Rolling Home – die kleinen Probleme mit der Eisenbahn

Gestern war ein guter Tag. Den Vormittag im Zug konnte ich exzellent zum Aufarbeiten nutzen. Dann habe ich Reinhard Kraasch, meinen Mentor bei Wikipedia, das erste Mal persönlich getroffen und mit Florian Prange Pläne geschmiedet. Der Vortrag bei Lehmann/GuuG hat viel Spaß gemacht, die Zuhörer waren sympathisch und kompetent und es entwickelte sich eine wirklich gute Diskussion. Wir haben dann noch in kleiner Runde ein Bier getrunken und uns prächtig verstanden.

Die Probleme gingen heute früh um 0:15 los. Ich wollte mit dem Nachtzug CNL 483 gemütlich nach München schaukeln (Abfahrt in Hamburg 00:31, Ankunft in München 8:58) und so spätestens um 10:00 frisch, munter und wohl gelaunt bei InterFace am Schreibtisch sitzen.

Dann die unangenehme Überraschung: der Zug von Kopenhagen hat eine Verspätung von 100 Minuten. Wo die Zeit verbringen? Nachts gibt es am Hamburger Hauptbahnhof nur 2 warme Lokationen, das sind die „Bahnhofsmission“ und „McDonalds“, so die freundliche Dame am Info-Schalter. Mittlerweile hatte ich einen Mitreisenden kennengelernt, einen Unternehmer aus Holland, der auf dem Wege zur Nürnberger Spielwarenmesse war und auch einen Platz im Schlafwagen gebucht hatte. Wir beschlossen, gemeinsam auf diesen Zug zu warten. Da wir die Bahnhofsmission nicht so richtig einordnen konnten, tranken wir bei McDonalds Kaffee. Auf dem Wege dorthin hat sich die Anzeige geändert: 140 Minuten Verspätung!

Um 2:00 (cirka 90 Minuten nach der planmäßigen Abfahrt) gingen wir wieder zum Infoschalter und fragten die aktuelle Verspätung ab. Die angezeigten 140 Minuten Verspätung wurden uns als weiter gültig bestätigt und wir tranken noch einen Kaffee bei McDonalds. Nach weiteren 20 Minuten brachen wir sicherheitshalber zum Zug auf – und sahen nur noch die Rücklichter! Da es im McDonalds keine Lautsprecher gibt (im Gegensatz zu den Flughäfen, wo die Durchsagen ja überall zu hören sind), waren wir beide nicht die einzigen Opfer des offiziell um 2 Stunden und 20 verspäteten und dann doch zu früh gekommenen Zuges (mit weniger als 2 Stunden Verspätung).

Am Service-Schalter war eine gewisse Betroffenheit zu spüren. Der Zug hätte offensichtlich die Verspätung kräftig aufgeholt, aber die Anzeige wäre so gewesen wie man es uns gesagt hat. Man könne halt nur das sagen, was auf dem Bildschirm stehe. Und man hat sich freundlich entschuldigt, dass man zwar an die Gäste in der „Bahnhofsmission“ gedacht und diese informiert hätte, aber die Kundschaft im McDonalds schlicht vergessen wurde. Ja – und die nächste Reisegelegenheit nach München wäre um 3:18 mit Umsteigen in Fulda.

Das hat mich wirklich nicht mehr so richtig motiviert, deshalb habe ich mir ein Hotel gesucht und in Hamburg ein paar Stunden geschlafen. Jetzt sitze ich im ICE 785 (Abfahrt in Hamburg 8:03, Ankunft 13:39) nach München und werde von einer netten Zugchefin gut betreut. Und wenn ich diesen Artikel geschrieben habe, werde ich eine Runde schlafen.

Ich berichte das, weil es symptomatisch für unsere Zeit ist. Wir vertrauen blind technischen Anzeigesystemen, obwohl wir wissen dass sie oft nicht zuverlässig sind. So richtig viel Züge waren in dieser Nacht in Hamburg nicht mehr unterwegs und die Verspätung war sicher ein extremer Sonderfall. Eine individuelle Anfrage wie wohl früher üblich hätte dieses Missgeschick bestimmt vermieden. Aber Mitdenken und das Starten ergänzender Initiativen ist selten geworden – vielleicht auch gar nicht mehr möglich.

Gerade fährt der Zug in Göttingen ein. Da kam eine Durchsage, in der die aussteigenden Passagiere vor möglicher Glätte auf dem Bahnsteig gewarnt wurden und dass man auch gerne beim Ein- und Aussteigen (!) behilflich sein würde.

RMD

2 Antworten

  1. Mc Donalds, Bildungsmisere Deutschland, Darwin, Lamark,…

    Und ja, diese Schilderung kommt mir irgendwie bekannt vor 😉

    Gruß
    Jerry

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