Ein Manifest für FRIEDEN!

🙂 Es lohnt sich immer wieder Bayern2 zu hören. Diesmal war es das Kulturjournal, das voll in mein Herz getroffen hat.

Ingeborg Bachmann: Graffito von Jef Aérosol am Musilhaus in Klagenfurt

Ein Thema in der gestrigen Sendung war Literatur und Poesie in den Nachkriegsjahren. Der letzte Beitrag war ein Gespräch mit dem Publizisten Peter Hamm, das mich sehr beeindruckt hat. Die gesamte Sendung kann man als Podcast (Kulturjournal vom 26. Februar 2017) nach hören.

Peter Hamm hat sehr eindringlich berichtet, wie er Anfang der 50iger Jahre vor dem Hintergrund der Wiederbewaffnung gelitten hat. „Die Wiederbewaffung hat für ihn krass formuliert das Ende seiner Beziehung zum neuen Staat bedeutet“, so Peter Hamm im Gespräch. Damals hat er Autorinnen wie Ingeborg Bachmann und Nelly Sachs gelesen. Uns so damals das „Manifest seiner Generation“ gefunden, das Gedicht von Ingeborg Bachmann „Alle Tage“.

Und es hat in meinem Kopf Klick gemacht. Denn dieses Gedicht war auch das Manifest unserer Jugend. Es ist ein Hilfeschrei  von Ingeborg Bachmann, der aktueller denn je ist!

 

Alle Tage

Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.

Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.

Er wird verliehen
für die Flucht von den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.

Ingeborg Bachmann
(1952)

 

Wie ich das gelesen habe, war ich nur traurig. Und gerade die letzten sechs Zeilen verkörpern meine Sehnsucht!
Wie sehr würde ich mich freuen, wenn „Alle Tage“ auch zum Manifest der jungen Generation werden würde!

RMD

P.S.
Auf dieser Seite von lyrikline findet sich ein Audio von „Alle Tage“.
Bild und Signatur von Ingeborg Bachmann habe ich im deutschen Wikipedia gefunden.

Weitere Infos zum Gedicht:
© Piper Verlag GmbH, München 1978
Aus: Die gestundete Zeit. 1953.
Heute in: Werke Band 1
München: Piper, 1978
ISBN: 3-492-11700-7
Die Audioproduktion lyrikline ist vom Norddeutschern Rundfunk (1952). Auch sie hat mich sehr beeindruckt.

Eine Antwort

  1. Ich finde Evelyns Übersetzung des Gedichtes von Ingeborg Bachmann in der englischen Version ganz große Klasse!

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