.

Die Symbolik der Asche hat mich schon als Kind nicht bedrückt, denn mir war schon früh klar, dass mein Leben erst mit meiner Geburt begonnen hat, deswegen erschien mir der Tod als logische Folge des Lebens. Es ist wie beim Programmieren, ein „begin“ ohne „end“ bringt einen Syntax-Fehler, eine offene Klammer gleich welcher Art „(, [, { oder <“ muss auch wieder geschlossen werden.

Aschermittwoch macht mich trotzdem auch heute noch nachdenklich, Auf unserer wunderschönen Reise sehe ich viel Marodes. Wir sind an großflächigen aufgelassenen Industriegeländen und landwirtschaftlichen Einrichtungen in desolatem Zustand vorbei geradelt. In wunderschönen Lagen haben wir Ruinen von Hotels, Restaurants, Ferienanlagen und -appartments aber auch von ganz normalen Wohnhäusern gesehen. Vorbei ging es an zerfallenen Tankstellen, Werkstätten, Schiffswerften und vielen verrosteten Schiffen. Jedes dieser Objekte hat sicher mal mit großem Tamtam Richtfest gefeiert und viele Jahre seinen Dienst getan. Aber wie bei uns biologischen Lebewesen ist es halt auch in der Welt der Unternehmen und Firmen ein Kommen und Gehen.

An manchen der trostlosen Objekte sahen wir noch ein verrostetes Schild hängen, das uns sagt, dass es zu verkaufen ist. Ab und zu hat der Radler dann Lust, eine besonders schöne Hotelruine zu erwerben und wieder zu beleben. Eine erste Kostenbetrachtung zeigt aber schnell, dass sich so etwas nicht rechnet. Vieles auch in der italienischen Wirtschaft scheint nur zu funktionieren, weil ein Familienbetrieb über Jahre dahinter steht, die Immobilie pflegt und davon halt mehr oder weniger gut lebt.

Aber wenn ich die Ruinen so sehe, dann denke ich auch im wunderschönen Urlaub wieder an die aktuelle Weltwirtschafts- und -finanzkrise. Mir sind auf dieser Fahrt keine Ruinen von Banken und Versicherungen aufgefallen. Die haben es irgendwie immer geschafft. Obwohl mir Industrie, Landwirtschaft und Handel für meine primären Bedürfnisse wichtiger zu sind. In einer Versicherung oder Versicherung habe ich nie nach einem anstrengenden Tag ein gutes Essen und Bett gefunden. Aber Banken und Versicherungen haben ja wie bekannt einen ganz besondere Wertschätzung.

Dabei haben sie sich in den letzten beiden Jahrzehnten in einer einzigartigen Inzucht gegenseitig hoch geschaukelt und dabei viele Jahre üppige Gewinne gemacht, ohne dass ein produktiver Mehrwert geschaffen wurde. Jetzt erfolgt der logische Ausgleich, die akkumulierten Gewinne treten als Verluste auf, denn in der Buchhaltung sind die zentralen Begriffe „Soll und Haben, Aktiva und Passiva“ ähnlich wichtig wie „begin“ und „end“ in der Programmierung. Und Luft bleibt Luft, auch wenn sie „asset-finanziert“ wird.

Die Gewinne der Banken wurden privatisiert und konsumiert. Die Verluste sollen aber über die Aufnahme weiterer Schulden durch den Staat sozialisiert werden.
Das wird so aber nicht funktionieren und die Radler werden deshalb in 10 oder 20 Jahren auch öfters an Ruinen von Bankgebäuden und Versicherungspalästen vorbeifahren und leider noch öfters an vielen zerfallenen Bauten von staatlichen Einrichtungen.

Soweit die Gedanken zum Aschermittwoch. Barbar und ich denken aber heute an so etwas nicht, denn auch am Aschermittwoch scheint in Italien die Sonne und wir treten in die Pedale in Richtung Amalfi auf dieser ganz berühmten Strasse von Sorrento nach Amalfi …

RMD

P.S.
Auch hierzu folgen die Bilder dann später!

Eine Antwort

  1. Dear Roland, I like your thoughts about death and destruction, in connection with ashes. But I am informed that the ashes in „Aschermittwoch“ symbolise cleansing, rather than cremation. Ashes and fat were the main ingredients for manufacturing soap. I find it better to hope that the world’s politics and finances will be cleaned up, than to enjoy their destruction. For a CEO, you seem to have a strange hang towards anarchy. Regards, Chris

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