Lehren für Unternehmensführer – das Leben, das Wissen, die Informatik und die Ethik
In dieser Artikelserie nehme ich Stellung zum schriftlichen Feedback, welches mich nach dem Vortrag erreicht hat und beantworte die von Studenten vorher gestellten Online-Fragen, die ich in meinem Vortrag nicht ausführlich behandeln konnte.
„Innovative Unternehmer“ / Sommersemester 2010
Führung von wachstumsorientierten Unternehmen
Eine andere, mir auch sehr wichtige Rückmeldung war
“der Referent hält Marktführerschaft für ein eher negatives Unternehmensziel”
Die These „Das Ziel eines Unternehmens muss die Marktführerschaft sein“ basiert nach meiner Meinung auf einem überholten Unternehmensverständnis und folgt dem Glauben …
- an unbegrenztes Wachstum
- des Stückzahlenvorteils (theoretisch kann man jedes Projekt für 1 EURO produzieren …)
- an den Vorteil von zentraler Organisation („organisiert nach dem Muster der Reichswehr“)
- an eine globale Welt mit geringer Zeit-Raum-Schwelle (vernachlässigbare Transportkosten, just-in-time Zulieferung)
- an die Macht von Konzernen besonders gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen (mächtiger als Staaten …)
- an den Wissensvorsprung von Großunternehmen (ein großer weiß immer mehr …).
Vor allem geht die These aber von der Annahme aus, dass der Marktführer nicht mehr dem Markt folgen muss sondern ihn so gestalten kann, wie es ihm für die Maximierung seiner Ziele passt.
Ich meine, dass die Welt – nicht zuletzt als Folge des Einsatzes von IT und dem WEB 2.0 – sich geändert hat und mit großer Beschleunigung weiter ändern wird. Da passiert zurzeit unheimlich viel und bald werden ganz andere Eigenschaften zu Wettbewerbsvorteilen werden:
- regional angepasstes Wirtschaften
- nachhaltige Strategie im Kleinen wie im Großen
- Verzicht auf einseitiges Ausrichten eines Unternehmens auf die Interessen der Shareholder (Aktionäre, Kapital)
- dezentrale Organisation
- Unabhängigkeit und Eigenverantwortung kleinerer Strukturen
- hohe Flexibilität zur Krisenlösung im Sinne von Subsidiaritäts-Entscheidungen (Entscheidungen werden auf der unterst möglichen Ebene gefällt)
- gemeinsames Erzeugen auch sehr komplexer Produkte durch Kooperation auf Augenhöhe vieler kleiner Partnerunternehmen
So meine ich, dass „kollaborative“ und auf Selbstorganisation aufbauende Unternehmen (z.B. sei hier als anregendes Beispiel das Semco System als einer der Urväter solcher Gedanken genannt) immer mehr gegen die traditionell-hierarchisch Stakeholder-Value-Strukturen an Boden gewinnen werden. Das wird auf jeden Fall eine spannende Entwicklung.
In der Vergangenheit gingen für viele Firmen die Probleme genau dann los, wie sie die Marktführerschaft erreicht hatten. Die Opfer auf dem Weg dorthin waren hoch und der Druck, Marktführer bleiben zu müssen, brutal. Die Verteidigung der Marktführerschaft ist dann ungleich schwieriger als das Erringen dieser Position. Oft folgt dann der große Einbruch und der Gesamtverlust (zum Beispiel Siemens bei Kommunikation).
Zudem haben die Marktteilnehmer auf den mittleren (und sogar hinteren) Plätzen nicht selten bessere Ergebnisse und eine höhere Nachhaltigkeit als der Marktführer.
Es gibt sicher Ausnahmen wie CocaCola. CocaCola hat es fast zum Monopol gebracht, der extremsten Form der Marktführerschaft und die Welt fest im Griff. Da kann auch Pepsi mit all seinen Bemühungen nicht viel ändern. Allerdings ist das eine besondere Einmaligkeit. CocaCola könnte also „die Ausnahme von der Regel sein„.
Gefühlsmäßig bin ich sehr skeptisch, ob es Sinn macht, dass sich in einem globalisierten Markt einige wenige große Marktteilnehmer permanent um die Marktführerschaft prügeln. Ich persönlich habe es dick, von Inbrew, Müller-Milch, Nestle, Bounty, Aldi&Lidl, Reemtsa (falls ich rauchen würde) und Microsoft abhängig zu sein. Mich ärgern die geplanten und auch realisierten Gewinne von solchen Unternehmen (bis zu 50 % Ergebnis vom Umsatz), die ich ja als Verbraucher bezahlen muss. Da bevorzuge ich einen Markt mit vielen kleinen und regionalen Anbietern.
RMD