Auf meiner letzten Reise durch die Karibik bin ich auf „ein schwarzes Kapitel“ der Menschenheit gestoßen, der Sklaverei. In einem Artikel habe ich von meinem Museumsbesuch in Curaçao berichtet und wie dieser mich dazu gebracht hat, mich dann auch mit der Leibeigenschaft in unserem werte-glorifizierten Abendland zu befassen. Habe wir und unser Abendland doch so arg christliche Wurzeln …
Je mehr ich über Sklaverei und Leibeigenschaft nachlese und -denke, desto mehr gewinne ich die Gewissheit, dass beides nicht aus „edlen“ – humanitären, menschenfreundlichen und aufgeklärten – (Beweg-)Gründen abgeschafft wurde.
Vielmehr haben ganz überwiegend „kaufmännische“ Motive die mehrere Tausend Jahre alte Sklaverei abgeschafft. Ohne den Segen des Kapitalismus (sprich der herrschenden Klassen, feudal oder monetär) wäre diese Veränderung nicht möglich gewesen.
Sklaverei hatte sich ganz einfach nicht mehr rentiert!
Alles was sich im Kaptialismus nicht mehr lohnt, hat ausgedient. Das galt für die Plantagen in Übersee genauso wie in der Landwirtschaft in Europa. Das war und ist für Technologie wie für die Menschen gültig. Der Sklave wurde durch den Arbeiter ersetzt. Der Leibeigene wurde wegen der Dampfmaschine abeschafft. Diese hat dann gegen den Diesel verloren. Der Diesel wird heute vielleicht durch den Elektromotor verdrängt.
Eine aktuelle Frage, die ja auch heiß diskutiert wird, heißt:
Verliert der Mensch gegen die künstliche Intelligenz?
Das wäre der nächste Schritt. Auf diese Frage habe ich keine Antwort.
Für die Vergangenheit scheint es mir aber klar, dass die Leib- und Bodeneigenschaft von der Dampfmaschine abgelöst wurde. Die feudalistische Oberschicht hatte erkannt, dass Maschinen besser „funktionieren“ und effizienter sind als Leibeigene. Nicht umsonst ist roboti der Wortstamm von Roboter.
In den USA waren es die ewig-gestrigen Südstaaten, die absolut unterlegen gegen die profit-orientierten Nordstaaten, das nicht mehr konkurrenzfähige Sklavensystem verteidigt haben. Und natürlich verlieren mussten.
Ein Henry Ford hätte nie erfolgreich sein T-Modell am Fließband mit Sklaven produzieren können.
Seine „Ingenieure“ hatten genug damit zu tun, den dummen Bauern beizubringen, wie man Autos baut. Denn die dummen Bauern kamen aus der Landwirtschaft und hatten nicht einmal ein Gefühl für den Takt der Zeit.
Und da war es nur gut, wenn die aus Bauern zu Arbeitern transformierten Menschen für ihr Überleben jenseits der Stunden am Fließband selbst sorgen mussten. In diesem Zusammenhang könnte man sagen, dass der „Taylorismus“ die Sklaverei abgelöst hat. Die Herrschenden hatten erkannt, dass die „Eigenverantwortlichkeit für sich selbst“ ihnen billiger kommt als „Verantwortung für Dritte“.
Arbeiter waren einfach billiger als Sklaven.
Man hat die Verantwortung für ihr Leben (die man für Sklaven ja hatte, schon aus Gründen der Werterhaltung) einfach an die Arbeiter outgesourct. Bei den schwarzen Sklaven hat es dazu noch einen formalen Akt mit einer Eigengehörigkeits-Urkunde gebraucht. Arbeiter haben sich aber selber gehört (oft waren sie ja ausgestoßene Leibeigene) – und mussten für sich selbst sorgen. Wenn sie dies nicht geschafft haben und ausfielen, dann standen schon die Nachfolger vor den Fabriktoren bereit.
So wurden die Sklaven in die Eigengehörigkeit gebracht und billige Arbeitskräfte angeworben. Das war möglich, da es mit dem Fortschritt in der Medizin und Landwirtschaft eine Bevölkerungsexplosion gab, die ja auch zurzeit nur langsam abnimmt. So ging das Angebot an Arbeitern nicht aus.
Später haben sich Arbeiter dann zusammen geschlossen, wurden mächtiger und konnten so ihren Preis gelegentlich erhöhen. Da gibt es viele spannende Legenden.
Aber gehen wir in das jetzt und heute.
Ist die Sklaverei wirklich abgeschafft?
Ich würde sagen NEIN!
Damit denke ich aber nicht an die immer noch existierende Form der klassischen Sklaverei, die in Branchen fortbesteht, in denen der körperliche Besitz von Menschen sich auch heute noch lohnt. Das wird mit „Moderner Sklaverei“ bezeichnet.
Glaubt man der Quelle dazu, dann leben heute immer noch 12 bis 27 Millionen (mit hohen Dunkelziffern) als Sklaven. Das klingt bei rund 7,63 Milliarden Menschen harmlos (Oktober 2018, Wikipedia).
Aber gibt es stattdessen nicht eine neue Form der Sklaverei?
Damit meine ich nicht die Menschen, die vom Komsumismus geschnappt worden sind. Ja, das Wort gibt es tatsächlich, es ist keine Erfindung von mir. Gerade in den „entwickelten Gesellschaften“ gibt es viele „Konsum-Sklaven“. Mit Sicherheit auch eine Form der Unfreiheit. Da diese sich aber überwiegend als frei bezeichnen würden, nenne ich sie mal nicht Sklaven.
Zur neuen Form von Sklaverei rechne ich die Mehrheit der Menschen auf der Welt, die eine existientelle Abhängigkeit von ihrem Job haben. Auch in vielen wohlhabenden Ländern bedeutet der Verlust des Jobs für immer mehr Menschen das AUS. Die Mieten sind hoch, viele Menschen verfügen nicht über eigenes Vermögen (wenn dann oft über negatives).
Wenn diese Menschen ihren Job verlieren, dann bleibt ihnen oft nur noch die Arbeitslosenversicherung und/oder Soziale Auffangsysteme – wie bei uns das ungeliebte Hartz-System.
In vielen Ländern gibt es aber solche staatliche Fürsorge auch nicht. Im extremen Fall führt der Verlust des Jobs zu einem Leben auf der Strasse.
Indien ist ein von dieser Situation besonders gestresstes Land. Hier hat sich ein Slum-System entwickelt. Da beginnt dann der Aufstieg im wörtlichen Sinne „aus der Gosse“ mit einem (von vielen heiß begehrten) Platz in einem oft überraschend gut (selbst-)organisierten Slum. Solche gesellschaftliche Automatismen fehlen bei uns – noch?
So sind alle von uns, die nicht über arbeitsloses Einkommen und zum Beispiel eine Wohnstätte als Eigentum verfügen, Sklaven eines brutalen Systems. Wenn wir in unserer Arbeit nicht mehr funktionieren, sind wir schnell weg vom Fenster.
Es gibt eine neue Art von Feudalismus. Die herrschende Klasse besteht heute aus Menschen (und juristischen Personen), die über viel Kapital verfügen. Sei es, weil sie einfach Glück gehabt haben oder weil sie reich geerbt haben (wobei das ja auch Glück ist). Wobei ich schon auch ein wenig meine, dass das Glück eher dem Tüchtigen folgt. Das muss aber nicht so sein. Auf jeden Fall gilt:
Wenn Du Kohle hat, musst Du nicht mehr arbeiten und darfst nur noch leben.
Das meint, du darfst Deine Zeit für das nutzen, das Dir Freude macht. Viele Menschen, die so vom Einkommen unabhängig sind, arbeiten in einem Ehrenamt.
Ich kenne auch eine Reihe von jungen Menschen, die ihren Reichtum bewusst genießen. Und das machen, was ihnen Freude und Spaß macht. Manche davon arbeiten daran, ihr eigenes Vermögen zu mehren. Das führt dann dazu, dass sie immer noch reicher werden und so die Polarisierung zwischen arm und reich verstärkt wird
Ich bin froh, dass ich nicht direkt von Altersarmut bedroht bin (ausser wenn unser System zerbrechen würde). Ich freue mich, dass ich im Leben viel Glück hatte.
Ich kann mich aber auch sehr gut in Menschen hinein versetzen, die von ihrem Job abhängig sind und sehnsüchtig auf das Gehalt am Monatsende warten. Und oft die letzte Woche im Monat ziemlich kurz treten müssen.
Ich verstehe gut, dass dann der drohende Verlust eines Jobs ein großer Schrecken ist, der ALLES zerstören kann. Und ich würde diese Lebensform durchaus als eine moderne Form von Sklaverei verstehen.
RMD
P.S.
Die beiden Bilder habe ich von Hans Bonfigt ausgeliehen. Er hat sie in seinem IF-Blog Artikel The power and the glory genutzt.