Seit dem ich lebe, erlebe ich, dass Menschen nicht pünktlich sind. Mir erscheint, dass dieser Trend allerdings in den letzten Jahren zu genommen hat.
Warum auch nicht, gibt es doch eine absolut gesellschaftsfähige Ausrede – der Stau auf irgendwelchen Straßen.
Eine Ausrede, die ich als Radler leider nicht habe. Ich muss mir da schon etwas fantasievolleres einfallen lassen. Der unvorhergesehene Gegenwind geht bei Windstille natürlich nicht durch. Und um mich glaubwürdig auf eine Reifenpanne raus zu reden, dazu müsste ich ja erst meine Hände schmutzig machen, was ich aber nicht will.
Dabei können Menschen pünktlich sein, wenn sie es nur wollen. Mir ist das wieder beim letzten (natürlich wieder komplett ausverkauften) Konzert der Wise Guys am letzten Freitag im Gasteig eingefallen. Alles Plätze im weiten Rund sind schon 5 Minuten vor Beginn voll. Alle? Nein, ich entdecke im von mir überschaubaren Bereich doch tatsächlich zwei mal zwei freie Plätze.
Kommen die Karteninhaber noch? Sind sie verhindert? Oder nur verspätet? Zwei der noch freien Plätze sind in der zweiten Reihe. Das wäre doch etwas? Nicht für mich, sitze ich doch in der ersten Reihe. Aber für Leute weiter hinten sicherlich.
Die Wise Guys kommen auf die Bühne und starten ihr Konzert. Die Plätze sind immer noch leer. Aber nett, wie die „klugen Kerle“ nun mal sind, machen sie nach 10 Minuten eine Pause und vier Leute dürfen von hinten nach vorne kommen die guten Plätze einnehmen.
Das Wise Guys hat mir gezeigt, dass Menschen sehr wohl pünktlich sein können, wenn sie es denn wollen oder müssen. Auch mit dem Auto. Und das gleiche erlebe ich bei Theater- und Kinobesuchen genauso.
Das ist wie bei der Eisenbahn. Man muss auf die Minute pünktlich am Bahnsteig sein, obwohl der Zug es meistens nicht ist. Weil wenn man mal zwei Minuten zu spät dran ist, erwischt man in der Regel genau den Tag, an dem der Zug mal pünktlich abfährt.
Nur bei mir muss man nicht pünktlich sein.
Was mache ich?
Mir ist es nicht schlimm, wenn meine Verabredungen unpünktlich sind. Weil ich immer genug zu tun oder froh für eine kleine Pause des Nichtstuns bin.
Ich weiß auch, dass ich den Menschen, die mit mir verabredet sind und zu spät kommen, nicht weniger wert bin als die Wise Guys, das Theaterstück oder die Eisenbahn. Ihre Pünktlichkeit dort ist nur vom System erzwungen. Ihre Unpünktlichkeit mir gegen über aber gesellschaftlich sanktioniert und ganz normal. Vielleicht als Teil unserer Autokultur.
Und selbst versuche ich pünktlich zu sein.
🙂 Bleibt mir als Radfahrer gar nichts anderes über, mir fehlt ja so eine praktische Ausrede.
Im übrigen – so schlimm finde ich Unpünktlichkeit gar nicht.
🙂 Vielleicht mag ich sie sogar.
RMD
P.S.
Ein Lied von den Wise Guys gefällt mir besonders gut: