Von Moskau nach Peking mit der Bahn! #7 Leben im Zug.

Ein Reisebericht der anderen Art (7).

Unser zu Hause auf Schienen.

In dieser Folge berichte ich von unserem Leben im Schlafwagen. Dass das Leben im Zug nicht ganz einfach ist, war mir vor Reiseantritt bewusst.

Wenn ich auf diese  Art und Weise zu reisen die Nacht auf den Strecken von München nach Amsterdam, Berlin, Budapest, Dortmund, Rom, Stralsund oder Venedig oder irgendwo anders in der Welt verbracht habe, dann war das ein Abenteuer. Mehrere solche Strecken am Stück werden aber durchaus zur Anstrengung.

Schlafen.

Wir haben insgesamt 11 Nächte im Schlafwagen verbracht, unterbrochen von zwei Übernachtungen „auswärts“, eine davon im Hotel in Irkutsk, die andere in einer Jurte in der „mongolischen“ Schweiz in der Nähe von Ulaan Baatar. Das ist dann schon ein Abenteuer und eine heftige Anstrengung.

Die russischen Schienen sind nicht leiser als die deutschen. So machen die Schlafwagen auch hier ganz schön Lärm. Es sind die üblichen Störungen wie unregelmäßiges Schütteln, plötzliche Schläge, laute Durchsagen auf Bahnhöfen und ähnliches, die dem Reisenden einen Teil seines Schlafes rauben.

Da auch unsere beiden „Einzelbetten“ im Schlafwagen schmal sind schläft man in der Nacht nicht so richtig gut. Aufgrund des strengen Zeitplan findet man auch tagsüber nie so richtig Zeit zum Relaxen und Chillen. So sammelten wir ein Schlafdefizit auf, welches täglich ein wenig größer wurde und das wir in den beiden Übernachtungen „an Land“ nicht ausgleichen konnten.

Erschwerend kam die Zeitverschiebung dazu. Im Sommer beträgt der Zeitunterschied zwischen München und China 6 Stunden. Das heißt, wenn es in Deutschland Mitternacht schlägt, haben wir hier 6 Uhr am Morgen.

Die erste  Stunde „arbeiteten“ wir schon auf der Anreise nach Moskau ab. So blieben 5 Stunden übrig, für die wir die Uhr im Zug zweimal je 2 Stunden und einmal eine Stunde vorstellen mussten. Dies erhöhte das Schlafdefizit weiter. Ich neige dazu, zu empfehlen die Reise in die andere Richtung zu übernehmen. Dann bekommt man 5 Stunden in die richtige Richtung geschenkt. Oder man muss – wie wir – auf jeden in China einen Erholungsurlaub nach Ankunft planen.

Speisen.

Der Speisewagen sieht schön aus, ist aber ein wenig eng.

Es gab drei Mahlzeiten im Zug, Frühstück, Mittag- und Abendessen. Das Glück war, dass alle drei Mahlzeiten in einer Schicht eingenommen werden konnten. So waren alle Plätze in den vier Speisewagen immer besetzt.

Das Frühstück bestand aus einem reichhaltigen Buffet. Dazu gab es jeden Morgen warmen russischen Haferbrei und jeden Tag ein anderes Extra. Das waren beispielsweise Spiegeleier, Würstchen, Omeletts – jeden Tag etwas anderes. Haferbrei wie das Extra wurden am Tisch serviert.

Mittag- und Abendessen waren sich ähnlich. Es waren immer mindestens 4 Gänge. Ein frischer Salat war immer dabei, oft dazu eine Suppe, ein Hauptgericht mit Fisch oder Fleisch und ein Dessert. Ab und zu gab es auch Extras wie den Kaviar bei der Edelfischplatte oder auch nur Wodka.

Jeder Speisewagen hatte drei Bedienungen. So war der Service im war immer akkurat und zuvorkommend. Zu jeder Mahlzeit gab es Tee, Kaffee und Wasser. Die Preise für die sonstigen Getränke waren zivil. So kostete eine Flasche lokalen Weins 15 €, das große Bier 2,50 € und der Krimsekt sogar nur 12 €.

Unterhaltung.

Alle Kabinen verfügten über ein „Bordradio“. Über dieses kamen interessante und unterhaltsame Vorträge des Gesamt-Reiseleiters, die sich meistens mit den nächsten Reisezielen beschäftigten. Das ganze in den drei Sprachen deutsch, englisch und französisch. Weitere gab es unterhaltsame Treffen im Speisewagen wie die Einladung zur Zarentafel oder zum Wodka-Tasting. Immer mit spannenden Geschichten von Valeri zur russischen Kultur.

Ein besonderes Highlight war ein Abend-Picknick mit Party direkt am Zug – am Ufer des Baikal-Sees.

Zusammenleben.

Der Zarengold-Express ist ein Zug der offenen Türen. Dies, obwohl der ganze Zug für alle Passagiere zugänglich ist. Das heißt, auch die Wagen der teuren Klassen konnten von den Passagieren aus den preiswerten Klassen betreten und besichtigt werden.

Die Abteile konnte man nur von innen verriegeln – um nächtliche Störungen zu vermeiden. Von außen war kein Abteil absperrbar. Mir hat diese Form der Vertrauenskultur gut gefallen. Wenn man zum Essen ging, ließ man das Abteil offen und konnte sicher sein, dass man es beim Zurückkommen im aufgeräumten Zustand vorgefunden hat. Dafür hat dann immer eine der beiden Schaffnerinnen je Wagen gesorgt.

Kommunikation.

Für mich als Bürger der BRD und häufiger Nutzer der Deutschen Bahn (DB) war das eine große Überraschung: Zwar hatten die alten Wagen des Zarengold-Expresses kein WLAN an Board. Die Barbara hatte sich aber noch am Flughafen in Moskau eine SIM-Karte für die russische Föderation (Flatrate für zwei Wochen zu 20 €) gekauft. Ich war zugegebener Weise skeptisch, ob das viel bringen würde. Aber ich sollte eines Besseren belehrt werden.

Wir hatten dann die ganze Strecke auf der transibirischen Route und weiter bis zur Mongolei (fast 5.000 km) eine relativ gute Verbindung ins Internet. Über „thethering“ (WLAN-Hotsspot realisiert durch Barbaras Mobiltelefon) profitierte ich auch davon. Vor lauter Sightseeing, Essen und aus dem Fenster raus schauen, habe ich das aber gar nicht nutzen können.

Die gute Netzversorgung hätte ich nicht erwartet, benutze ich in Deutschland doch häufig die Bahnstrecken von München nach Innsbruck/Rosenheim, Lindau, Nürnberg und Stuttgart. Oder auch nur die S-Bahn zum Flughafen. Allesamt kurze Strecken in bevölkerungsreichen Gebieten. Auf denen Du dann einen wesentlichen Teil der Strecke ohne jede Verbindung bist.

Im dünn besiedelten Sibirien habe ich auf der Transib über Tausende von Kilometern ein relativ gutes Netz. Für mich erstaunlich bis sensationell. Da sehen wir wieder, wie sehr wir in Deutschland technologisch den Anschluss an die Welt verloren haben. Später bei unserer Ankunft in China sollten wir das dann so richtig erleben.

Allgemein

Im Zug zu reisen mag anstrengend sein. Sibirien ist aber am besten mit dem Zug zu entdecken. So wie man die Südsee-Inseln oder die Karibik am besten mit dem Schiff kennen lernen kann.

Alleine schon die vielen meditativen Blicke aus dem Fenster sich ein toller Ausgleich für die Unbequemlichkeiten.

RMD

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2 Antworten

  1. Hallo Roland,
    Danke für den bisherigen Bericht, der, wie immer, wenn ein Vielreisender schreibt, recht interessant ist. Das ist ‚mal eine „Vielfalt“ nach meinem Geschmack.

    In einem Punkt tun Sie Deutschland unrecht:
    Unsere Mobilfunkversorgung ist recht gut, aber nicht ganz so gut wie die hervorragende elektromagnetische Abschirmung durch die in deutschen Zügen üblichen metallbedampften Fensterscheiben.
    Nun sind in vielen Zügen Mobilfunkrepeater eingebaut, die aber nur CSD oder EDGE unterstützen.
    Ärgerlich dabei: Selbst wenn Sie einmal 4G – Empfang haben, dann „lenkt“ die hohe Feldstärke des Repeatersignals den Mobilfunkempfänger zurück auf „EDGE“

    Es gibt noch andere, subtile Effekte:
    Aufgrund der sehr hohen Feldstärke des Repeatersignals, „Aha, die Antenne ist in unmittelbarer Nähe und justiert den ‚Time Advance Value‘ gegen Null — mit der Folge,
    daß ein gesndetes Signal viel zu spät bei der Antenne ankommt.

    Manchmal tut es eine einfache Glasscheibe auch!

  2. Gestern vom Flughafen zum Ostbahnhof (München) hatten wir zirka ein Drittel des Weges in der S-Bahn auch keinen mobilen Empfang. Die erste fuhr gar nicht los weil defekt. Dann war ein großes Chaos. Und die Chinesen könnten ihre Tickets nicht kaufen, weil sie nur einen 50-Euro-Schein hatten. Die Automaten wollten aber nur maximal 20-Euro-Scheine fressen.

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