Es gibt immer wieder etwas Neues. Vor ein paar Tagen habe ich die FUCKUPNIGHTS entdeckt. Und bin auch gleich dabei 🙂 .
We Live Life Without Filters
Das ist das Motto dieser Bewegung, die sich FUCKUPNIGHTS nennt. Sie hatte ihren Ursprung in Mexiko und hat von dort aus einen Siegeszug in weite Teile der Welt angetreten.
Es geht ums Scheitern. Wie im Juni 2016 beim PM-Camp in Berlin. Denn Scheitern gehört einfach dazu. Es kann sogar erfolgreich sein. Denn man lernt viel dabei. Und man kann das Gelernte nicht nur für sich selber trefflich nutzen sondern auch mit anderen Menschen teilen. Denen es beim Nichtscheitern (= Erfolg haben) helfen kann.
Das Techdivision-Marketing hat die Fuckup Night nach München und Rosenheim geholt. Am 5. 7. (also heute) findet so in München in der Balanstr. eine FuckupNight statt. Und sie suchten noch „Speaker“. So wurde ich von Sacha angefragt (dem Boss von Techdivision in der Balanstr.):
Hi Roland, hast Du Lust und Zeit uns ein persönliches Fuckup-Beispiel aus Deinem Leben in 7 Minuten Zeit und maximal 10 Slides zu berichten?
Hier für Euch die Info zu FUCKUPNIGHTS in München. Die Veranstaltung heute ist leider schon überbucht, wie die meisten Veranstaltungen von Techdivision (die man alle in meetup findet).
Da bin ich natürlich gerne dabei. Das bedeutete für mich aber auch, dass ich mich vorbereiten musste. So ging ich in mich und überlegte mir:
- Was waren meine größten Flops, meine schlimmsten Tiefschläge?
- Wann hat mich das Leben so richtig klein gemacht.
- Wie war das, als ich mich als der absolute Versager gefühlt habe.
- Was davon kann ich in der Öffentlichkeit berichten, ohne andere Menschen zu beschädigen?
Es gibt auch ein Speaker Manual zu FuckUpNights, das ich hier kopiere:
Speaker Manual: Was sind die FuckUp-Nights überhaupt?
„FuckUp-Nights“ klingt anrüchig? Ist es aber nicht! Die „FuckUp-Nights“ sind dazu da, öffentlich über schief gelaufene Projekte, Arbeiten und Ideen zu sprechen und diese Erfahrung mit der Community zu teilen. In lockerer Atmosphäre werden an diesem Abend wertvolle Erfahrungen von erfolgreichen Managern, Unternehmen und Startups weitergegeben, um daraus zu lernen.
3 – 4 Personen berichten jeweils in 7 Minuten zur Abwechslung mal nicht von großen Erfolgsgeschichten, sondern erzählen mit Witz, Humor in aller Offenheit davon, wie es auch mal schief laufen kann – damit sind wir bei den sog. FuckUps.
Wie präsentiere ich meinen „FuckUp“ in 7 Minuten?
Bitte sende uns vorab
- 10 Folien, die deinen Misserfolg bildlich darstellen. Nummeriere die Bilder von 1-10, die dann in dieser Reihenfolge erscheinen sollen. Bitte denke daran, dass jedes Bild nur ca. 40 Sekunden erscheinen sollte, damit die 7 Minuten nicht überschritten werden.
- Deine Kurzbiografie, damit wir dich am Tag des Events vorstellen können. (1-2 Abschnitte)
Denke während der Präsentation, wenn möglich, an folgende Punkte:
- Wer bin ich?
- Was war die anfängliche Idee des Projektes/Geschäfts?
- Was ist schief gelaufen?
- Was hätte ich anders gemacht? Was hab ich daraus gelernt?
Und vergiss nicht!!!
Es sind die FuckUp-Nights! Fehler passieren eben, Hauptsache du kannst mit Begeisterung, Witz und Humor davon erzählen! Hab also Spaß beim präsentieren! 🙂
Das gefällt mir. So denke ich gerne über meine persönlichen „fuck-ups“ nach. Am härtesten treffen mich persönliche Enttäuschungen, besonders wenn sie mit Menschen zu tun haben. Die schmerzen – und die will ich aber nicht auf einer Fuckup-Night öffentlich berichten, zu leicht könnte ich da anderen Menschen unrecht tun und diese verletzten.
So konzentriere ich mich auf meine unternehmerischen Flops. Einer davon war die große Vision des magicHIT. Die hat der InterFace Connection viel Geld gekostet und war letzten Endes kaufmännisch ein totaler Flop. Das könnte ein guter Beitrag werden, ich werde sie heute Abend berichten. Und schreibe die Geschichte mal hier auf. Sie beginnt mit: Ich war ein …
i) IT-Pionier der 3. Generation (ab 1969 Informatik) und
Lehrjahre bei Siemens und Softlab“.
Schwerpunkt: Industrielle Informatik (Herrschaftswissen 🙂 )
Leider zu wenig auf „die Spielzeuge“ wie Commodore und Atari geachtet.
Das hat sich später als großer Nachteil entpuppt.
ii) später Gründer“ mit Blitzstart (1984 – erst mit 34 Jahren)
Der Start hat geklappt – Wolf (mein Partner, nach dem ich lange gesucht hatte) und ich waren im Paradies – besonders wie wir unser erster Team hatten und ein Produkt entwickeln konnten.
Vereinfacht gibt es vier relevante Geschäfts-/Einkommensmodell-Typen für Unternehmen:
- Dienstleistung abgerechnet als Zeit & Material,
- das Gewerk,
- den Vollservice,
- ein Produkt
Unix ist unser Thema! Und Produkt die Königs-Disziplin. Also war unser Ziel:
Wir wollen ein Produkt für Unix bauen (weil ein Produkt Identität und skalierbares Einkommen schafft)!
Wir bauen CLOU/HIT!
iii) Innovation ist kreative Zerstörung
so auch Digitalisierung. Also: Schluss mit Aktenschrank, Schreibmaschine und Fernschreiber (damals noch relevantes Kommunikations-Werkzeug).
Datenbanken ans Stelle Papier, Dokumente werden automatisch erstellt, die Kommunikation geht über Rechnernetze.
Wir beginnen, die alte Welt zu zerstören.
iv) Das Leben ist ein Traum
Unser Produkt CLOU-HIT wird ein Renner.
Wenn man ganz schnell Marktführer wird, so ist das wunderschön. Große Kunden (Behörden wie Unternehmen) setzen unsere Software flächendeckend ein, füllen unsere Kassen und machen uns alle stolz.
v) Die Konkurrenz schläft nicht!
CLOU/HIT ist erfolgreich. Aber das Produkt kommt in die Jahre.
Das wissen wir. Trotzdem genießen wir unseren Produkterfolg. Und feiern diesen. Feiern sind wichtig für ein jedes Unternehmen.
Wir wissen aber, dass die Innovation weitergeht und wir etwas Neues brauchen. Denn wer seine Lorbeeren am Hintern trägt, trägt sie am falschen Körperteil.
vi) Wir starten die Entwicklung von MagicHIT …
… dem ersten ODA-/ODIF-EDITOR (ODA/ODIF ist ISO-Norm) weltweit, als „wysiwyg“-System mit mächtiger Semantik auf UNIX und X11).
Jedes Dokument ist Objekt einer Klasse, seine Semantik wird durch die Klasse festgelegt (Beispiele: Rechnung, Verträge, Bescheide, …).
Wir portieren MagicHIT auf Windows
Ein besonderes Team mit 10 Mitarbeiter arbeitet in einer großen Altbau-Wohnung im Tal nähe Viktualienmarkt in München und hat dort eine ganz besondere Arbeitsumgebung.
Das Produkt wird nach ein paar Jahren in einer guten „ersten Version“ fertig. Es gibt ein wunderbares Manual.
vii) Viele warnen uns!
Prominente Partner von Groß-Unternehmen und -Behörden warnen uns:
„Seit Ihr wahnsinnig, gegen MS anzustinken?!“
Wir sind Idealisten und ignorieren alle Warnungen.
Geld ist ja genug da (noch).
viii) Ein Kunde ist zu wenig!
Nach vielen Verkaufsbemühungen haben wir nur einen Kunden für den neuen MagicHIT – und das ist die Bundeswehr.
Sie will Ihre Gefechtsstände mit MagicHIT automatisieren.
Die Sache wird kritisch. Die Kosten bleiben, der Erfolg stellt sich nicht ein.
ix) Game over
Alle Behörden und großen Konzerne kaufen Word und Windows. Es macht keinen Sinn mehr. Wir kapitulieren und geben auf! Die Entwicklung von MagicHit wird eingefroren.
Vielleicht braucht es später ja noch mal jemand.
🙁 Und ich muss meinen Exit verschieben …
Fiasko mit Happy End
Wir müssen rechnen. Fast 10 Jahre haben 10 und mehr unserer Spitzenmitarbeiter für umsonst gearbeitet. Je nach Rechnung war das ein Investment zwischen 10 und 20 Millionen DM/EURO. Für lau!
Jedoch:
Das so gewonnene Knowhow hilft uns. Wir haben viel gelernt. Das hilft uns die nächsten 10 Jahre gut zu überleben. Eigentlich bis heute.
xi) Gelernt
Nicht immer siegt David gegen Goliath.
Wunder wiederholen sich nicht.
Nicht immer gewinnt das Produkt, das den größten Nutzen bringt.
Der Fortschritt ist langsam.
Gegen Macht, Schwindel und fiese Machenschaften kommt man oft nicht an.
Aber schön war es doch!
RMD
P.S.
Eigentlich war es ein Dreifach-Fuckup. Denn um die 10 Jahre später haben wir für Siemens und die Bayerische Justiz den MagicHIT noch mal implementiert – dann als ForumStar-Text.
Durch die Ignoranz eines Partner haben wir dann später eine eigentlich schon gewonnene Ausschreibung verloren (zweiter Fuckup) und aus ähnlichen Gründen ist das visionäre Projekt, ForumStar gemeinsam mit TUM, den Justizbehörden Bayerns und der Siemens AG in die Open Source zu bringen, gescheitert. Sogar Siemens hatte durch Adrian von Hammerstein (Vorsitzender des Bereichsvorstands beim IT-Dienstleister Siemens Business Services) auf Vorstandsebene zugestimmt. Das wäre vielleicht eine Sternstunde für Deutschland oder gar Europa gewesen.
Die Siemens AG hatte dann das offizielle Treffen zwischen Vertretern der TUM, der bayerischen Justiz und uns kurzfristigst abgesagt und ist nicht erschienen. Fuckup, von Hammerstein hat dann zeitnah die SBS verlassen und wurde später bei Kabel Deutschland zum wichtigen Reformer und Gestalter. Die Reste der SBS kann man bei ATOS bewundern und die InterFace AG macht weiter ihre Geschäfte, jetzt halt mit IT Compliance, CLOUD und auch immer noch mit Software-Entwicklung (nach dem Motto „es lebe devop!“) … Und die Justizbehörden in By und D werden jetzt von IBM betreut. So ist das Leben.
P.S.1
Und einen ganz großen Dank an die großartige Lydia von Techdivision, die mich so Klasse unterstützt hat!