Der Tod als Management Tool.

Von six
8Kommentare

Jetzt also Tim Cook.
Der erste große Auftritt des neuen Apple-Chefs.
Quälend lang.
Lange Gesichter.

Das neue iPhone ist eine Verbesserung,
aber kein großer Wurf.

Das war bei Steve Jobs anders.
Drei ganz große Würfe hintereinander:
iPod. iPhone. iPad.

„Mir bewusst zu machen, dass ich bald tot
sein werde, ist das wichtigste Instrument, das ich je
besaß, um wichtige Entscheidungen zu treffen.“

Das sagte Steve Jobs vor Jahren, bereits gezeichnet
vom Krebs, zum Hauptantrieb seines Schaffens.

Und weiter:

„Sich der eigenen Sterblichkeit bewusst zu
sein, ist der beste Weg, nicht in die Falle zu tappen,
dass man etwas zu verlieren hätte. Du bist schon nackt.“

Ist Carpe Mortem das bessere Carpe Diem?

Die radikale Idee im Angesicht des Todes
besser als die nur fleißige Tagesarbeit?

Wer die Zahlen von Apple bis zum Rücktritt von Steve Jobs
im August betrachtet, könnte zu einem klaren Ja kommen.
Die Nebenwirkungen seines Erfolgs sind aber auch beachtlich.
Ein kastriertes Management, die Abhängigkeit von seinem
Verkaufsgenie – und vor allem seiner Methode.

Dürfen dann nur noch Todgeweihte Topmanager werden?
Oder lässt sich das Carpe Mortem simulieren?
Ist die Radikalität einer Idee, ihr Alles-Oder-Nichts-Charakter,
überhaupt gesellschaftskonform in einer auf Ausgleich und
Kompromisse beruhenden Gemeinschaft?

Der Weg von einer großen Idee zur Ideologie ist nicht weit.
Große Ideen haben etwas tyrannisches, etwas unterwerfendes.
Sie wollen die Herrschaft über den Geist, können Skepsis
ausschalten. Ihr Kontext macht aus kritischen Menschen
fanatische Anhänger. Dafür bezahlen wir in politischen
Systemen im schlimmsten Fall mit dem Leben, bei Apple
höchstens ein paar Hundert Euro zu viel.

Steve Jobs ist ein radikaler Wirtschaftsführer, der vermutlich
unsere heimliche Sehnsucht nach Führern befriedigt hat.
Der Normalfall darf er nicht sein.

SIX

8 Antworten

  1. Ist auch nicht der Normalfall. Das neue Führungsmodell ist eher die Band – die kleine Gruppe Verschworener, sich blind Vertrauender, nahtlos Kooperierender. Das Führungsteam, das sich selbst zusammen findet. (Gilt möglicherwiese auch in der Stufe darüber, also für die frei verbundene Zusammenarbeit von Unternehmen.)
    Im übrigen weiß ja niemand, was Jobs wirklich „erfunden“ hat. Vielleicht hat er vor allem entschieden. Mutig und subjektiv, ohne Marktforschung, Gutachten und Consultants. Er war der Entschlossenste. Wozu man nicht den Tod vor Augen haben muss, hoffe ich. Die Nahtod-Erfahrung von Apple in den 90ern reicht schon aus zu erkennen, dass man oft schon dann etwas besser macht, wenn man es anders macht.
    Führer-Sehnsucht? Telweise. Aber sicherlich auch Sehnsucht nach Personalisierung. Marke + Mensch ist immer stärker als Marke abstrakt. Siehe auch Richard Branson.

  2. Lieber Fritz,

    danke für deinen ausführlichen Kommentar. Deine Beschreibung des neuen Führungsmodells ist ja genau der Paradigmen-Wechsel zwischen der alten und der neuen Markenwelt. Wenn Jobs für den monolithischen Macher stand (genauso wie sein Markenbegriff), dann steht die neue Führungscrew wohl für die Schwarmintelligenz (genauso wie der neue Begriff der kooperativen Marke). Das wird die Marke Apple auf alle Fälle gewaltig ändern. Es war für mich sowieso erstaunlich, warum der autoritäre Knochen Jobs bei der auf Offenheit und Demokratie bedachten Netzgemeinde so beliebt war. Mein Schlusssatz, den Roland moralisch nennt, war in Wahrheit das resignative Anerkennen der neuen Markenwelt. Als Nostalgiker der alten, autoritären Markenwelt konnte ich mich zwar nicht als lupenreinen, aber immerhin die neuen Verhältnisse anerkennenden Netzdemokraten darstellen.

  3. Ich weiß gar nicht, ob er so monolithisch war oder von außen nur so erscheint. Verglichen mit dem Brutalero Larry Elison (guter Freund von Jobs) kommt mir Jobs doch recht zivil vor. Immerhin hat auch Jobs als 2-Mann-Band begonnen. Und für das Herz von Apple, fürs Geräte-Design, hatte er ja seinen Engländer gehabt. So weit ich es überblicke, ist die ganze Computer Technologie jenseits von IBM in Gruppenzusammenhängen entstanden (auch Elison hat mit 2 Kumpanen zusammen angefangen). Wie in einer Band, gibt es immer 1 oder 2 Leader und dann die Bassisten, Klavierspieler und Schlagzeuger im Hintergrund. Hier z.B. die „Grateful Dead“-Look-alikes von Microsoft: http://www.filfre.net/2011/07/microsoft-adventure/
    Deine Frage, wodurch Jobs zu seiner beinahe lbidinös besetzten Beliebtheit kam, ist interessant. Hat vielleicht auch mit Ästhetik zu tun, also mit der Stilistik seiner Auftritte. Während andere Gründer immer mehr zu Schlips-und-Kragen-Geschäftsleuten wurden, trat Jobs sozusagen immer in Arbeitsklamotten auf. Nicht wie ein Berater, sondern wie ein Kreativer. Das war eine schöne Verbindung von Anti-Establishment und „ich bin ein User wie ihr“ – also „approachable“.

  4. Dann bin ich gespannt, wie sich deine Band-Metapher bei Apple nach Jobs zeigt. Wobei ich in meinem langen Leben mehr Band-Leader erlebt habe, die in der Lage waren einen einmaligen, unverkennbaren Stil zu prägen, als Company-Leader. Woran das liegt, das ist wiederum eine eigene Diskussion.

  5. ‚carpe diem‘ *ist* ‚carpe mortem‘.

    Eigentlich haben Wert und Verfügbarkeit ja gar nichts miteinander zu tun, aber dummer- wenn nicht gar perverserweise scheint eine Sache dann plötzlich wertvoller zu sein, wenn sie knapp ist.

    Das gilt auch für Lebenszeit.

    „Meine“ Krebsdiagnose erreichte mich vor zwei Jahren und ich kann den Wahrheitsgehalt der Jobs-Zitate bestätigen.

    Nur so als Beispiel, diverse Nocturnes von Chopin sind früher einfach so an mir vorbeigeplätschert, plötzlich habe ich etwas dabei empfunden. Gleicher Komponist, gleicher Pianist, gleiche Aufnahme, gleiche Musikanlage, gleicher Raum: Eine Diagnose machte hier den himmelweiten Unterschied.

    Verrückt war auch dieses unglaubliche Gefühl von Freiheit als „just a word for nothing left to lose“, das sich ganz kurz nach der Diagnose einstellte.

    Und in der Tat hat sich die stark erhöhte Wahrscheinlichkeit, daß das eigene Leben wesentlich kürzer ausfallen würde als geplant, als hilfreiches Managementtool erwiesen:
    Im Rahmen einer sehr harten Auseinandersetzung mit einem Geschäftpartner habe ich nachgegeben – einfach, um einam bewußt zu erleben, was passieren würde, wenn man das vom Vater mikroprogrammierte Paradigma „Wenn Dir jemand sagt, ‚entweder – oder‘, dann sag‘ ‚ODER'“ einmal durchbricht.

    Das Ergebnis war erstaunlich, wir haben am Freitag in Grünwald unsere bisherige Zusammenarbeit beendet und eine neue, andere begonnen.

    Das spielte sicherlich auch die Überlegung eine Rolle, daß der Leitsatz, „Man sieht sich immer zweimal im Leben“, auch nur eine zeitlich begrenzte Gültigkeit hat.

    Vielleicht ist es Zufall, aber dieses Jahr ist das erfolgreichste meines Lebens.

    Und auch das Schönste: Was ich früher mit Alkohol nur temporär und nebenwirkungsbehaftet erreicht habe, nämlich daß die Welt um mich herum emotional ‚farbiger‘ wurde, stellte sich durch den plötzlich qua Knappheit gestiegenen Wert der Lebenszeit automatisch ein.

    In diesem also ein fröhliches ‚carpe mortem‘ !

    Meinen Namen habe ich abgekürzt, weil einige Kunden in dem Irrglauben, sie könnten dank Jobs‘ Wunderwerken „das Internet bedienen“, mich mit dieser Äußerung nicht finden sollen – denn niemand hierzulande möchte mit einem kranken Mann arbeiten.

    Gruß HB

  6. Danke H.B. für Ihre sehr persönliche Schilderung. Unter diesem starken Eindruck frage ich mich, wie wir, statt den Tod zu tabuisieren, zu einer lebensbejahenden Auseinandersetzung mit ihm kämen.

  7. Dieser Artikel verdient eine viel breitere Tribüne, als sie der IF-blog bieten kann. Die Kommentare von Fritz und HB sind der Qualität des Originals angemessen. Besonders die ergreifende Erfahrung von HB.

    Beeindruckend!!!

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