In seinem wunderschönen Blog Führung erfahren nimmt Dr. Marcus Raitner zur „Neuland-Aussage“ von der Kanzlerin der Deutschen und Europas Stellung.
Diesen Artikel musste ich kommentieren und habe das in Briefform gemacht.
Lieber Marcus,
der Satz, dass „das Internet für uns Neuland wäre“, kann je nach Standpunkt als schlampige Kurzform von Frau Dr. Merkel für einen schwierigen Tatbestand oder wohlwollend als eine gelungene Metapher für ein generelles Problem bewertet werden. Bedeuten könnte der Satz folgendes:
Für die Mehrheit der Politiker in Deutschland (und wohl auch in der Welt) – und besonders derer, die an der Macht sind – ist „der Wandel in der Gesellschaft Neuland“. Und zwar ein unheimliches und bedrohendes Neuland. Das ist nach meiner Meinung der Hauptgrund dafür, dass sich Politik immer mehr von den Menschen entfernt und die Wertschätzung der Demokratie schlimmer Weise so sehr leidet.
Und gleichzeitig die Erklärung für die immer stärker werdende politische Verdrossenheit vieler Bürger.
Also stellt sich wieder die Frage:
Ist Frau Merkel die authentische Politikerin, die auf sublime Art und Weise wieder mal auf das Problem wenn auch nur metapherhaft hinweist
und/oder
ist sie das einzigartige politische Genie, die intuitiv aber unreflektiert Dinge von sich gibt, die bei richtiger Interpretation aber tatsächlich den Nagel auf den Kopf treffen?
Aber diese Neuland-Aussage hat mir wieder klar gemacht, warum sie so beliebt ist und den Herrn Steinbrück wie eine Fliege gegen die Wand klatschen wird …
Also, wen wählen wir beide?
Beste Grüße vom #pmcamp 2013 in Wien!
Roland
Ich ergänze ein wenig polemisch:
Verkehrspolitik als Beispiel wurde in Deutschland und auf der Welt immer von älteren Männern gemacht, die die Welt wesentlich nur aus der Perspektive von hinter der Windschutzscheibe kannten. Woher sollen die Wissen, dass es auch Radfahrer und Fußgänger gibt – oder einfach nur Menschen, die nicht Lust haben, ihre Zeit für eine Tätigkeit wie „ein Kraftfahrzeug zu steuern“ verschwenden zu wollen?
RMD
Eine Antwort
Lieber Roland,
herzlichen Dank für Dein Lob.
Zugegeben: Der Satz “Das Internet ist für uns alle Neuland.” ist verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen. Das ist in der Tat ein wenig schlampig und immer auch ein wenig gefährlich. Im Zusammenhang betrachtet, wird der Satz aber meiner Meinung nach noch gefährlicher: Dann ist es nämlich nicht einfach nur die naive Weltsicht einer Altland Politikerin, sondern muss als Begründung für ein ungeheuerliche Ausspähung der eigenen Bürger herhalten.
Auch für Dich und für mich war das Internet einst das Neuland, das es für viele Politiker und wohl auch deren Wähler heute immer noch ist, wie Du richtig anmerkst. Natürlich macht das Angst. Aufgabe der Politik wäre es meiner Meinung nach aber uns diese Angst zu nehmen und vorneweg zu marschieren anstatt hinterher zu laufen. Stattdessen verbreitet die Politik und die sich in ihrem Geschäftsmodell bedrohten Massenmedien FUD: Fear, Uncertainty, Doubt. Ich will nur hoffen und zugunsten unsere Politiker annehmen, dass das keine bewusste Strategie ist, sondern sie selbst vielleicht Opfer einer solchen Kampagne durch entsprechende Lobbyisten sind.
Nun zur Gretchenfrage: Wen wählen wir also? Die Alternativen machen mich tatsächlich parteiverdrossen. Keine der Parteien wird meiner Lebensrealität und Bedürfnissen auch nur annähernd gerecht. Zum Beispiel: die Landratswahl bei uns im Landkreis Ebersberg neulich. Vier Kandidaten von CSU, SPD, Freien Wählern und Grünen. Die Schwerpunkte der Programme alle ähnlich ausgerichtet offensichtlich auf Handwerker und Vereine. Münchner Outback eben. Nirgends ein zaghafter Ansatz zu neuen Technologien, einer Breitbandinfrastruktur, Startup-Centern, Co-Workingspaces, etc. Das interessiert mich. Die Piraten waren prinzipiell ein guter Ansatz, nehme ich aber so chaotisch, unstrukturiert und verzettelt wahr, dass ich denen unser Land, also Alt- und Neuland, nicht anvertrauen möchte.
Was bleibt also? Wenn niemand wählbar ist, müssen wir es wohl selbst in die Hand nehmen und in die Politik gehen 😉
Herzliche Grüße,
Marcus