Zurzeit denke ich ja viel über Moral und Ethik nach. Und da scheint mir die „Sexual-Moral“ ein besonders betrachtenswertes Beispiel.
Täglich erleben wir, wie uns rund um die Sexualität eine völlig gegenläufige Moral begegnet. An der Bushalte-Stelle sehe ich das Plakat einer nackten Frau mit lasziver Strumpfhose. Auf der Bank sitzt eine junge islamische Frau, streng verhüllt. Und nicht weit weg stand da noch bis vor kurzem eine große Plakatwand mit der Aufforderung, es möglichst bunt und oft aber nur mit „Verhüterli“ zu treiben. Mit dem Motto „Gib Aids keine Chance“. Wahrscheinlich gesponsert vom Verband der Kondom-Unternehmen.
Auch in Deutschland hat sich die Sexual-Moral in den letzten 50 Jahren (und natürlich davor) gewaltig verändert. Was für ein Skandal war es noch in den 60igern, wenn eine Gymnasiastin schwanger wurde! Ich kann mich gut dran erinnern, wie wir als Schüler des Jakob-Fugger-Gymnasium für ein Mädchen demonstriert haben, die am Maria-Theresia-Gymnasium wegen Schwangerschaft von der Schule verwiesen werden sollte – und auch noch an die doch sehr unerfreulichen Konsequenzen für uns.
Ein gutes Beispiel für so eine divergierende Moral in Frankreich und Deutschland finden wir vor gar nicht langer Zeit. Ein bisschen mehr als 100 Jahre dürfte es her sein, dass eine junge ledige Frau, die in Frankreich z.B. als Bedienstete einer Familie schwanger wurde, um nichts in der Welt den Namen des Vater angeben durfte! Denn die Frau war ja schuld, weil sie den Mann verführt hatte. Und der Mann das schützenswerte Opfer. Wenn die Mutter aus Verzweiflung den Namen des Vater ihres Kindes angab, dann war das Verständnis grenzenlos und es gab eine empfindliche Bestrafung! Zuerst den Familienvater verführen, dann auch noch schwanger werden und dann auch noch die Frechheit zu besitzen, den Namen des Vaters zu nennen! So die Denke damals.
Zur selben Zeit gab es im vielleicht damals moderneren Deutschland auf der anderen Seite des Rheins eine ganz andere Regel. Da waren junge Frauen in einer solchen Situation verpflichtet, den Vater anzugeben! Auch damit die Obrigkeit diesem die Sorgepflicht für das Kind auferlegen konnte.
Vielleicht waren solche „moralischen Differenzen“ auch ein Grund, warum die beiden Länder damals noch natürliche Feinde waren. Ein weiteres Beispiel für das Problem mit der Moral finden wir beim Thema „Homosexualität“. Wie oft und sehr wurden Menschen mit einer erhöhten homophilen Neigung gesellschaftlich ausgegrenzt? Wie viel Unglück ist diesen widerfahren?
Alles nur wegen einer Moral, die ganz einfach mal davon ausging, dass nur die heterosexuelle Veranlagung in Ordnung wäre! Weil alles andere widernatürlich oder noch schlimmer wäre? Wie viel wurde hier gelogen und betrogen, gelitten und natürlich auch pervers reagiert. Ganz zu schweigen, wenn solche Situation noch durch vermeintlich besonders edle Handlungsprinzipien wie die persönliche Übernahme des Zölibats verschlimmert wurden?
Oder man denke an das Thema Abtreibung. Das Spektrum der moralischen Bewertungen geht nach wie vor von der Kriminalisierung der Abtreibung bis zum fast schon selbstverständlichen Verhütungsmittel, ähnlich wie die Bewertung der „Pille danach“. In den 60iger und 70er Jahren gab es da einen unappetitlichen Abtreibe-Tourismus für deutsche Frauen nach England, Holland oder Jugoslawien, unterstützt vom Moralgefälle in Europa.
Auch die Prostitution wird auf der Welt sehr unterschiedlich behandelt, gleichwohl existiert sie überall. Da gibt es alle Formen vom kriminalisierten und heimlichen Geschäft bis zur gesellschaftlich akzeptierten Variante einer anderen Form von Dienstleistung.
In China zum Beispiel ist offiziell die Prostitution strengstens verboten. Sie wird vom Gesetzgeber mit drakonischen Strafen bedroht. Stehe ich aber auf einem belebten Platz in einer der großen Citys in China, weil ich gerade auf jemand warte, dann bekomme ich sehr schnell eindeutige Angebote („do you want a baby?“). In Wikipedia lese ich dann nach, dass trotz des Verbotes die Prostitution in China massenhaft stattfindet. Kommunale und staatliche Organisationen unterstützen sie sogar, um die staatlichen Kassen zu füllen.
Ich will hier nicht werten oder gar moralisieren. Nur darauf hinweisen, dass Moral an sich ein sehr schwieriges Thema ist. Das dieses „Man tut das nicht“ … abhängig von Zeit und Ort sehr unterschiedlich bis gegensätzlich sein kann. Und dass dieses „Man tut das nicht“ auch immer sehr willkürlich erscheint und sehr wohl hinterfragbar ist. Und wir deshalb auch daran rütteln dürfen.
RMD
Zu den Bildern: Es sind zwei Schnappschüsse aktuell aus München (Neuperlach), wieder mal mit dem Smartphone beim durch die Stadt radeln aufgenommen.
Eine Antwort
„Nicht petzen“ is an interesting case. This rule seems to develop automatically in various communities, such as schoolchildren or jailbirds, although the authorities, (teachers, parents, police,etc.), are usually against it.