Von Moskau nach Peking mit der Bahn! #6 Kirchen.

Ein Reisebericht der anderen Art (6).

Bei jeder Führung durch eine russische Stadt war mindestens eine Kirche dabei. Es galt: Keine Führung ohne mindestens eine Kirche. Im ersten Teil der Reise waren das nur orthodoxe Kirchen.

In Moskau ging es los.

Je weiter wir nach nach Osten und dann in Richtung Mongolei kamen, desto mehr hat sich das geändert. Uns wurden neben orthodoxen Kirchen auch Moscheen, Synagogen und hinduistische Tempel gezeigt. Einmal war auch eine katholische Kirche dabei, die aber nur noch für Orgelkonzerte genutzt wurde.

Die Guides betonten dann immer, wie friedlich in ihrer Stadt die verschiedenen Religionsgruppen zusammen leben würden – und dass sogar Forschungsgruppen daran arbeiten würden, herauszukriegen, wie das denn hier möglich wäre.

Obwohl ich mich in Kirchen immer ein wenig beklommen fühle, bin ich brav in alle Kirchen rein gegangen. In den russischen Kirchen musste ich mein Haching-Käppi abnehmen und die Barbara ihr Haupt verhüllen. Ist ja auch komisch: Die eine Sorte Mensch, muss sich verhüllen, um Ehrerbietung zu zeigen und die andere Sorte darf den Kopf nicht bedecken, auch um Ehrerbietung zu zeigen. Welcher Sinn steckt da wieder dahinter?

Und natürlich besuchen wir auch in Irkurtsk und Ulan Ude eine Kirche?

In den russischen orthodoxen Kirchen  bekam ein noch  komischeres Gefühl als sonst beim Betreten eines „Gotteshauses“:
Es erschien mir alles so unwirklich und unecht, nichts war irgendwie authentisch.

Die Ursache dafür wurde mir dann auch gleich erklärt. Alle diese Kirchen waren neu gebaut und künstlich auf alt gemacht. Sie waren nur moderne Kopien der ursprünglichen Gebäude. So kam ich mir vor wie in einer religiösen Walt-Disney-Welt. Das macht dann auch den letzten Rest von Ehrfurcht kaputt.

Die Erklärung ist einfach: In der Stalin-Zeit – so um 1920 – wurden fast alle Kirchen in Russland von den damaligen Machthabern gesprengt und dem Boden gleich gemacht. In den Jahren nach der Perestroika wurden sie wieder aufgebaut. Und dafür vieles andere zerstört. Das alles haben wir so „en passant“ auf unserer Russlandreise aufgenommen.

So sahen wir lauter neu gebaute aber auf alt gemachte Kirchen. Sozusagen ein gigantischer und russland-weiter „fake“. Nebenher erfuhren wir auch, dass selbst heute noch in Russland pro Tag drei neue Kirchen fertiggestellt und eingeweiht werden würden.

Unser „local guide“ mit blauen Fähnchen vor einem Zar.

Auf jeder Stadtführung sahen wir auch Statuen alles Größe. Für geschichtliche Ereignisse, an die Erinnerung „großer Personen“, geographische Marken oder auch nur für Werte. Hier gab es sowohl alte wie moderne. Merke: Russland ist das Land der Kirchen und Denkmäler.

So richtig begründen konnte keiner der Guides den Wiederaufbau wie auch nicht die russische Liebhaberei für Statuen. Es ist nicht so, dass die Russen wieder zu alter Gläubigkeit  gefunden hätten. Nur einmal habe ich in einer der besuchten Kirchen Gläubige beim Gebet sehen. Das war ein kleiner Chor bestehend aus alten Frauen und sah mir mehr als Brauchtum-Pflege denn als Gottesdienst aus.

Vielleicht ist die Welle des Wiederaufbaus als ein ganz normaler historischer „rebound“ auf die Zerstörungen Stalins zu sehen. Und wie die vielen Denkmäler ein (sinnloser?) Versuch, eine alte Tradition wieder auf erstehen lassen. So scheinen in Russland auch die Zaren wieder hoch im Kurs zu stehen. Und der eine oder andere hat auch vom „Zar Putin“ gesprochen.

Bei uns weiß ja auch keiner, warum das Berliner Schloss wieder aufgebaut und der Palast der Republik abgerissen werden musste.  Aber zumindest gibt es keine neue Verehrung von Fritz dem Großen und den anderen deutschen Kaisern.

Löst der russische Doppeladler den roten Stern wieder ab?

Pendel schlägt halt immer hin her, vielleicht sind das die russischen Kirchen wie das alte Preußen-Schloss nur typisch europäische Versuche, rückwärtsgewandt zerstörte Identitäten zu rekonstruieren um sich so vor den Herausforderungen der Zukunft drücken zu können. Da würden auch die Denkmäler gut passen. Nach dem Motto: Lasst uns Denkmäler und Kirchen bauen, um die Zukunft zu ignorieren,

In Jekaterinburg – die Stadt haben wir „kurz“ hinter Moskau auch besucht – gibt es Probleme mit dem geplanten Wiederaufbau einer großen Kirche, die auch um 1920 von Stalin zerstört wurde. Das Problem ist, dass auf dem Gelände der gesprengten Kirche jetzt ein viel benutzter öffentlicher Park entstanden ist, der dem geplanten Neubau der protzigen und voluminösen Kirche geopfert werden müsste.

An der Grenze zwischen Europa und Asien (Nähe Jekatrinenburg).

Für den Bau sind angeblich die Regierung und russische Oligarchen, die den Bau finanziell unterstützen und sich damit ein Denkmal setzen wollen. Und dagegen ist die Bevölkerung, die den Park nutzt und massiv gegen den Neubau protestiert. Ich bin mal gespannt, wie das ausgehen wird.

Mich beeindruckt hat, dass mir diese Entwicklung in Russland gar nicht so bekannt war. Ich wusste nichts vom gigantischen russischen Wiederaufbauprogramm von Kirchen und auch nicht, dass es in Russland ein neues Gesetz gibt, das Menschen in relevanten Ämtern untersagt, die Existenz Gottes zu leugnen. Mit der Begründung, dass sie dann religiöse Gefühle verletzen würden.

Meine ich doch, dass es zumindest nicht schadet, wenn man religiösen Wahnvorstellungen auch öffentlich entgegentritt.  Ganz gleich ob sie sich um die „klassischen“ mono-theologischen Religionen Judentum, Christentum oder Islam, Formen von Schamanismus (die auch in Russland wieder stark im Kommen sind)  oder „moderne Strömungen“ wie die Kirche der Vernunft oder des Atheismus handelt. Wegen mir soll gerne ein jeder glauben was er will. Nur spätestens wenn der Glaube zur Bedrohung wird, sollte man ihn mal kritisch prüfen.

Glaube ich persönlich bei der Gottesfrage doch schon lange an die Religion des „ich weiß es nicht„. Für diesen meinen Glauben bin ich keinesfalls bereit zu sterben. Und will auch niemanden dazu bekehren. Nur: Für mich persönlich ist das Universum und was es sonst noch so geben mag halt ein paar Nummern zu groß, um es zu verstehen. Warum soll ich mir irgendetwas anderes einreden oder einreden lassen?

RMD

P.S.
Wenn ich zurück in Deutschland bin, werde ich ein Video vom SRF (Schweizer Rundfunk) nachreichen. Man findet es, wenn man „filosofix“ und „Teekanne“ sucht („googelt“). Noch bin ich in China und komme da mit den mir zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln nicht ran. Aber das Video macht in wenigen Minuten ziemlich klar, was es mit dem Glauben so auf sich hat. Und das auch noch äußerst unterhaltsam.

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Eine Antwort

  1. Dear Roland, I suspect that your remarks about atheists are partly aimed at me. I have been an atheist for about 60 years. The normal usage of the word “religion” is “belief in God or Gods”. In that sense, atheism is not a religion. Buddhism is also sometimes seen as a religion. This widens use of “religion” to include other irrational beliefs. (Buddhism assumes life after death). Recently, atheism has become common enough that one can advocate it without worrying about offending people. Read the excellent books of Harari! I am atheist for the same reason that I believe there is no teapot in orbit round the moon. There is no evidence for it, and it does not fit with what we know!
    You do not try to justify your agnosticism. I see it as too wishy-washy. In view of the damage done by religion now and in the recent past, it is too important not to decide about it. Harari points out why it was perhaps “useful” in the past. It helped bring cohesion to tribes, clans and nations. This enabled survival in bigger and bigger wars, bringing happiness only for the elite, and steering evolution.
    I think we should gently try to bring atheism to immigrants. Without secularity, the Judeo/Christian “Leitkulture” is no more rational than Islam. I was recently invited to a proud presentation by an architect who designed a new church building in Bavaria. Why that, given that Church membership is declining steadily?

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