Zurzeit wird wieder viel über Steuersenkungen gesprochen. Ich würde mich nicht dagegen wehren, obwohl ich nicht weiß, wie das gehen soll.
Denn auch mir fehlt die Phantasie, wie eine Steuersenkung funktionieren kann, wenn die Neuverschuldung in 2010 schon jetzt mit 100 Milliarden EURO geschätzt wird, die Steuerausfälle in den nächsten Jahren drei Jahren über 300 Milliarden betragen und die Ausgaben garantiert nicht sinken werden …
Im Kontext mit der Steuerentlastung fällt immer ein neues (Un-)Wortpaar.
Nach dem „kalten Krieg“ hat man jetzt erkannt, dass es eine „kalte Progression“ gibt. Und will sie abschaffen.
„Kalte Progression“ gibt es aber schon seit meinem Geburtsjahr (1950). Das Steuersystem der BRD nach dem Krieg war gar nicht so schlecht. Man hat nur nicht bedacht, dass Inflation etwas Unvermeidliches ist und man deshalb die Progression an die Inflationsrate knüpfen muss. Dann hätte man keine Steuerreform benötigt.
Dummerweise haben die Finanzminister aber nicht ganz einfach immer die Progressionslinien angehoben, sondern gemeint, dass das Wort „Steuer“ mit „Steuern“ zu tun hat. Steuerentlastungen wurden zur Steuerung von volkswirtschaftlichen Zielen eingesetzt. So ist das Steuergesetz immer komplizierter geworden. Die Steuersubventionen haben über die Zeit zu unguten Strukturen geführt oder das Gegenteil von dem bewirkt, was man erreichen wollte.
Und jetzt haben wir unser Steuermonster. Und werden es nicht los. Immer, wenn man ihm einen Kopf abschlagen will, wachsen zwei nach. Und ich wette darauf, dass auch Merkel&Westerwelle sich nicht mit diesem Monster anlegen werden.
Nach dem Motto „Mögen täten wir schon, aber trauen tun wir uns nicht“!
RMD
P.S.
Zu den Größenordnungen: Allein die 100 Milliarden Neuverschuldung entsprechen dem 7,5-fachen des Jahresumsatzes von Microsoft und vom 20-fachen des Umsatzes von Amazon (jeweils letztes Geschäftsjahr).
Eine Antwort
So allmählich dämmert es den zukünftigen Regierungsparteien ja, dass sie doch keine Steuersenkungen durchführen können. (Wer hätte das gedacht, eine solche Erkenntnis schon eine Woche nach Wahlkampfende?)
Ich bin wenig überrascht von der Unverfrorenheit, mit der im Wahlkampf Steuersenkungen proklamiert wurden, es beruhigt mich vielmehr, wenn die Regierung davon wieder abkehren könnte.
Die doppelte Stoßrichtung, die die meisten Bundestagsparteien, inklusive SPD vor der Wahl gefordert haben – Abgabensenkung und Aufnahme einer Verschuldungsbremse in das Grundgesetz – hätte letztlich als Notwendige Konsequenz eine Ausgabenreduzierung in einem Umfang erzwungen, die den schlanken Staat, wie Marktliberale ihn sich wünschen, über die Hintertür hereingelassen hätte.