Selbstzweifel – Kommentar zu den „neuen Werkzeugen“ des Management

Der Artikel unseres „anonymen Gastautors“ Werkzeuge der Neuen Ökonomie hat mich berührt. Wurde dort doch die häufig erlebte Transformation eines „Inhaber-geführten“ Unternehmens in ein am „shareholder value“ orientiertem sehr plastisch beschrieben.

Und überzeugend der Eindruck vermittelt, dass dabei Gesetze der Vernunft und des gesunden Menschenverstandes missachtet und durch ein System von dogmatischen Strukturen ersetzt wird, bei dem Menschen betreffende Entscheidungen determiniert wie einem mechanischen Modell folgend abgeleitet werden. Eine nur zu gut bekannte und oft erlebte Geschichte, die eigentlich immer zum Nachteil aller Beteiligten ausgeht.

Im ersten Reflex habe ich diese Entwicklung spontan bedauert und als schlecht abgetan. Werden da nicht gute Management-Technologien gegen schlechte ausgetauscht? Ist es nicht schade, dass ein menschen-zentriertes System sich in ein systemisches verwandelt?

Mein zweiter Gedanke jedoch war, dass man solch eine Entwicklung vielleicht nicht bewerten und vor allem nicht überbewerten sollte. Welchen Grund gibt es denn überhaupt, dass ein „personen-zentriertes“ Unternehmen länger als zum Beispiel sein Gründer leben soll?

Ist es nicht nur logisch, dass soziale Systeme, die von sterblichen Wesen gebildet und geschaffen werden, genauso sterblich sind wie die, die sie bilden? Und ist diese dogmatische Mechanisierung eines sozialen Systems mit einem ökonomischen Zweck – auch „Unternehmen“ genannt – nicht nur ein vielleicht sogar evolutionär entstandener Versuch, das Leben des vordem Gründer- oder Familienunternehmens wesentlich, ja sozusagen künstlich zu verlängern? Wenn auch – ganz logisch – zu einem hohen Preis?

Vielleicht ist es ganz natürlich, dass Unternehmen nach ein paar Generationen von Menschen und Unternehmen sterben oder in andere Strukturen aufgehen müssen? Weil auch Unternehmen wie alle lebende Organismen halt einen Anfang (die Geburt) und ein Ende (den Tod) haben?

Vielleicht können so Unternehmen ab einer gewissen Größe oder Alters nur dogmatisch und mechanistisch deterministisch geführt werden? Vielleicht kommt jedes Unternehmen nach einer gewissen Zeit an einen Scheidepunkt, an dem es darum geht, entweder dogmatisch wie die Großen zu werden, von einem großen gefressen zu werden oder abzusterben?

Ich persönlich kenne nur ganz wenig Firmen, die mehr als drei Generationen geschafft haben und auch noch zum Beispiel in der 7. Generation ein erfolgreicher und trotzdem sympathischer Mittelständler geblieben sind. Die meisten sind schon weit vorher eingegangen oder übernommen werden. Wobei auch bei der Übernahme immer viel „abstirbt“ und nur wenig des alten Unternehmens erhalten wird.

Und vielleicht kann ein soziales System halt nur dann länger als ein paar Menschengeneration überleben, wenn es sich verselbstständigt, entpersonalisiert und starre Dogmen als handlungsleitende Werte entwickelt. Und es sich dann mit aller Macht und Kraft, die es aufgesammelt hat, durch die Geschichte bewegt?

Vielleicht muss ein Unternehmen tatsächlich sein eigenes Überleben zum obersten Zweck machen, um langfristig überleben zu können. Auch wenn solche soziale Systemen quasi zwangsläufig zu einer faschistoiden Situation führen?

Das Ergebnis meiner Überlegungen ist dann aber doch ein anderes:

Es ist immer schade, wenn biophile, demokratische, selbstorganisierte und -bestimmte soziale Systeme verloren gehen oder sich in mechanistisch-deterministische Systeme verwandeln. Zweiteres mag das Leben des Unternehmens vielleicht verlängern, aber ist nicht gut für die Stakeholder des Unternehmens. Und irgendwann geht es dann doch an seiner eigenen Starrheit zu Grunde.

Insofern macht es Sinn, sich gegen Entpersonalisierung und Ökonomisierung der Prozesse in den Unternehmen zu wehren und so zu versuchen, die Menschenfreundlichkeit in diesen sozialen Systemen zu bewahren. Und so soll man nach meiner Meinung auch bei den Unternehmen versuchen, möglichst lange zu vermeiden, dass diese ihr Überleben zum dominanten (Selbst-)Zweck entwickeln. Sind sie doch auch vor allem für die Menschen da sind, die für sie arbeiten und für die Menschen, denen sie ihre Dienstleistungen und/oder Produkte verkaufen

Wie sagt der Volksmund:
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“
Oder
„Man soll dann aufhören, wenn es am schönsten ist“.

Das hieße freilich, das „Alte“ System zu verändern und aus diesem etwas Neues zu machen, solange dies noch möglich ist, sprich sich das alte noch nicht verselbstständigt hat. Denn dann dürfte es zu spät sein.

Also:
„Love it, change it or leave it!“

RMD

P.S.
Ich hatte das große Glück, Augustinus Heinrich Graf Henckel von Donnersmarck ein paar Mal treffen zu dürfen. Der Prämonstratenser-Chorherr war in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wie Rupert Lay ein bekannter Mangement Trainer und Berater der Chef-Etage der deutschen Industrie. Beide wurden mir als die Menschen bekannt, die den Begriff der Ethik ins Management eingeführt haben.

Augustinus war ein großer Redner, der sich gerne humorvoll als „Lobbyist“ der Kirche bezeichnet hat. Genauso gern hat er darauf hingewiesen hat, dass sein Unternehmen immerhin schon bald 2.000 Jahre überlebt hätte – und er kein zweites kennen würde, dass es so lang geschafft hätte.

Die humorvolle Bemerkung des großen Kirchenmannes könnte bei zynischer Betrachtung aber auch ein Beleg sein, dass Dogmatik und Starrheit wichtig für ein langes Leben eines sozialen Systems sind. Selbst wenn der Unternehmensgründer die Sache ganz anders gesehen hat. Wobei das Unternehmen Kirche natürlich auch mit einer ganz besonderen Ware handelt …

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