Benötigen wir angesichts der Finanzkrise eine neue Moral in Wirtschaft und Politik?

Von udp
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Die Ereignisse der letzten Monate, die in den letzten Wochen Panik, Hysterie und Angst in der Finanzwirtschaft ausgelöst haben, animieren immer mehr Menschen zu der Aussage: „Manager sind gierig, korrupt und völlig abgehoben, ohne Anstand, Moral und Sittlichkeit. Brauchen wir also eine neue Moral in Wirtschaft und Politik? Die Antwort ist einfach: nein, wir benötigen keine neue Moral in Wirtschaft und Politik. Was wir benötigen, ist nur mehr Bereitschaft, sich an Moral und Ethik auch zu halten. Was wir allerdings auch benötigen, ist mehr Kompetenz in Sachen Ethik und Moral.

Denn es sieht nicht gut aus. Schon 2004 hielten laut einer Umfrage des Emnid Instituts für das world Economic Forum 70 Prozent der Deutschen Konzernchefs für unehrlich und stuften das Verhalten als unethisch ein. 80 Prozent der Deutschen halten Konzernchefs für zu mächtig.

Im Vergleich dazu halten nur 22 Prozent der Franzosen deren Wirtschaftsführer für unehrlich. Bei den Engländern sind es 42 Prozent, bei dem Amerikanern 37 Prozent, in Japan 47 Prozent. Wir schießen also den Vogel ab.

Nach einer Untersuchung von Ulich/Lunau/Weber von 1998 besteht zwar in Unternehmen eine stärkere Sensibilisierung für den Sinn und die Notwendigkeit ethisch gerechtfertigten Handelns, eine konsequente Umsetzung in einzelne, Ethik sichernde Maßnahmen steht aber auf breiter Front noch aus. Das betrifft mögliche Instrumente, wie Moralbilanzen, Ethik-Kommissionen oder Moralbeauftragte, Sanktionsrepertoires oder umfassende Ethik-Trainings.

Der sorglose Umgang mit Ethik wird sich wahrscheinlich erst dann nachhaltig ändern, wenn Unternehmen klar wird, dass für 70 % aller europäischen Kunden das soziale Engagement eines Unternehmens die Kaufentscheidung beeinflusst.

Nur fachliche Qualifikation reicht nicht.

Ein hilfreicher Schritt dazu beginnt bereits bei der Personalauswahl. Wer macht in einem Unternehmen Karriere? Manager werden überwiegend nach fachlicher Qualifikation ausgesucht. Ich fordere hier ein Umdenken. Neben der fachlichen Qualifikation ist unbedingt die soziale und ethische Qualifikation zu berücksichtigen. Soziale Qualifikation meint, ein Vertrauensklima herstellen zu können. Ethische Qualifikation bedeutet, kompetent in der Lage zu sein, ein Wertesystem zu implementieren, das nicht nur auf Hochglanzbroschüren gedruckt wird, sondern vorgelebt wird. Ethische Qualifikation bedeutet für mich auch, entscheidungskompetent zu sein. Wenn ich mir allerdings anschaue, wie viele meetings erforderlich sind, und wie viel Zeit investiert wird, um Entscheidungen zu fällen, die sich dann als falsch herausstellen, wird mir manchmal Angst und bange. Dabei ist es eigentlich nicht so schwer, zu sinnvollen Entscheidungen zu kommen. Die griechische und römische Dialektik hat dazu alle Methoden entwickelt, die man nur konsequent lernen und anwenden sollte.

Damit wäre mein Artikel eigentlich schon beendet, wenn es denn so einfach wäre. Aber wir sind alle Kinder dieser Gesellschaft. Auch Wirtschaftsführer und Politiker sind Kinder dieser Gesellschaft. Leider steht es damit nicht immer zum Besten.

Die Politik will aufgrund der Finanzkrise endlich die Gehälter der Vorstände auf 500.000 Euro begrenzen. Und wenige Wochen vor der Finanzkrise haben verschiedene Regierungen Europas die steuerliche Absetzfähigkeit von Managergehältern auf eine Million Euro begrenzen wollen. Ich werde im Laufe meiner Ausführungen noch detailliert darauf eingehen.

Interessant an allen diesen Vorwürfen ist, dass sie nicht in ökonomischen oder betriebswirtschaftlichen Kategorien argumentieren, sondern in moralischen. Moral ist seit Cicero nichts anderes als der Normenkatalog einer Gesellschaft, der die Sozialverträglichkeit sichert. Für mich greift aber Moral hier zu kurz. Warum? Weil jede Gesellschaft eine andere Moral entwickelt, jede Gesellschaft die soziale Verträglichkeit anders sichert. Die Franzosen halten andere Dinge für moralisch gerechtfertigt, als die Italiener, die Inder, die Griechen oder die Deutschen. Die Frage der Managergehälter ist jedoch mittlerweile eine internationale, ja globale Frage geworden. Und die lässt sich nicht mehr über moralische Kategorien beantworten, sondern wahrscheinlich nur noch über eine ethische Komponente, die über enge, gesellschaftliche Grenzen hinaus geht. Daher möchte ich die Diskussion um Ethik erweitern, also um die Wissenschaft, die gesellschaftsunabhängig hohe zu schützende Güter entwickelt und prüft, inwieweit Handlungen geeignet sind, diese hohen Güter auch zu schützen. Denn im Kern geht es bei den Managergehältern um Gerechtigkeit – eine der Kernfragen der Ethik.

Die öffentliche Diskussion zeigt vor allem Eines: Dass es uns an geeigneten Maßstäben fehlt, um zu beurteilen, ob ein Lohn gerecht ist oder nicht. Das Problem wird sich jedenfalls nicht dadurch lösen lassen, dass Managergehälter sich daran gemessen werden, ob bestimmte Bevölkerungsgruppen damit einverstanden sind oder nicht.

Gerechtigkeit und Entlohnung – passt das zusammen?

Schon in der Antike war die Frage der Gerechtigkeit Gegenstand intensiver philosophischer Debatten. Aristoteles zum Beispiel vertrat in seiner ‚Nikomachischen Ethik’ eine Tugendethik, in der das „Rechte“ dann getan war, wenn ein für die Gesellschaft gemeinsames Gut verwirklicht wurde. Gerechtigkeit war für ihn die vornehmste aller Tugenden. Der Fachbegriff dafür war die Eudaimonia. Ein Bürger konnte seiner Meinung nach nur dann diese Eudaimonia erreichen, wenn er das Wohl der anderen Bürger mehrte. Interessanterweise war für Aristoteles nicht der Staat für das Wohl der Menschen verantwortlich, sondern der Bürger selbst. Aristoteles hätte also wahrscheinlich nicht nach der Höhe der Managergehälter gefragt, sondern sich gefragt, was Manager unternehmen, um das Wohl der anderen Bürger zu optimieren. In Unternehmen heißt das heute „corporate social responsibility“. Aristoteles hätte sich also nicht mit der Höhe eines Managergehaltes befasst, sondern mit seiner Ursache.

Soziale Gerechtigkeit

Auch die soziale Gerechtigkeit wird bemüht, wenn es um die Angemessenheit der Managerentlohnung geht. Unter der Überschrift ‚Soziale Gerechtigkeit’ geißelten in ‚Der Tagesspiegel’ wichtige Kirchenführer wie der Münchner Erzbischof Reinhard Marx oder Hannovers Landesbischöfin Margot Käßmann Managergehälter als ‚pervers’.

Also lassen Sie uns einmal schauen, ob Managergehälter über die soziale Gerechtigkeit abgeprüft werden können.

Das Problem der sozialen Gerechtigkeit ist, dass uns eine verbindliche oder noch besser konsensuelle Definition fehlt. Vielleicht ist das Dilemma entstanden durch den Artikel 20 unseres Grundgesetztes. Darin heißt es u. A.: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Leider fehlt im Anschluss eine saubere Definition, was denn ein Sozialstaat ist. Das Einzige, was wir in der Verfassung wieder finden ist, dass wir keine sozialen Ansprüche an den Staat geltend machen können, wenn es um Verteilungsgerechtigkeit geht. Soziale Gerechtigkeit will zwar jeder, jedoch lässt sie sich per Staatsdekret nicht herstellen. Auch die Idee einer Umverteilung hilft hier nicht wirklich weiter.

So war es denn auch der Wirtschaftsnobelpreisträger F.A. von Hayek, der die vom Sozialstaat vorgenommene Umverteilung von erwirtschafteten Geldmengen aus drei Gründen für Falsch hielt.

1. Er war der Überzeugung, dass der Markt (und damit auch den Arbeitsmarkt) zu einer spontane Ordnung in der Gesellschaft’ führt. Das wiederum würde zu einer eigenen Moral führen. Und er meinte: „Diese Moralregeln übersteigen die Fähigkeiten der Vernunft.“ Daraus folgerte er, man dürfe sie durch Politik nicht korrigieren. Von Hayek war ebenfalls

2. der Überzeugung, die Marktergebnisse, also damit auch die Höhe von Gehältern ergäben sich aus nichtbeabsichtigten, individuellen Handlungen. Somit entziehen sie sich letztlich einer gerechtigkeitstheoretischen Bewertung.

3. Zum Dritten war von Hayek der Überzeugung, dass nicht wenige Erfolge der Vergangenheit nur dadurch möglich waren, dass Manager nicht in der Lage waren, das gesellschaftliche Leben bewusst zu steuern. Diese drei Argumente führten für von Hayek zu einer klaren Ablehnung einer staatlichen Korrektur bei den Einkommensverhältnissen. Er war für Rechtsgleichheit einerseits und Vertragsfreiheit andererseits. Eine wie auch immer geartete Obergrenze bei Gehältern gab es für von Hayek nicht. Als einzige soziale Maßnahme empfahl er eine transfergestützte Minimalsicherung. Diese wiederum findet sich bereits in Artikel 20 des Grundgesetzes wieder.

Verliert unsere soziale Marktwirtschaft das „Soziale“ durch die Finanzkrise?

Was bedeutet das konkret für die Entlohnungsfrage? Es bedeutet, wer von sozialer Gerechtigkeit spricht, wenn es um Managerbezüge geht, wählt einen völlig ungeeigneten Begriff. Selbst Karl Marx hat schon 1875 gefordert: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“

Zunächst benötigen wir eine soziale Marktwirtschaft, die auch menschliche Züge besitzt. Für mich bedeutet menschliche Marktwirtschaft die Fähigkeit, das sozialverträgliche Miteinander und das wirtschaftliche Handeln in Einklang zu halten. Es darf nicht sein, dass wir versuchen, ein soziales Miteinander zu ermöglichen und keinen wirtschaftlichen Erfolg mehr haben. Und es darf genauso wenig sein, dass wir alles dem wirtschaftlichen Erfolg unterordnen und das Miteinander auf der Strecke bleibt. Erinnern möchte ich hier an Ludwig Erhardt, der formulierte „Je freier die Wirtschaft, umso sozialer ist sie auch“. Das Soziale wollen alle, denn schon in unserem Grundgesetz heißt es im Artikel 20: „Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Allerdings haben die Gründungsväter vergessen zu definieren, was sie unter sozial verstehen. Also lässt sich Soziale Gerechtigkeit per Staatsdekret nicht herstellen. Auch der SPIEGEL stellte fest, ‚der Sozialstaat deutscher Prägung’ sei ‚zum Monstrum geworden, das an seiner eigenen Größe zu ersticken’ drohe. Der SPIEGEL kam sogar zu der Überzeugung, dass unser Sozialstaat ‚zutiefst ungerecht’ sei ‚weil er seine Leistungen oft willkürlich und nicht selten an den wirklich Bedürftigen vorbei’ verteile. Die öffentliche Diskussion zeigt also, dass wir anscheinend keinerlei Maßstäbe für die gerechte Bedienung des Kapitals und die gerechte Bedienung der Arbeit haben.

Die gerechte Bezahlung der Arbeit hängt für mich zunächst von der Wertschöpfung ab, die nicht immer leicht zu ermitteln ist. Gleichzeitig kann der Beitrag zur Wertsteigerung des Unternehmens eine Rolle spielen. In der öffentlichen Diskussion wird dieser Unterschied nicht gemacht, ist jedoch für die moralische und ethische Bewertung erheblich.

Ist die Wertsteigerung als Grundlage von Entlohnungen ethisch gerechtfertigt?

Nach den Regeln für die Vergütung vieler Spitzenmanager sind ein Großteil der Bezüge an die Eigenkapitalrendite und den Aktienkurs geknüpft. Nun sollte man zur ethischen Bewertung der Managergehälter wissen, dass das Kapital eines Unternehmens nicht wertschöpfend, sondern wertsteigernd ist. Der Aktienkurs und der Bilanzgewinn sind wertsteigernd. Wertschöpfend sind die Arbeit, das Wissen der Mitarbeiter, die Mobilität und auch die Unternehmenskultur. Die Wertschöpfung geschieht eben nicht durch das Kapital, sondern durch Menschen. Kapital ist eine reine Produktionsbedingung. Das spricht sicher nicht gegen eine gerechte Bedienung des Kapitals.

Die strategische wichtigste Aufgabe eines Managers ist es, die nachhaltige Existenz des Unternehmens zu sichern. In aller Regel geschieht dies durch Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Hierzu gibt es verschiedene Ansätze, z. B. Kostensenkung, Eintritt in neue Märkte (Internationalisierung) oder durch neue Produkte oder Produktionsverfahren (Innovation). Die Auswirkungen der meisten Maßnahmen in diesem Umfeld sind zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung betriebswirtschaftlich nicht messbar, trotzdem sind sie vergütungsrelevant. Der Anspruch, den Unternehmenswert zu steigern, (und die Vergütung hieran zu koppeln) kommt diesem Anspruch sicher am nächsten. Der Unternehmenswert ist aber letztlich nur bei einem Verkauf zweifelsfrei zu bestimmen. Und dieses Ereignis ist in aller Regel nicht Zielsetzung des Gesellschafters.

Hier kommen wir zur Frage, inwieweit die Shareholder Value-Orientierung Basis von Entlohnung eines Managers sein darf. Die Shareholder Value-Orientierung ist dann und nur dann als Entlohnungsbasis kontraproduktiv, wenn der Eigentümer ein Interesse an hohen Ausschüttungen, und nicht an einer Mehrung des Ererbten zum Beispiel, besitzt. Microsoft hat zum Beispiel nahezu 20 Jahre lang keine großen Ausschüttungen getätigt. Trotzdem konnten die Shareholder sicher sein, dass der im Unternehmen verbleibende Bilanzgewinn dort zu einer größeren Substanzmehrung führen würde als auf ihren Bankkonten. Unbedenklich und auch objektiv wäre also eine Orientierung der Managergehälter am Aktienkurs, als der Wertsteigerung, wenn der Börsenkurs einem objektiven Unternehmenswert auf Basis der Wertschöpfung entsprechen würde. Leider beginnt das Problem schon bei der Erwartung von Wertschöpfung. Die Börse ist eben zu großem Teil Psychologie und nicht Abbild betriebswirtschaftlicher Realität. Hinzu kommt, dass Marktumfeld, Konjunktur und Unternehmens-(d.h. Risiko-)Struktur die Bewertung deutlich beeinflussen – und eben nicht die jeweilige Management-Leistung. Und an dieser Stelle wird die gegenwärtige Praxis, die variablen Gehaltsbestandteile von Managern an Börsenkursen (ggf. in Form von Optionen) zu bemessen, durchaus sehr fragwürdig. Gegenstand wird dann nicht die tatsächliche Verbesserung der Wettbewerbsstärke, sondern das Spiel auf der Klaviatur der Börse. Ein besonders extremes Beispiel ist sicher der Optionsgewinn von Herrn Schrempp bei der DaimlerChrysler AG in Höhe von 50 Mio. €, der im Kern darauf beruht, dass Herr Zetsche die Schrempp’schen Entscheidungen rückgängig gemacht hat!

Selbst die Wertschöpfung scheint mir als Grundlage für die Besoldung eines Vorstandes eher ungeeignet zu sein. Vorstände tragen in der Regel zur Wertschöpfung nicht bei. Die Wertschöpfung eines Unternehmens lässt sich durch die Entstehungsrechnung und die Verteilungsrechnung, die beide zu dem gleichen Ergebnis führen, ermitteln. Die Entstehungsrechnung ergibt sich aus der Gesamtleistung abzüglich der Vorleistung. Sie ist also ungefähr (!) identisch mit dem Betrag, der der Nettoumsatzsteuer zugrunde liegt. Die Verteilungsrechnung ist die Summe der Arbeitseinkommen (inkl. der Managergehälter), der Kapitaleinkommen (Fremd- und Eigenkapital) und der Gemeineinkommen (Steuern). Die Arbeitnehmereinkommen sind also immer Bestandteil der Wertschöpfung, die Vorstandsbezüge im Allgemeinen nicht. Man kann – unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten – trefflich darüber streiten, ob Arbeits- und Kapitaleinkommen in einem angemessenen Verhältnis zu einander stehen. Mir ist keine Theorie bekannt, die hierzu sinnvolle Aussagen enthält. Auch die Produktions- und Kostentheorie ist hierzu nicht in der Lage. Die Wertschöpfung als Beurteilungsmaßstab muss also aus der Debatte ausscheiden. In der aktuellen sozialpolitischen Debatte stoßen nicht zwei Grundhaltungen, sondern zwei Denkweisen aufeinander. Einerseits wirtschaftswissenschaftliche Argumente und andererseits subjektive Vorstellungen über Gerechtigkeit, was einen Konsens natürlich verhindert. Es sei denn, man ist bereit ideologisches Denken zu akzeptieren.

Bleibt die Frage nach einer Moral im Allgemeinen und in der Wirtschaft im Besonderen. Oft wird die Moral gegen gehaltvolle wirtschaftswissenschaftliche Aussagen gebraucht. Man sollte sich aber bewusst sein, dass unsere Moralvorstellungen im Detail so verschieden sind wie unser genetischer Fingerabdruck und dass es weder in der Wissenschaft noch in der Moral den archimedischen Punkt der Erkenntnis gibt.

Jean Babtiste Say hat schon im letzten Jahrhundert geschrieben, dass die Interessen des Kapitaleigners und die Interessen des Unternehmens, vertreten durch das Management, völlig andere sind. Das Unternehmen will den Unternehmenswert verbessern. Und der Kapitaleigner will eine möglichst hohe Rendite auf das eingeschossene Kapital. Nach dem Sayschen Prinzip widersprechen die Interessen des Eigners den Interessen des Unternehmens. Dieser Widerspruch sollte sich auch im Managergehalt wiederfinden. Manager sind dazu angetreten, zunächst einmal den Unternehmenswert zu steigern, und nicht den Aktienwert.

Ein Unternehmen, das sich ausschließlich am „shareholder value“ ausrichtet, hat sich auch auch betriebswirtschaftlich nicht richtig organisiert. Es kommt darauf an, sowohl den Faktor Arbeit, also auch das Kapital gerecht zu bedienen. Und damit mussen sich Manager fragen lassen, inwieweit ihr Beitrag zur Wertsteigerung durch einen Beitrag zur Wertschöpfung zustande gekommen ist.

Ist die Entlohnung von Spitzenmanagern wertschöpfungsgerecht?

Entscheidend ist zunächst die Nachfrage, die über den Wert bestimmt. Das wäre dann die Marktgerechtigkeit. Diese ist mit Sicherheit die am wenigsten anfechtbare Methode, da sie sich – bei ausreichender Zahl der Lohnempfänger – genau an dem Maßstab der Wertschöpfung bzw. an einer Beteiligung am Zusatzgewinn orientieren wird. Betriebswirtschaftlich sicher einwandfrei.

Aber auch dies wird bei Spitzenmanagern aus zwei Gründen wiederum fragwürdig. Zunächst drängt sich der Eindruck auf, dass sich hier eine „Clique“ aus Aufsichtsräten und Spitzenvorständen gegenseitig versorgt. Die enormen Gehaltssteigerungen werden des Weiteren mit dem internationalen Vergleich (insbesondere den USA) begründet. Und dort werden die hohen Gehälter wiederum mit den Bewertungen des Kapitalmarkts begründet: Unternehmen werden quasi als Ware betrachtet und die Aufgabe des Managers besteht dann darin, an diesem Maßstab quasi wertsteigernd (und tatsächlich eben nicht -schöpfend) tätig zu werden. Für diesen Konflikt sehe ich bisher keine Lösung. Nur die Hoffnung, dass sich diese Auswüchse (d.h. der Einfluss der Kapitalmärkte) auch wieder beruhigen und das Management nach echter Leistung – und das heißt nachhaltiger Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit – bewertet wird. Wofür es leider bisher keine vernünftige betriebswirtschaftliche Maßzahl gibt.

Die Deckelung der Managergehälter

Viele rufen derzeit nach einer Deckelung der Managergehälter. Als Grund werden Unterschiede angeführt, die allenfalls auf maximal 500 Vorstände zutreffen. Es ist richtig, dass Herr Ackermann 285mal mehr als ein durchschnittlicher Bankangestellter verdient. Aber eine Deckelung sollte nicht nur Emotionen bedienen, sondern gerechtfertigt sein. Hier spielen Habgier und Neid eine Rolle. Unseren Spitzenmanagern wird Habgier vorgeworfen, sie werden sich vielleicht mit einem Neidvorwurf verteidigen. Das Problem bei allem ist: Wie soll eine Vergütung nach oben abgegrenzt werden?

Und noch Eines: wir sollten uns fragen, ob die Vielzahl der Vorwürfe überhaupt zutreffen oder berechtigt oder unzutreffend und unberechtigt sind.

Zu solchen Vorwürfen gehört zum Beispiel, dass die Bezüge nur durch Klüngelei zustande gekommen seien. Der Vorwurf wird von nicht wenigen Gewerkschaftlern gemacht. Dabei sitzen jedoch Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsräten. Die berühmte Haltung der Gewerkschaften: „Gehalt ist Sache der Kapitaleigner“ hat bisher nur dazu geführt, dass sich Gewerkschaftler in Aufsichtsräten der Stimme enthalten, wenn es um die Bezüge der Vorstände geht. Mit ihrer Stimme könnten die Gewerkschaftler Einfluss nehmen, sie tun es jedoch nicht. Zumindest von Gewerkschaftsseite ist dieser Vorwurf unberechtigt.

Dann ist immer wieder der Vorwurf zu hören, es gäbe zuwenig Transparenz bei den Bezügen. Dabei hat unsere Justizministerin Brigitte Zypries 2005 ein Gesetz durchgesetzt, das Unternehmen zwingt, die Bezüge der Vorstände und der Aufsichtsräte dezidiert zu veröffentlichen. Allerdings trifft es zu, dass die Sonderleistungen, Aktienoptionen etc. nicht so ohne weiteres ermittelt werden können. Jedes Unternehmen hat ein anderes Berichtswesen. So blickt tatsächlich kaum noch jemand durch, und es ist extrem mühselig, exakt zu ermitteln, was ein Vorstand insgesamt tatsächlich erhält.

Einer der erheblichen Vorwürfe an Unternehmen ist, dass Manager für Ihre Fehler nicht haften müssten und auch noch goldene Handschläge zum Abschied bekommen. Das ist ein Vorwurf, der bisher durchaus eine Teilberechtigung hat. Zwar sieht der Gesetzgeber einen Regress vor, die Aufsichtsräte haben sich bisher jedoch äußerst selten zu einer Schadenersatzforderung durchringen können. Die meisten Manager besitzen eine Versicherung gegen Fehlentscheidungen. Hier hat die Corporate Governance Kommission empfohlen, Manager sollten eine Selbstbeteiligung zahlen, ähnlich der Vollkaskoversicherung beim Auto. Das Hauptproblem ist, dass der Untreueparagraph in unserem Strafgesetzbuch so schwammig ist.

Die aktuelle Diskussion über die Begrenzung der Managergehälter lässt eine Frage zu: Wer heuchelt mehr?

Berthold Brecht hat einmal gemeint, „Der wahre Betrüger beraubt keine Bank, er gründet eine Bank.“

Deutsche Bank-Chef Ackermann kann derzeit machen, was er will, er macht es verkehrt. So scheint es. Sein Verzicht auf seine Boni wird ihm als heuchlerisch vorgeworfen. Aber viele, die ihn kritisieren, sind es auch.

Als Ackermann angekündigte, auf seinen Bonus heuer verzichten zu wollen, fand ich das zunächst gut, wollte er doch ein Zeichen setzen. Dann hat er nachgeschoben, dass er sich schämen müsse, wenn seine Bank von dem Rettungspaket Gebrauch machen würde. Damit kam eine neue Note ins Spiel. Ich hätte mir gewünscht er hätte gesagt, er würde sich schämen, weil er und seine Kollegen Geschäfte gemacht hätten, deren Risiko kein Mensch mehr durchschaut habe. So teilte er die Banken in eine zwei Klassengesellschaft und signalisierte implizit, dass sich all jene Banker schämen müssten, die das Rettungspaket in Anspruch nehmen. Für mich eine ziemlich scheinheilige Aktion. Nehmen Sie nur seine Boni. Nach allem was man annehmen kann, hätte er in diesem Jahr ohnehin kaum mehr einen fetten Bonus bekommen. Verzichten kann man nur auf etwas, was einem zusteht. Die größte Finanzkrise seit 70 Jahren hat auch die Gewinne der Deutschen Bank deutliche geschmälert, selbst wenn man davon absieht, dass sie das ‚Spielcasino‘ mitbetrieben haben.

Bei der Finanzmarktkrise hat der Ausgleich zwischen Moral und Ökonomie gefehlt.

Leider hat die Finanzkrise recht deutlich gezeigt, dass das Streben nach wirtschaftlichem Erfolg ethisch-moralische Werte deutlich überlagert hat.

Hier haben ausschließlich ökonomische Dinge im Vordergrund gestanden – bis hin zu Produkten, die kein Mensch mehr verstanden hat, aber mit denen Geld verdient wurde. Einigen Bank-Managern hat die Redlichkeit gefehlt, darüber nachzudenken, ob ein Kredit tatsächlich an einen solventen Kreditnehmer ausgegeben wird, weil die Kredite ja weiterverkauft werden konnten und das Risiko nicht mehr interessierte. Das war sicher sehr verwerflich.

Es ist nicht weg zu diskutieren, dass Banker sehr hohe Risiken für ihre Kunden, ihre Banken und unser Land eingegangen ist. Da wäre stille Bescheidenheit wohl angebrachter, als diese Ankündigung in „Bild“. Der Unmut über Ackermann und seine Ankündigung ist also über weite Strecken durchaus berechtigt.

Die Wirtschaft muß mehr Verantwortung leben – der Ruf nach der Politik und dem Gesetzgeber ist nicht zielführend genug.

Im Sinne einer menschlichen Marktwirtschaft meine ich, dass es zunächst einmal die Aufgabe der Wirtschaftsführer selbst ist, dafür zu sorgen, dass innerhalb und außerhalb der Unternehmen wirtschaftliches Handeln von sozialem Miteinander begleitet wird. Das gilt auch angesichts der Globalisierung. Die Politik kann die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Zum Beispiel muss die Politik dafür sorgen, dass derjenige, der entscheidet, auch für seine Entscheidungen geradezustehen hat. Es muss auch sichergestellt sein, dass nur Produkte verkauft werden, die man versteht. Ich kann nicht zulassen, dass alles, was verkauft werden kann auch verkauft werden darf. Es ist auch zu fordern, dass von der Möglichkeit der Managerhaftung mehr Gebrauch gemacht wird. Wir benötigen hier keine schärferen Gesetze, wie die Politik und andere sie fordern, ich denke, vorhandene Gesetze müssen auch angewandt werden. Da liegt das Problem. Wenn Menschen das Kapital anderer Menschen verzocken, müssen sie dafür geradestehen. Hier reicht auch eine Versicherung nicht aus. Da muss eine persönliche Haftung her. Manager müssen mindestens mit einem Teil ihres Einkommens für ihre Entscheidungen einstehen. Wer Mogelpackungen verkauft, sollte dafür haften.

Auch die Politik hat versagt.

Es wird immer wieder über zuwenig Kontrolle der Banken diskutiert, dabei hat die Politik erheblich zur Bankenkrise beigetragen. Ich erinnere, dass noch unter der Regierung Clinton die Commodity future trading commission dem damaligen Finanzminister und dem Notenbankchef Alan Greenspan vorgeschlagen hatte, bestimmte Derivate-Geschäfte zu untersagen. Die beiden haben sich vehement dagegen gewehrt. Später hat das politische Konzept der Regierung Bush ‚Jeder mittellose Amerikaner soll zum Häuslebesitzer werden’ dazu geführt, dass Kredite ohne Absicherung gewährt wurden. Die Politik sollte also nicht so tun, als seien die Bankmanager allein dafür verantwortlich. Und dann gibt es noch den Dritten im Bunde, den Verbraucher, der völlig bedenkenlos auf Pump gelebt hat. Hätte die Politik dafür gesorgt, dass bestimmte Produkte nicht zulässig sind und dass die Haftungsfrage anders geklärt ist als bisher, dann wäre manches sicher nicht passiert.

Die Empörung der Politik ist Heuchelei.

Das Rettungspaket ist sicherlich nicht unproblematisch. Trotzdem halte ich das Rettungspaket unserer Regierung für richtig und sinnvoll. In der Krise ist Not am Mann. Es war wichtig, Angst, Panik und Hysterie zu bremsen. Aber wenn der Staat sich beteiligt, dann bitte nur kurzfristig und nicht wettbewerbsmindernd. Wenn die Politik den Banken den Wettbewerb nimmt, ruiniert sie ein Stück Marktwirtschaft. Die Grünen forderten mehr operative Eingriffe der Politik in das Bankengeschäft. Selten habe ich solch einen Unsinn gehört, der durchaus von Ignoranz begleitet wird. Allein die KfW hat durch katastrophales Missmanagement ihrer wichtigsten Beteiligungs-Bank IKB mit derzeit fast wertlosen US-Hypotheken 12 Mrd. € verbrannt. KfW-Chefin war in den letzten 4 Jahren die vorherige „Finanzsprecherin“ der SPD. Obwohl die Verluste der KfW seit mehr als einem halben Jahr bekannt waren, schickte Finanzminister Steinbrück die Genossin erst kurz vor der Finanzkrise in den vorgezogenen, mit ungekürzten Millionen-Pension versehenen Ruhestand. Im Aufsichtsrat der KfW sitzen Politiker aller Couleur, selbst Oskar Lafontaine. Die Argumentation der Grünen scheint mir in diesem Punkt recht verlogen.

Minister Steinbrück hat öffentlich zugegeben, dass er für die KfW keinen erfahrenen Banker findet, der für „wenig Geld“ die Bank aus der Krise heraus führen kann. Unter seiner Aufsicht wurde dem neuen Mann an der Spitze ein Gehalt von € 850.000,00 pro Jahr zugestanden. Jetzt will die Politik aufgrund der Finanzkrise endlich die Gehälter der Vorstände der Banken, die das Rettungspaket in Anspruch nehmen, auf 500.000 Euro begrenzen. Derzeit sind in der Privatwirtschaft die Millionen-Gehälter (noch) eine Sache der Aktionäre, DIE verzichten auf Dividenden-Gewinne oder Kurssteigerungen, wenn sie zu hohe Boni vereinbaren. Der Steuerzahler zahlt hier nicht mit, er verdient nur mit, denn die Gehälter der Vorstände werden mit dem höchsten Steuersatz besteuert.

Es gibt sicher genug Menschen in unserem Lande, die die Korrektur der maßlosen Übertreibungen bei den Managergehältern als sehr angemessen empfinden. Mancher kann sie durchaus mit Genugtuung aufnehmen. Zu groß aber sollte die Genugtuung nicht sein, denn sie hat auch andere, sonst selten aufgezeigten Seiten.

Die populistische Linke zum Beispiel ignoriert diese vorsätzlich – und triumphiert mit deutlichen Steigerungsraten bei der Wählerschaft. Deshalb sollte an dieser Stelle einmal daran erinnert werden, dass noch kein Politiker je für sein Versagen im Staats-, Länder- oder Kommunalhaushalt finanziell herangezogen wurde. Und dass kein einziger von ihnen auf einen Euro seiner Bezüge verzichtet hat – schon gar nicht der äußerst abgesichert lebende „Linke“-Chef Oskar Lafontaine, obwohl auch er Aufsichtsrat der KfW war und noch ist.

Dass Lafontaines Zähl-Kandidat für die nächstjährige Bundespräsidentenwahl, Peter Sodann „Ackermann verhaften würde, wenn ich könnte“, zeigt, wie tief hier das Niveau der Diskussion ist.

Vielleicht lassen Sie mich festhalten: in den politisch geführten Banken haben abgewählte Politiker oder Partei-Günstlinge ihr Unwesen treiben dürfen. Die sind, wie sich zeigt, wirklich um ein Vielfaches überbezahlt – verzichten aber auf keinen € bisher. Zu bedenken ist außerdem, dass in der Privatwirtschaft die Millionen-Gehälter immer noch eine Sache der Aktionäre sind. Die verzichten auf Dividenden-Gewinne oder Kurssteigerungen, wenn sie zu hohe Boni vereinbaren. Der Steuerzahler zahlt hier keinen Cent.

Nochmals: Mitleid mit Ackermann und seinen Kollegen muss niemand haben und es war höchste Zeit, dass sich was ändert. Das sollte aber cool diskutiert werden und nicht mit Parolen aus dem primitivsten Klassenkampf. Auch wenn die Zeiten dafür besser scheinen als seit langem.

Die steuerliche Absetzfähigkeit von Managergehältern

Schon weit vor der Finanzkrise war die steuerliche Absetzfähigkeit von Managerbezügen im Gespräch. Die SPD hat eine Arbeitsgruppe, die dazu Vorschläge ausgearbeitet hat. Auch wenn Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) die Forderungen seiner Partei zur steuerlichen Absetzbarkeit von Managerabfindungen für eine „lustige Nummer“ hält. In der ARD-Sendung “Anne Will“ sagte der SPD-Politiker: „Das ist klassische Symbolpolitik, die gar nichts bringt.“ Managergehälter machten ohnehin nur „einige Promille der gesamten Lohneinkünfte“ aus. Eine Änderung der Abfindungsregelung werde nichts ändern: „Sie bekommen dieselben Gehälter.“ Der nordrhein-westfälische Arbeits- und Sozialminister, Karl-Josef Laumann (CDU), zeigte in der Sendung dagegen Verständnis für die SPD-Forderungen: „Wir brauchen eine Gesellschaft, die zusammenhält. Und da sind Symbole auch wichtig.“

Die in Deutschland hitzig geführte Debatte um Höhe und Angemessenheit von Managergehältern beschäftigt inzwischen auch die EU. „Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass bestimmte Unternehmenschefs von übermäßigen Gehältern und vor allem von goldenen Handschlägen profitieren, die nicht im Zusammenhang mit der Leistung stehen“, sagte Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Eurogruppe und luxemburgischer Ministerpräsident, nach einer Sitzung der Finanzminister der Eurozone.

Bisher geht bereits eine kleine Minderheit der EU-Länder gegen überhöhte Managergehälter vor. In den Niederlanden sollen Abfindungen künftig mit 30 Prozent besteuert werden, wenn das Jahresgehalt des Betroffenen 500 000 Euro übersteigt und die Abfindung höher ausfällt als ein Jahresgehalt. Auch Frankreich kämpft laut Finanzministerin Christine Lagarde gegen die „Undurchsichtigkeit, mit der manchmal Vergütungen gewährt werden“. Die französische Nationalversammlung hatte im Herbst für eine Regel gestimmt, durch die Firmen Abfindungen nur noch bis eine Mio. Euro absetzen können.

Der Profisport zeigt bereits sehr deutlich, zu welcher Schieflage die Forderung der begrenzten Abzugsfähigkeit von Gehältern führen könnte: „Wären Gehälter der Sportler ab bestimmten Größenordnungen steuerlich nicht mehr abzugsfähig, würde der eine oder andere Fußballclub in erhebliche wirtschaftliche Bedrängnis geraten.“ sagte Carsten Kreklau, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung.

Auch Juristen halten den Vorstoß für fragwürdig: Marcus Lutter, Vorsitzender des Bonner Zentrums für Europäisches Wirtschaftsrecht und Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, begrüßt zwar den Gedanken eines gesamteuropäischen Vorstoßes. Er meinte: „Damit wäre ein Ausweichen ins Ausland unmöglich.“ Doch der Weg über eine steuerliche Schlechterstellung sei falsch. „Sie bestraft die Aktionäre durch Ertragseinbußen, obwohl die doch ganz unschuldig sind.“

Ich habe mir das SPD Arbeitspapier einmal unter ethischen Gesichtspunkten angeschaut. Dort heißt es: „Die Entwicklung der Managergehälter, insbesondere der Vorstandsbezüge in Großunternehmen hat sich in den vergangenen Jahren in dramatischer Weise von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt: Die Einkommen der Chefs der DAX-Unternehmen stieg dabei vom 14-fachen des jeweiligen durchschnittlichen Gehalts der Belegschaft auf das 44fache. Diese Entwicklung setzt sich auch aktuell weiter fort.“

Das ist schlichtweg falsch. Die Zahlen des statistischen Bundesamts haben Sie schon vorhin gehört.

Das Arbeitspapier strotzt von Behauptungen, denen jegliche Begründung fehlt. Nun sollte man Eines wissen. Behauptungen erhalten ihre ethische Rechtfertigung erst durch ihre Begründung. Fehlt diese, handelt es sich oft um Polemik pur. Hier wird der Grundsatz der Redlichkeit verletzt. Es ist von „atemberaubenden Anstieg der Managergehälter“ die Rede, „das Interesse der stakeholder” der Unternehmen würde systematisch in den Hintergrund gedrängt.“ Es wird behauptet, es gäbe „überzogene und anreizverzerrte Managementvergütungen.“

Die Arbeitsgruppe empfiehlt u.a „Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Vorstandsbezügen und –abfindungen als Betriebsausgaben auf eine Größenordnung von 1 Million Euro plus 50 % des darüber hinaus gehenden Betrags.“

Was fehlt, sind nachvollziehbare ökonomische oder rechtsstaatliche oder ethische Begründungen. Wieso eine Million und nicht mehr oder weniger, wieso 50 Prozent und nicht mehr oder weniger? Das setzt sich durch das gesamte Papier durch.

Ähnliches gilt ebenfalls für die Höhe der Abfindungen, auch hier möchte die Politik gern einen Riegel vorschieben. Also, prüfen wir die Vorwürfe einmal. Auch der Vorwurf, es würden Abfindungen bezahlt, die ausschließlich willkürlich festgelegt werden, ist ebenfalls nicht so ohne weiteres haltbar. Die Empfehlung der Corporate Governance Kommission, Abfindungen auf zwei Jahresgehälter zu begrenzen wird nach einer Untersuchung der Welt bereits bei Neuverträgen eingehalten. Nach der Empfehlung der Kommission erhalten schon 14 Vorstände, die jetzt erst einen Vertrag erhalten haben, als Abfindung nur noch zwei Jahresgehälter. Die Empfehlung greift also schon.

Ein Unternehmen erzielt aus seiner Arbeit, vor allem aber aus der seiner Mitarbeiter, einen Gewinn, der hoffentlich deutlich über einem Gewinn liegt, den andere Unternehmer in vergleichbarer Situation erwirtschaften. Die damit verbundene Verteilung von Gewinnen wäre nur dann auch in der Höhe gerecht, wenn auch der ökonomisch schwächste Mitarbeiter davon ökonomische Vorteile hätte. Was also hat ein Unternehmen an die anderen Mitarbeiter an Gehältern, Löhnen und Prämien verteilt, die ebenfalls zur Wertschöpfung beigetragen haben und nicht Vorstandsmitglied sind?

Im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit ist es hier jedoch nicht gerecht, Überschüsse an alle gleich zu verteilen, sondern es ist gerecht Unterschiede machen zu dürfen, wenn auch der schwache Mitarbeiter davon einen Vorteil hat. Der Vorteil kann schon dadurch gegeben sein, dass der Vorstand durch seine Arbeit dafür sorgt, dass der schwache Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz behält, wenn in einer anderen Situation der Schwache seinen Arbeitsplatz verlieren würde.

Der Faktor spielt eine Rolle

Bedacht werden muss auch der Faktor, der der Bezahlung zugrunde liegt. Hier fällt ziemlich deutlich auf, dass in den meisten Unternehmen zwischen den Bezügen von Mitarbeitern und den Bezügen der ersten Führungsebene etwa der gleiche Unterschied besteht wie zwischen der ersten und zweiten Führungsebene. Auch für den Unterschied zwischen der zweiten und dritten Führungsebene gilt dies. Sobald jedoch die Vorstandsebene erreicht wird, gilt dieser Faktor anscheinend nicht mehr. Es entsteht ein Missverhältnis zwischen der Entlohnung des Vorstandes und der Entlohnung der nächsten Führungsebene. Dieser gravierende Unterschied ist bis heute nicht hinreichend begründet worden. Einzige Begründungsfaktoren waren in den letzten Jahren der große Nachholbedarf im Verhältnis zu amerikanischen Vorständen und der Marktwert. Weder die Wertsteigerungen, noch die Wertschöpfungsbeiträge können die Höhe der Bezüge eindeutig klären. Damit ist die Höhe der Bezüge ethisch problematisch.

Reiche in Deutschland

Der Wunsch, den Reichen möglichst viel abzunehmen, ist nicht neu. Allerdings hat es die Armen nie reich gemacht, wenn man die Reichen arm machte. Friedrich August von Hayek (1899-1992), liberaler Freiheitsdenker und Nobelpreisträger, konstatierte trocken: „Die Forderung nach Gleichheit läuft darauf hinaus, den Reichen möglichst viel wegzunehmen. Wenn dann der Raub verteilt ist, stellt man fest, dass es nicht mehr Gleichheit gibt, sondern insgesamt weniger Wohlstand gibt.“ Und John F. Kennedy, 35. Präsident der USA, beschrieb den Zusammenhang zwischen Wachstum, das am oberen Ende der Gesellschaft Reichtum generiert, und Massenwohlstand mit dem Zitat: „Wenn die Flut steigt, steigen mit ihr alle Boote auf dem Wasser.“ Anders definiert: Ein Sozialhilfeempfänger genießt heute einen deutlich höheren Lebensstandard als ein gut verdienender Facharbeiter in den fünfziger Jahren. Das das so ist, daran haben die Reichen einen großen Anteil: Die obersten fünf Prozent in der Einkommenspyramide in Deutschland (mit Jahreseinkommen über 85 400 Euro) zahlen mehr als 40 Prozent der Einkommensteuer, die gesamte untere Hälfte der Einkommensbezieher trägt mit gerade einmal 8,3 Prozent zum Einkommensteueraufkommen bei. Die Zahl der Reichen in Deutschland wiederum stagniert: Während weltweit immer mehr Menschen mit einem Vermögen von mindestens einer Million Dollar gezählt werden (2004: 8,3 Millionen, ein Zuwachs von gut sieben Prozent zum Vorjahr, Gesamtvermögen 30,8 Billionen Dollar), nahm ihre Zahl in Deutschland nur um 0,6 Prozent auf rund 760 300 zu.

Die „Reichensteuer“ suggeriert, die Spitzenverdiener würden nicht genug Steuern bezahlen. In Wahrheit ist es so, dass die „breiten Schultern“ jetzt schon weitaus mehr an Steuerlast tragen, als alle anderen Steuerzahler. Alle Bürger, die mehr als 67.000,00 Euro pro Jahr verdienen (das sind nur zehn Prozent aller Steuerzahler!), erwirtschaften für unseren Staat 53! Prozent seines gesamten Einkommensteueraufkommens.

In der Bundesrepublik gibt es derzeit rund 35.000 Menschen, die im Jahr mehr als 500.000,00 Euro verdienen. Das sind nur 0,13 Prozent aller Steuerpflichtigen. Sie erwirtschaften allerdings bereits jetzt schon rund 13 Prozent des Einkommensteueraufkommens aller Steuerpflichtigen.

Die Zeitschrift CAPITAL hat im Juni 2008 einige Spitzenmanager und Politiker zu ihrer Einkommenssteuer befragt. Bis auf Peter Müller, den saarländischen Ministerpräsidenten haben alle anderen Politiker, auch die Bundeskanzlerin entweder nicht geantwortet oder Angaben verweigert. Peter Müller hat 35.700 Euro Einkommenssteuer gezahlt.

Bei den Spitzenmanagern war das anders. Götz Werner zahlte 7 Millionen, Herbert Hainer von Adidas zahlte 2,5 Millionen, Martin Winterkorn von VW 2 Millionen, der Conti-Chef zahlte 1,2 Millionen. Wiedeking zahlt Einkommenssteuer im zweistelligen Millionenbereich. Auch Jürgen Großmann von RWE zahlt deutlich über 10 Millionen. Das statistische Bundesamt weist aus, dass Menschen mit einem Einkommen von 548.000 Euro und mehr 8,2 Prozent der Einkommenssteuer bezahlen, jedoch nur 0,1 Prozent der Steuerpflichtigen ausmachen. Und wenn sie Menschen mit einem Einkommen ab 170.100 Euro nehmen, das sind genau ein Prozent der Einkommensteuerpflichtigen, dann zahlen diese Steuerzahler sogar 20,4 Prozent der Einkommensteuer. Also: arm rechnen findet nicht statt. Auch der Vorwurf, sich am Steueraufkommen ungenügend zu beteiligen, ist schlichtweg falsch, wenn nicht gelogen.

Empört über hohe prozentuale Steigerungen der Chefgehälter in Dax-Unternehmen, hatte der damalige Arbeitsminister Franz Müntefering behauptet, dass viele deutsche Manager „das Tausendfache“ ihrer Mitarbeiter verdienen würden. In der Sache stimmt das nicht. Dax-Primus Josef Ackermann bekam 2006 zwar 13,2 Millionen Euro, selbst seine einfachsten Mitarbeiter liegen aber weit über einem Tausendstel, also 13200 Euro. Vorstände, denen es nicht ganz so gut geht wie Ackermann, sind vom Tausendfachen weit entfernt. Im Schnitt verdienen Dax-Chefs nach der jüngsten Erhebung 3,42 Millionen Euro und damit etwa hundertmal mehr als normale Angestellte, nicht tausendmal. Müntefering vertut sich also um eine Zehnerpotenz, ein Teil der Aufregung beruht auf einem Rechenfehler.

Selbst diese hundertfachen Einkommen sind eher die Ausnahme. In Mittelstand und kleineren Aktiengesellschaften sind Gehälter mit dem Faktor 10 bis 20 üblich. Exzesse wie in den USA kommen hierzulande kaum vor. Dort hatte zum Beispiel William W. McGuire als Chef der Krankenversicherung United Health eine Milliarde Dollar in Aktienoptionen bekommen und muss jetzt die Hälfte zurückzahlen. An die Tausender-Grenze stößt allenfalls ein Ausnahme-Manager wie Porsches Wendelin Wiedeking. Er aber schuf solch hohe Werte und sicherte so viele Arbeitsplätze, dass selbst Müntefering ihm das Geld gönnen wird.

Trotz dieser Faktenlage nutzten Politiker aller Parteien außer der FDP die Chance zur publikumswirksamen Zuspitzung. Für die Grünen bezeichnet Renate Künast die Millionenbezüge und Abfindungen in Vorstandsetagen als „unmoralisch“. Für die Unions-Arbeitnehmerschaft CDA sagte der stellvertretende Vorsitzende Gerald Weiß, dass es „sozial-ethisch nicht vertretbar ist, wenn Leute, die zum Teil Millionen in den Sand setzen, dafür fürstlich abgefunden werden“.

Oskar Lafontaine steuerte für die Linke einen konkreten Vorschlag bei: Er will Managergehälter „auf das Niveau der Ukraine senken“. Ein Gesetz soll verbieten, mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten Einkommens im Unternehmen zu verdienen. Unerwartet sprang ihm Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag in Hannover bei: „Wer viel für sein Unternehmen und seine Mitarbeiter tut, der soll auch gut bezahlt werden“, rief sie. „Was ich aber überhaupt nicht verstehe: Warum wird mit Geld überschüttet, wer auf ganzer Linie versagt hat?“ Das Publikum applaudierte kräftig. Was quer durch alle Parteien derart populär ist, könnte schon bald Gesetz werden.

Ungern aber liefern Politiker eine Begründung, warum sie den einen Faktor für gerecht und den anderen für ungerecht halten. Wie viel mehr darf ein Vorstand verdienen, damit es gerecht zugeht? Zehnmal, hundertmal, tausendmal mehr als ein Sachbearbeiter? Einen Weg zur Antwort lieferte der amerikanische Philosoph John Rawls (1921–2002) mit seiner Gerechtigkeitstheorie, die er 1971 mit „A Theory of Justice“ vorlegte. Rawls erklärte Fairness zum zentralen Begriff der Gerechtigkeit. Fair geht es zu, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: erstens gleiche Grundfreiheiten für alle, zweitens Chancengleichheit und das sogenannte Differenzprinzip. Damit meint Rawls, dass gesellschaftliche Ungleichheiten nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie auch dem Mitglied der Gesellschaft, dem es am schlechtesten geht, noch nutzen. Niemand darf laut Rawls aufgrund von Eigenschaften durch den Rost fallen, für die er nichts kann, zum Beispiel Bildung, Hautfarbe, Geschlecht, aber auch Intelligenz und Talent.

Daraus leitet Rawls ein Gedankenexperiment ab: Er versetzt die Menschen in eine gedachte Ausgangslage und verhüllt sie mit dem „Schleier des Nichtwissens“. Sie ahnen nicht, was einmal aus ihnen wird: arm oder reich, Vorstand oder Pförtner. Nun sollen sie sich darauf einigen, was für jede mögliche Lage, in die sie später geraten könnten, fair wäre. Da jeder befürchten muss, ganz unten zu landen, versucht er, den minimalen Status maximal aufzuwerten. Man spricht von der MaxiMin-Regel – aus dem Schlechtesten das Beste herauszuholen.

So weit John Rawls. Was würden ein Vorstand und sein Sachbearbeiter unter dem Schleier des Unwissens miteinander vereinbaren? Zweifellos, dass der Sachbearbeiter genug Geld für eine Wohnung, Lebensmittel, Kleidung, Gesundheit, Reisen, Auto, Benzin, die Bildung seiner Kinder, sprich: für eine bürgerliche Existenz bekommt. Große Sprünge muss er nicht machen, aber vom Fleck wegkommen will er. Gehaltssteigerungen und Beförderungen sind Pflicht.

Ist das geregelt, geht es um das Gehalt des Vorstands. Beide versetzen sich gedanklich nun auf die Sonnenseite. Auch hier kommt das Einverständnis schnell zustande: Wer talentiert ist und hart arbeitet, möchte natürlich möglichst viel Geld. Einen gesetzlichen Höchstlohn, egal bei welchem Faktor, würden beide als unfair empfinden. Selbstverständlich hätten sie lieber den Faktor 1000 als 100 oder 10.

Gleichzeitig aber wünschen sich beide unter dem Schleier des Unwissens, auch als Reicher von der Gesellschaft akzeptiert zu werden, auch vom Sachbearbeiter. Man möchte keine Demonstranten vor seiner Villa. Also drückt man seinen Gehaltswunsch folgendermaßen aus: Ich hätte gern so viel Geld, wie mein Sachbearbeiter es problemlos akzeptieren kann. Wie hoch der Faktor ist, hängt also mit sozialer Akzeptanz zusammen.

Allerdings ist diese Akzeptanz keine fixe Größe. Sie hängt ihrerseits davon ab, wie zufrieden der Sachbearbeiter mit seiner eigenen Lage ist. Bekommt er ständig Gehaltserhöhungen und wird oft befördert, gönnt er seinem Chef wohl auch den Faktor 9000. Geschieht aber nichts, oder droht ihm sogar der Abstieg, neidet er ihm vermutlich schon das zehnfache Gehalt.

Rawls sagt in der Konsequenz also: Lasst eure Mitarbeiter profitieren, dann könnt ihr euer eigenes Gehalt steigern. Ein Gesetz kann diesen dynamischen Rückkopplungsprozess nicht regeln. Das funktioniert nur über individuelle Tarifverträge in Firmen und Branchen. Obergrenzen demotivieren nur. Auf die Fairness und Einsicht der Vorstände kommt es an – in ihrem eigenen Interesse.

Ein wenig mehr Sachverstand, ein wenig mehr Kompetenz und etwas weniger Emotionen würden in der Beurteilung der Angemessenheit von Managergehältern und der Angemessenheit in der Finanzkrise helfen. Leider verfahren derzeit nicht wenige Menschen nach dem Motto: „Was stört mich Wissen, wenn ich doch schon eine Meinung habe.“

Zum Schluss lassen Sie mich bitte noch Eines sagen:

In der Bundesrepublik kann der Kapitalismus nicht machen, was er will. Unsere Ordnungspolitik lässt dies nicht zu. Ganz im Gegenteil. Nicht selten sind dem Unternehmeresel im internationalen Wettbewerb hier die Vorderläufe ordentlich zusammengebunden. Jetzt auf ihn moralisch einzudreschen, damit er schneller läuft, zeugt von fehlendem Sachverstand.

UDP

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