+Hubert Spiegel berichtete Donnerstag um 11.50 Uhr in der vollbesetzten ‚Anstaltskantine’ über die eigenartigen Umstände, die zur Entlarvung des geheimnisumwitterten ‚Spiegelteufels’ geführt haben. Er begann etwas ungelenk mit den Worten:
„Wissen Sie, ich persönlich bin kein Insasse dieser ‚Anstalt’! Aber meine Mama schon! Vor fünf Jahren ist sie auf eigenes Betreiben hier eingeliefert worden! Sie werden es nicht glauben, aber ihr schmeckte die Nudelsuppe in dieser ‚Anstaltskantine’ so gut, dass sie nirgends wo anders mehr hin wollte. Ist schon verrückt, gell?
Na – und ich besuch sie halt jetzt so oft ich kann. Aber immer hat man ja auch keine Zeit! Schließlich müssen wir alle ziemlich ‚hackeln’! Denn wir haben ja alle keinen Geldscheißer daheim…
Aber davon abgesehen – auch wenn das jetzt vielleicht ein bissel komisch klingt – gehör’ ich nicht zu den Bekloppten hier in der ‚Anstalt’!
Obwohl in der Früh um Sechs – muss ich ehrlich sagen – wenn ich in meinem Bad vor dem Spiegel stehe und mir diese ‚Watschenpappen’ anschau’, die mir da entgegengrinst, bin ich mir oft nicht mehr so sicher, ob ich, der Hubert Spiegel, nicht doch auch zu den Depperten gehör’!
Und auch nicht – ob der, der mir da so blöd entgegen grinst, ich bin? Oder nicht ein ganz anderer? Ein ‚Spanner’ vielleicht? Oder sogar einer von diesen ‚Stalkern’, wie die Amis sagen…
Kennen Sie das auch, dass so ein ‚Watschenpapperter’ Sie jeden Tag bis ins Badezimmer verfolgt? Bis vor den Spiegel? Das Einzige was mir da hilft ist, dass ich einfach die Zunge raus strecke!
So!!! Ja – so richtig lang meinen Schlecker raushängen lass’ …
Wenn der andere mir dann nämlich auch seinen Schlecker zeigt, dann weiß ich wenigstens, dass der genau so ein Blödel ist wie ich und ich mir keinen Kopf machen muss, wenn er bei mir im Bad herumlungert – soll er doch!
Schlau, gell?
Na ja, man hat halt so seine Tricks ausgetüftelt über die Jahre – schließlich ist man ja nicht ganz kaputt im Hirn! Sicherheitshalber mach’ ich dann aber schon öfters auch noch einen ‚Ohrwascheltest’!
Kennen Sie den? Der ist nämlich gar nicht so ohne…
Was glauben Sie wie lange dieser ‚Watschentyp’ in meinem Bad gebraucht hat, bis der den begriffen hat und mich überzeugen hat können, dass er wirklich kein schlimmer Finger ist, der mir an die Wäsche will! Das kann ich nämlich überhaupt nicht leiden: diese Schwuchteln fürcht’ ich wie der Teufel das Weihwasser!
Jedenfalls war es am Anfang immer so, dass wenn ich bei dem Ohrwascheltest meinen Schlecker rausgestreckt hab’ – und der ‚Watschenpapperte’ auch – und ich mir dann mit der rechten Hand ans rechte Ohrwaschel gegriffen hab’, weil ich wissen wollt’, was der andere jetzt macht – dann hat dieser ‚Teufel’ sich jedes Mal exakt mit der linken Hand ans linke Ohrwaschel gegriffen… Genau andersrum als ich? Können Sie sich das vorstellen? Und das jedes Mal…
Anfangs bin ich fast verrückt geworden! Ich konnt’ einfach nicht glauben, dass dieser ‚blöde Teufel’ es nicht schafft, so was Einfaches nach zu machen, sondern immer genau das Gegenteil machen muss? Das konnt’ ich echt nicht glauben…
Und ehrlich – ich hab’ mich dann nur an der heraushängenden Zunge orientiert, um sicher zu gehen, dass das wirklich nur der mir bekannte Blödel ist…
Aber einfach war das nicht!
Weil das Hinterfotzige an dem Saukerl war nämlich, dass der sich manchmal schon mit seiner rechten Pratzen auf sein rechtes Ohrwaschel gegriffen hat!
Ja – das hat er schon gemacht! Aber wissen Sie, wann er das gemacht hat? Nämlich genau dann, wenn ich mit meiner linken Hand auf mein linkes Ohrwaschel gegriffen hab’ – ausgerechnet dann hat er es mit der rechten Hand gemacht dieser Saukerl – aber sonst nicht! Nicht ums verrecken…
Und das um Sechs in der Früh und jeden Tag – außer am Sonntag, weil ich mich da nicht wasch’ und gar nicht ins Bad geh’! Da mach ich mich nämlich eh in der Kirche nass – mit dem Weihwasser!
Also – wer bei so einem Affenzirkus jeden Tag, nicht selbst blöd im Hirn wird, der ist entweder schon komplett vertrottelt, oder bei dem geht – entschuldigen Sie wenn ich das so drastisch sag’ – sowieso alles am Arsch vorbei!
Aber bei mir geht natürlich nichts vorbei, wie Sie sich denken können? Wer bin ich denn? Ich bin doch nicht meine Mama?
Ja – bei meiner Mama, hätte dieser ‚Teufel’ im Badezimmer natürlich ewig so weiter machen können, die hätte sich nicht gewehrt; die hat sich ja immer schon von jedem komischen Schmähführer einwickeln und ausnutzen lassen.
Aber mit mir ging das natürlich nicht! Dazu bin ich doch viel zu abgedreht…
Wissen Sie, wie ich letzten Dienstag diesen Saukerl dann überlistet hab’?
Um Sechs in der Früh! In meinem Bad! Ich wette das erraten Sie nie und nimmer, obwohl es eigentlich total logisch ist, wenn man’s genau nimmt!
Weil – als ich letzten Dienstag – wieder vor dieser grinsenden ‚Watschenpappen’ gestanden bin – mit einem heraushängenden Schlecker bis zu den Brustwarzen – und dieser Teufel auch seinen Lappen raushängen hat lassen – da bin ich – abgedreht wie ich bin – erst auch wieder ganz langsam mit meiner rechten Hand zum rechten Ohrwaschel gegangen – aber als der andere dann wie immer nur blöd gegrinst hat und mit seiner linken Pratzen zum linken Ohrwaschel greifen wollt’ – da hab ich wie der Blitz meine linke Hand nachgezogen – so dass dieser Armleuchter mir gegenüber gar nichts Anderes tun konnte, als sich auch an sein rechtes Ohrwaschel zu greifen – genau wie er es immer gemacht hat…
Und ich hätte mir wirklich gewünscht, liebe Leut’, dass Sie das blöde Gesicht sehen hätten können, was mir dieser Trottel mit seiner heraushängenden Zunge da plötzlich entgegen gehalten hat – so mit beiden Pratzen an beiden Ohrwascheln – und zwar haargenau wie ich – und nichts mehr links! rechts! und so…
Für mich war das wie ein Befreiungsschlag auf’n Kopf kann ich Ihnen sagen!
Denn auf einmal ist mir aufgegangen – dass dieser ‚watschenpapperte Arsch’ mich die ganze Zeit nur abgetäuscht hat, mit seinem ‚Links – Rechts Dradiwaberl’ – und dass der in Wirklichkeit ja gar kein anderer war! Nein absolut nicht! Sondern, dass der eh immer nur ich war! Ja ich, ich, ich – mit mir – und niemand anderem.
Können Sie sich das vorstellen?
Und was glauben Sie, wie wir dann alle zwei gelacht haben, wie wir da draufgekommen sind! Wir haben uns gekringelt vor Lachen – alle zwei – und haben uns richtig abgehauen und überhaupt nimmer eingekriegt…ein Wahnsinn war das – echt!
Und jetzt werden Sie sicher auch versteh’n, warum ich heute da bin!
Ich muss das nämlich unbedingt meiner Mama erzählen – unbedingt! Auch wenn sie wieder meckern wird, weil sie vorher noch ihre Nudelsuppe essen will!
Aber sie muss einfach wissen, dass in meinem Badezimmer niemals ein Fremder gewesen ist – überhaupt nie! Sondern immer nur ich – und das sogar mit mir…
Drum nichts für ungut und Servus alle miteinander – aber ich muss jetzt zu ihr! Sie braucht mich!“
KH
PS: Über dieses Ereignis berichtete der Autor (in Wiener Dialekt) 2016 im Rahmen einer Halloween-Veranstaltung der ‚Autorengruppe ZwanzigZehn’ im Olof Palme Haus in Hanau.
2 Antworten
Die Story ist immer noch gut – ich hab sie ja damals im Original gehört 😉 Ist gut gealtert.
Danke Esther, freut mich!