Ich habe Mathematik studiert. Mathematik ist einfach im Aufbau und ziemlich unstrittig. Die Axiome wie das der „natürlichen Zahlen“ scheinen „natürlichen Ursprungs“ zu sein, kein Denker kann ernsthafte Argumente gegen sie hervorbringen. Die restliche Arbeit der Mathematik ist dann eine ganz formale und streng logische Ableitung. Zu jeder Aussage wird der strenge Beweis gefordert und wenn möglich erbracht, ob sie denn „Richtig“ oder „Falsch“ ist.
Damit das möglich wird, wurde eine eigene, „mathematische Formel-/Symbol-Sprache“ geschaffen, die kommunikative Missverständnisse so gut wie möglich auszuschalten versucht.
Auch die nicht so reinen Naturwissenschaften wie Biologie, Chemie oder Physik versuchen so weit wie möglich aufs Spekulieren zu verzichten und die Abläufe der Natur so korrekt wie möglich zu beschreiben und zu erklären. Die Mathematik verwenden sie als ihr Werkzeug.
So ist die zwar so abstrakte und theoretische Mathematik eine ganz ehrliche Wissenschaft. Gut, es mag einige ganz wenige Ausnahmen geben, die wie ich meine eventuell in wenigen Ansätzen der Spieltheorie und Finanzmathematik zu finden sind.
Die sind aber nicht wesentlich, alles andere ist vernünftig und rational.
Je älter ich wurde, desto lieber lerne ich aber gerne bei Wirtschafts- und Volkswissenschaften, Sozialwissenschaften, Psychologie einschließlich Gehirnforschung aber auch bei Philosophie und Geschichtswissenschaften.
So war ich auch bei der BALANCE, einer Multikonferenz der Betriebswirtschaft mit den Schwerpunkten „Innovation“ und Zukunft der Arbeit Dienstag und Mittwoch dieser Woche in Nürnberg. Und durfte sogar an der Podiumsdiskussion teilnehmen und dort neben Prof. Dr. Peter Mertens sitzen.
Das hat mir so richtig Spaß gemacht. Diese Mischung von Betriebs-, Volkswirtschaft, Sozial-, Geisteswissenschaften finde ich sehr aufregend und erlebte dort viele spannende Erkenntnisse.
Aus dem Blickwinkel eines Mathematikers erscheint zwar vieles sehr vage. Zahlreiche Modelle werden gebaut, Annahmen kreiert und die dann kräftig diskutiert. Und es herrscht die absolute Notwendigkeit zur interdisziplinärer Denke. Die auch dazu führt, dass man immer wieder Gedanken entdeckt, die in anderen Disziplinen schon gedacht worden sind. Oder eigentlich schon vor Tausenden von Jahren klar waren. Trotzdem hier ein Wert, der nicht immer direkt greifbar oder nur gefühlt erscheint.
Die Mathematik sehe ich als „Hilfswissenschaft“ für die restliche Naturwissenschaft. Die „Nicht-Naturwissenschaften funktionieren anders. Ich nehme sie als ebenbürtige Disziplinen wahr, die eng vernetzt werden müssen, um praktischen Nutzen zu stiften.
So stelle ich fest, dass z.B. die Betriebswirtschaftslehre nicht dann zu ihrer Höchstform aufläuft, wenn sie versucht, wirtschaftliche Vorgänge in mathematische Modelle zu zwingen. Das geht letzten Endes immer ziemlich schief.
Für mich wird BWL oder VWL dann positiv, wenn sie sich mit den „Geisteswissenschaften“ verbindet. Eben gerade mit der Philosophie, aber auch mit der Psychologie oder den Sozialwissenschaften. Und vielleicht auch noch mit Naturwissenschaften wie der Biologie.
Diese Wissenschaften in ihrer Summe bezeichne ich für mich als „Lebenswissenschaften“!
Und da geht es nicht um formales „Richtig“ und „Falsch“. Da gibt es auch keine Ergebnisse, die man in Politik oder Gesellschaft „Ingenieursmäßig“ umsetzen und so die Welt verbessern kann. So kann ich sie auch mit bestem Willen nicht als „Lösungswissenschaften“ akzeptieren, die uns handlungsleitende Empfehlungen und ergänzende Technologien vorgeben.
Hier ist vielmehr das „Weg das Ziel“.
Der Wert der Lebenswissenschaften besteht darin, dass sie uns bei unseren Handlungen und Entscheidungen begleiten und zum Denken anzuregen! Ihre Aufgabe ist es, die Gedanken einer sich permanent verändernden Erkenntniswelt in Politik, Gesellschaft und eigentlich alle sozialen Systeme hinein zu tragen.
RMD
2 Antworten
Lieber Roland,
was dich an den von dir so genannten Lebenswissenschaften so anmacht, ist deine Lust am Werten. Da musst du dich in der Mathematik, die ausgerechnet in einer sich deskriptiv gebärdenden BWL mit ihrer Mathe-Modelleritis ihre größten Erfolge als Hilfswissenschaft feiert, kreuzunglücklich fühlen. Aber langfristig wird sich deine Lust zur Präskription auch in der BWL durchsetzen. Immer mehr erkennen dort, dass der homo oeconimcus nicht nur eine normative, sondern sogar religiöse Figur darstellt. Da ist es gar nicht mehr nötig, dass die mathematischen Modelle der BWL/VWL über den „Umweg Leben“ ihr völliges Versagen nachgewiesen haben.
Es lebe das Leben!
Hi Detlev, danke.
Nur zur Ergänzung:
Ich liebe die Mathematik – einfach weil „wertfreie Räume“ sehr einfach zu handhaben sind. Da ist alles ganz logisch. Es gibt immer RICHTIG und FALSCH. Ab und zu liegt sogar die Wahrheit in der Luft. Mathematik ist ideal für faule Menschen, die sich das Leben leicht machen.
Mathematik als Hilfswissenschaft für BWL/VWL ist so sinnvoll wie ihr Einsatz für die Vorhersage des weiteren Verlaufs des Lebens eines Detlev Six oder Roland Dürre.
🙂 Obwohl, der Forecast, wie viel Biere wir noch trinken werden, schon eine gewisse intellektuelle Anstrengung darstellen würde. Wie sinnvoll er allerdings ist, darf jeder für sich bewerten.
Zum Werten:
Ich glaube nicht, dass Werten meine Lust ist. Ich glaube eher, dass ich mich (wie viele Menschen) daraus definiere „Verantwortung zu übernehmen“. Vielleicht bedeutet das auch „Macht“.
Und vielleicht macht es mir Spaß, zu versuchen in meiner Umgebung ein wenig Verantwortung (Macht) zu übernehmen.
Wobei ich meine, dass „Macht haben“ meint, dass man eben so manche Dinge „nicht macht“.
🙂 Ansonsten bin ich absolut für Geld, Sex und Macht!