RESIGNATION.

Medusa war ursprünglich eine betörende Schönheit. Dann brach sie auf und brachte Unheil über die Welt.

MEDUSA - Die Göttin des Unglücks
MEDUSA – die Göttin der Apokalypse
1895. Aquarell auf Papier. Sammlung Hand/Nyeste, Glencoe, USA.

Vorgestern habe ich einen Tweet von gelesen:
All der Wahnsinn um einen, da wundert es eigentlich, dass nicht mehr Menschen durch diesen Wahnsinn psychisch krank werden.

Den Autor dieser Zeilen kann ich gut verstehen. Irgendwie läuft zurzeit alles schief:

Weltklima:
Da wird eine Weltkonferenz in Paris veranstaltet. Eine einzige große Schau. Mit Tausenden von Teilnehmern. Als Ergebnis bringt sie völlig unverbindliche Beschlüsse, die dann irgendwann mal in weiter Zukunft wirksam werden sollen. Oder auch nicht. Interessiert ja eigentlich doch keinen. Und uns wird das in den Medien sogar noch als positiv verkauft.
Nur: Australien genehmigt nur ein paar Tage nach dem großen Theater von Paris den Neubau eines umstrittenen Kohle-Export-Hafens, einer Jahrhunderts-Investition. So regiert die Realität des Systems auf die schöne Worte.

Europa:
In die Zwangsjacke des Euro gesteckt ist es schon lange zur bürokratischen Farce verkommen. Nun wird es immer mehr zur Brutstätte eines neuen Nationalismus und zum losen Verbund undemokratischer Nationalstaaten, der kurz vor dem Zerbrechen steht. Das dann auch keiner so richtig bereuen dürfte. Da hilft auch das gebetsmühlenartige Beschwören der nur auf dem Papier vorhandenen „Wertegemeinschaft“ nichts, im Gegenteil es tut nur noch weh. Schön war die Epoche der Freizügigkeit, aber vorbei ist halt vorbei.

Flüchtlinge:
Ich bin dafür, Menschen zu helfen, die in Not sind. Ich bin auch bereit, etwas abzugeben und eine Veränderung unseres Lebens und Landes in Kauf zu nehmen. Weil Wandel ganz normal ist. Und weil sich eh soviel ändern muss. Aber wie das gesellschaftlich funktionieren soll, weiß ich nicht. Wie sollen zum Beispiel männliche Flüchtlinge, die im islamischen Nordafrika zur Verrücktheit sozialisiert wurden dann unsere verrückte Gesellschaft aushalten ohne noch verrückter zu werden? Und anders herum? Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Aber vielleicht kriegt man dies ja hin. Aber sicher nur, wenn man es auch will und bereit ist, etwas (ganz schön viel) dafür zu tun.

Afrika:
Nordafrika und wahrscheinlich fast ganz Afrika ist nach Jahrhunderten der kolonialen Ausbeutung (zuerst brutal, dann subtil aber nicht weniger effizient) am Ende. Der viel bejubelte „arabische Frühling“ hat steigende Lebensmittelpreise (allein für sich schon schrecklich für die meist sehr armen Menschen der Region), Krieg und Instabilität gebracht. Arme Länder wie Ägyptern sind mehr als pleite, die „Reichen“ (sogar die Ölstaaten) haben riesige Staatsdefizite. Und überall wird gemordet, geraubt und gebrandschatzt.

USA:
Die haben den „Lead“ in unserer „freiheitlichen Wertegemeinschaft“. Und verkommen selber immer mehr. Polizisten erschießen bevorzugt Schwarze. Menschen erschießen ist dort ein beliebter Volks-Sport (über 30.000 im Jahr). Heilige Waffengesetze ermöglichen das alles, weil Waffen „die Freiheit schützen“. Nicht nur deswegen sitzt ein hoher Anteil der Einwohner in Gefängnissen, dies mit steigender Tendenz. Natürlich ist der Anteil der „Schwarzen“ überproportional hoch.
Die Todesstrafe ist legitim, Strafe wird häufig mit Rache verwechselt. Der Kampf gegen den Terrorismus ist oberstes Ziel und rechtfertigt alles – und was für ein Paradoxon – es macht diesen aber nur stärker. Religiöser Wahn (Kreativismus ist in god’s own country keine Seltenheit …) ist in Mode und fast schon Methode; Bigotterie und Heuchelei sind im Vormarsch. Die Republikaner feiern ihre Vordenkerin Ayn Rand und diskutieren über merkwürdige Kandidaten. Und bald wird ein neuer Präsident gewählt. Und ganz demokratisch wird der gewinnen, der das höher Budget für seinen Wahlkampf hatte.

Problemstaaten:
Da fasse ich mich kurz, denn sonst würde es zu lang werden. Dazu gehören für mich alle Bric-Länder, da sind China, Indien und Brasilien dabei, also wesentlicher Anteil der Weltbevölkerung. Und eine ganze Reihe ähnlich mehr. Wie die noch funktionieren versteh ich eh nicht. Zumindest was ich da so vor Ort erlebe …

Globalisierung:
Immer seltsamere Blüten treibt diese. Und es wird wohl nicht besser. TTIP läßt grüßen. Und der Wanderzirkus der Ausbeutung zieht derweil über die Kontinente.

Kapitalismus:
Der Kapitalismus hat den Kommunismus besiegt. Gemeinwohl-Ökonomie – wie sie auch im Sinne der Väter der Bayerischen Verfassung ist – kämpft wie ein ein kleines grünes Pflänzchen am Strassenrand gegen die Beton-Maschinerie der großen Konzerne.

Medizin:
Auch in der Gesundheitsindustrie gehen Umsatz und Ergebnis über alles. Der Patient ist das „Mittel zum Zweck“ und hilft, die Maschinen aus zu lasten. Hauptsache die Dividenden der Schicki-Micki-Kliniken stimmt. Ist doch eh das einzige, wo man noch investieren kann. 😉
Wenn ich so erlebe, wie viele alte Menschen noch kurz vor ihrem Tod so richtig in die medizinische Mangel genommen werden und ihre letzten Wochen unwürdig in unmenschlicher und entwürdigender Umgebung verbringen, dann steigt die persönliche Furcht vor dem Tode. Und gegen manche dieser Schicksale hilft auch keine „Patientenverfügung“.

Mobilität:
Auch die Teilnahme an unserem AktMobCmp am 4./5. Januar dieses Jahres hat meine Bewertung verstärkt, dass wir gesellschaftlich nicht nur bei der Mobilität in einer totalen Sackgasse stecken, hier wegen einer sinnlosen Vorfahrt für den motorisierten Individualverkehr.

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Da könnte ich noch länger fortsetzen. Deshalb jetzt nur noch ein vergleichsweise unwichtiges Thema, das mir aber wirklich symptomatisch für die gesamte Situation zu sein scheint.

Fußball:
Sogar bei der schönsten Nebensache der Welt graut es einem nur noch, und das auf allen Ebenen. Die Fifa ist zu einem korrupten Unternehmen verkommen, dass sein Schmierentheater zelebriert. Das „Sommermärchen“ wurde gekauft und bizzarer als bei unserem Dorfverein 1860 geht es nicht mehr. Und vor wenigen Tagen ist ein neuer Wettskandal berichtet worden: Auf ein drittrangiges Testspiel zwischen SV Wehen Wiesbaden und Borussia Mönchengladbach II, das in Side/Türkei stattfindet, pfeift ein Schiedsrichter zwei „Slapstick-Elfmeter“. Den Schiedsrichter kennt keiner, aber in Asien auf dieses Spiel mit deutschen Klubs außergewöhnlich hoch gewettet wurde. Ist das nicht absurd? Gut, dass der DFB seine Geheimwaffe hat, die Firma Sportradar, die für solche Zwecke zuständige Investigationswaffe.

Soweit meine Klage

Es bleibt nur noch ein kleiner Rest von Hoffnung. Sicher dürfen wir weiter hoffen. Dass alles ein gutes Ende findet. Und müssen oder sollten auch alles dafür tun. Allerdings fühle ich mich so ohnmächtig, dass mir langsam die Lust vergeht.

So beschließe ich, den ganzen Mist zu lassen. Ab sofort ignoriere ich das alles. Und versuch mein kleines Leben lustvoll zu genießen. Werde vor allem Dinge, die mir Freude bereiten. Und besorge mir meinen Spaß, in dem ich wieder mehr unternehme und „mein Ding“ mache.

RMD

P.S.
Die Medusendarstellung aus Wikipedia ist von Carlos Schwabe, 1890.
(Quelle)

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