Unter meinem Artikel Texte zur Weltfinanzkrise, in dem ich die Paragraphen 151 und 157 der Bayerischen Verfassung zitiere, steht ein zynischer (?) Kommentar. Dieser Kommentar hat mich erschreckt. Ich glaube wirklich, dass man den Sinn und Zweck von Wirtschaft wie auch die Legitimation von freier Marktwirtschaft kaum besser als in diesen beiden Paragraphen beschreiben kann. Und ich glaube auch, dass unsere Verfassung von weisen Menschen mit hoher sittlicher Verantwortung gewissenhaft erarbeitet wurde und es nicht einfach sein wird, sie zu verbessern.
So war für mich dieser Kommentar Anlass, die Bayerische Verfassung weiter zu studieren. Und da habe ich noch weitere Artikel gefunden, die mich sehr beeindruckt haben und die ich deshalb im folgenden zitiere:
Artikel 141 Denkmalschutz; Naturschutz; Freier Zugang zu Naturschönheiten
(1) Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist, auch eingedenk der Verantwortung für die kommenden Generationen, der besonderen Fürsorge jedes einzelnen und der staatlichen Gemeinschaft anvertraut. Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet und geschützt. Mit Naturgütern ist schonend und sparsam umzugehen. Es gehört auch zu den vorrangigen Aufgaben von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, Boden, Wasser und Luft als natürliche Lebensgrundlagen zu schützen, eingetretene Schäden möglichst zu beheben oder auszugleichen und auf möglichst sparsamen Umgang mit Energie zu achten, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhalten und dauerhaft zu verbessern, den Wald wegen seiner besonderen Bedeutung für den Naturhaushalt zu schützen und eingetretene Schäden möglichst zu beheben oder auszugleichen, die heimischen Tier- und Pflanzenarten und ihre notwendigen Lebensräume sowie kennzeichnende Orts- und Landschaftsbilder zu schonen und zu erhalten.
(2) Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts haben die Aufgabe, die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft zu schützen und zu pflegen, herabgewürdigte Denkmäler der Kunst und der Geschichte möglichst ihrer früheren Bestimmung wieder zuzuführen, die Abwanderung deutschen Kunstbesitzes ins Ausland zu verhüten.
(3) Der Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere das Betreten von Wald und Bergweide, das Befahren der Gewässer und die Aneignung wildwachsender Waldfrüchte in ortsüblichem Umfang ist jedermann gestattet. Dabei ist jedermann verpflichtet, mit Natur und Landschaft pfleglich umzugehen. Staat und Gemeinden sind berechtigt und verpflichtet, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen und Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten und allenfalls durch Einschränkungen des Eigentumsrechtes freizumachen sowie Wanderwege und Erholungsparks anzulegen.
Artikel 152 Staatliche Überwachung der Bedarfsdeckung
Die geordnete Herstellung und Verteilung der wirtschaftlichen Güter zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfes der Bevölkerung wird vom Staat überwacht. Ihm obliegt die Sicherstellung der Versorgung des Landes mit elektrischer Kraft.
Artikel 158 Sozialbindung des Eigentums
Eigentum verpflichtet gegenüber der Gesamtheit. Offenbarer Missbrauch des Eigentums- oder Besitzrechts genießt keinen Rechtsschutz.
Artikel 160 Sozialisierung; Überführung in Gemeineigentum
(1) Eigentum an Bodenschätzen, die für die allgemeine Wirtschaft von größerer Bedeutung sind, an wichtigen Kraftquellen, Eisenbahnen und anderen der Allgemeinheit dienenden Verkehrswegen und Verkehrsmitteln, an Wasserleitungen und Unternehmungen der Energieversorgung steht in der Regel Körperschaften oder Genossenschaften des öffentlichen Rechtes zu.
(2) Für die Allgemeinheit lebenswichtige Produktionsmittel, Großbanken und Versicherungsunternehmen können in Gemeineigentum übergeführt werden, wenn die Rücksicht auf die Gesamtheit es erfordert. Die Überführung erfolgt auf gesetzlicher Grundlage und gegen angemessene Entschädigung.
(3) In Gemeineigentum stehende Unternehmen können, wenn es dem wirtschaftlichen Zweck entspricht, in einer privatwirtschaftlichen Form geführt werden.
Artikel 161 Bodenverteilung; Nutzung des Wertzuwachses von Grund und Boden
(1) Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen überwacht. Missbräuche sind abzustellen.
(2) Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.
Die zitierten Aussagen entsprechen meiner Wertvorstellung. Zu jedem Artikel stelle ich täglich massive Verstöße fest. Welchen Sinn machen Verfassung und Gesetze, wenn man sie nicht mehr ernst nimmt? Und nur weil wir die letzten 50 Jahre in einer Region unseres Planeten leben, die vom Wohlstand verwöhnt und verdorben wurde, sollten wir doch nicht die wichtigen Dinge des Lebens vergessen und unsere Zukunft verschleudern. So fordere ich die Befolgung der in unserer Verfassung festgelegten Gebote. Denn:
🙂 Wer die Umsetzung der Verfassung fordert, kann doch kein Verfassungsfeind sein?
Bei meiner Durchsicht der Verfassung ist mir im übrigen ein Tippfehler aufgefallen, und zwar im § 169, direkt in der Überschrift:
Artikel 169 Midestlöhne, Tarifverträge
(1) Für jeden Berufszweig können Mindestlöhne festgesetzt werden, die dem Arbeitnehmer eine den jeweiligen kulturellen Verhältnissen entsprechende Mindestlebenshaltung für sich und seine Familie ermöglichen.
(2) Die Gesamtvereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden über das Arbeitsverhältnis sind für die Verbandsangehörigen verpflichtend und können, wenn es das Gesamtinteresse erfordert, für allgemein verbindlich erklärt werden.
Jetzt bin ich ein wenig konservativ. Tippfehler in einem Blog nehme ich hin. Eine Verfassung sollte aber frei von Tippfehlern sein, gerade wenn sie im Internet steht. Und gerade dort müsste der Tippfehler doch auffallen, allein schon weil die Rechtschreibkontrolle diesen im Browser rot unterpunktet. Deshalb werde ich jetzt eine E-Mail an die Bayerische Staatskanzlei schreiben, mit der Bitte den Tippfehler zu korrigieren.
Oder ist der Tippfehler ein Index dafür, das die Verfassung niemanden mehr sonderlich interessiert und sie keiner mehr liest? Das wäre schlimm, deshalb hier der Link zum nachlesen.
🙂 Noch ist der Tippfehler enthalten. FALSCH, am 28. Januar 2009 wurde er beseitigt :-).
Alle kursiv gesetzten Texte auf dieser Seite haben das copyright des Bayerischen Landtags:
(© Bayerischer Landtag)
RMD
3 Antworten
Zum Tippfehler:
1. Der Text steht beim Landtag, die Staatskanzlei hat damit wenig zu tun.
2. Ueberschriften sind in der Regel nicht Teil einer Verordnung / eines Gesetzes, sondern werden von demjenigen ergaenzt, der sie veroeffentlicht. Sonst koennte z.B. Juris oder Beck nicht so leicht Copyrights auf die Gesetze geltend machen, da aber u.a. die Ueberschriften hinzugefuegt wurden ..
=> Die korrekte Ueberschrift fuer den Artikel heisst nur „Art. 169“, der Rest wurde (falsch) ergaenzt.
Zum Thema Gueltigkeit hilft wikipedia ;):
„Durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes verlor sie [die Bayerische Verfassung] jedoch stark gegenüber ihrer vorigen Bedeutung, schon einfach deshalb, weil nun zentrale Fragen von den Verfassungsorganen des Grundgesetzes, und nicht mehr dieser Verfassung, getroffen werden. Außerdem gilt, falls Grundgesetz und Bayerische Verfassung unterschiedliche Auffassungen vertreten, der Grundsatz Bundesrecht bricht Landesrecht (Artikel 31 GG).“
🙂 Hi Oli – das wäre dann ja ein Grund mehr, für die Unabhängigkeit Bayerns zu plädieren 🙂 Roland