Mankell gehört zu der Gruppe schwedischer Krimischreiber, deren Namen wiederholt in unseren Bestsellerlisten auftauchen. „Tiefe“ ist jedoch weder Krimi noch Thriller. Wir blicken eher in das „Eismeer“ von Caspar David Friedrich und hören dazu das Adagietto der 5. Sinfonie von Gustav Mahler.
Es ist die Geschichte von Lars Tobiasson-Svartman, einem Spezialisten für Seevermessungen, der bei Beginn des ersten Weltkrieges, in der Einsamkeit der Schären vor Stockholm, neue Fahrrinnen auslotet. Auf einem abgelegenen, vergessenen Fleckchen Eiland trifft er eine Frau. Er flieht der bürgerlichen Existenz, der Gattin, der Tochter und nimmt Kurs auf Tauchstation, auf ein tragisches Ende in einsamer Tiefe.
Mankell malt machtvolle Stimmungsbilder der einsamen, windgepeitschten, eisigen Einöde der Schären. Die Seeschlachten des Weltkrieges sind rotschimmernde Blitze, grollende Gewitter am melancholischen Horizont.
Die dunklen Tiefen der Seele des „Helden“ spiegeln die frostige Leere des erstarrten baltischen Meeres. Tobiasson-Svartman ist gähnende Gleichgültigkeit, unendliche Teilnahmslosigkeit, ein klaffendes Vakuum der Gefühle, ein Fremder in der Welt, in der Liebe, im Egoismus.
Die Frauen sind verwischte Konturen. Wie hinter Schleiern des Nebels halten sie ahnungslos einsame Wacht. Wegweiser im Nirgendwo…Sirenen des Scheiterns…
Die Mini-Kapitel (206 für 515 Seiten der englischen Ausgabe) ziehen den Leser unwiderstehlich in die Abgründe der Seele eines Seelenlosen. Die Grundstimmung ist dumpfer Lebensschmerz und tiefste Depression, eine bemerkenswerte literarische Performance.
Je nach Laune und Geschmack, wird die Bandbreite der Lesermeinungen wohl von stocklangweilig bis düster faszinierend reichen.
„Tiefe“ ist kein „Must“ sondern ein „Can“ und das ist im aufgewühlten Meer der Bücher gar nicht so schlecht.
HPK