Immer wieder entdecke ich Neues. In 2020 war es neben vielem anderen die IETF (hier auf englisch).
Ich zitiere Wikipedia:
Die Internet Engineering Task Force (IETF, englisch für ‚Internettechnik-Arbeitsgruppe‘) ist eine Organisation, die sich mit der technischen Weiterentwicklung des Internets befasst, um dessen Funktionsweise zu verbessern.
Und weiter:
Die IETF ist eine offene, internationale Freiwilligenvereinigung von Netzwerktechnikern, Herstellern, Netzbetreibern, Forschern und Anwendern, die für Vorschläge zur Standardisierung des Internets zuständig ist. Sie steht jedem interessierten Individuum offen und es existiert keine förmliche Mitgliedschaft oder Mitgliedsvoraussetzung. Die IETF besitzt als lose Organisation keine Rechtsform.
Ist das nicht genial! Dass das Internet auf einer solchen Basis so gut funktioniert! Und hallo; Wer von Digitalisierung spricht, sollte auch das IETF kennen. Deswegen habe ich oben auf den deutschen und englischen Wikipedia-Artikel zum EITF verwiesen. Absolut lesenswert.
Ich halte die IETF – genauso wie das Internet – für sehr relevant. Fast schäme ich mich, dass ich das Internet schon ganz schön lange nutze und erst jetzt langsam zu verstehen beginne, wie es funktioniert und wer es macht.
Die Organisation IETF hat ein Mantra.
We reject: kings, presidents and voting.
We believe in: rough consensus and running code.
(Dave Clark)
Die Organisation IETF und ihr Mantra haben mich begeistert. Die IETF arbeitet sehr erfolgreich. Das gelingt ihr, weil sie konsequent dem Mantra folgt:
We reject kings, presidents and voting. We believe in rough consensus and running code.
So mache ich mir im folgenden den Spaß, das Mantra ein wenig zu interpretieren, diskutieren und auf andere Bereiche wie Unternehmen oder Politik zu transformieren. Ich starte mit der ersten Zeile!
Könige, Präsidenten und Wahlen
Das alles brauche ich nicht (und wahrscheinlich kein Mensch). Könige und Präsidenten sind so unnötig wie ein Kropf. Ich habe ihren gesellschaftlichen Nutzen nie verstanden.
Könige:
Jedem Mensch sollte spätestens ab seiner Geburt Wertschätzung, Ehre und Anerkennung entgegengebracht und seine Würde respektiert werden. Was bringt Menschen dazu, aus ihrer Herkunft abzuleiten, dass sie etwas besseres oder besonderes wären?
Präsidenten:
Wie kann man Menschen durch Ernennung (aus welchem Grund auch immer) in einen besonderen Stand erheben? Besonders die Belohnung von Heldentum und irgendwelcher „Verdienste“ durch das Erheben in einen besonderen Status und Titel kam mir schon immer fragwürdig vor.
Wahlen:
Schon die Wahl des Klassensprechers war mir als Schulkind suspekt. Ich empfand sie schon in den unteren Klassen als lächerliche Prozedur. Später wurde es schlimmer, als die Kandidaten kapiert hatten, dass sie mit Wahlkampf ihre Wahlchanchen verbesserten. Auch vor Gremien graut mir, z.B. wenn die Klassensprecher sich im „Schulparlament“ trafen, um den Schulsprecher zu wählen.
Ich vermute, dass die Personenwahl der Grund für den Niedergang der Demokratie ist. Ich (der Bürger) als „Souverän“ des Staates möchte doch meine „Souveränität“ nicht an Leute abgeben, die sich in Parteien empor gedient oder „gearbeitet“ haben. Als Souverän möchte ich entscheiden. Dazu gibt es ein interessantes Video zu liquid democracy.
Der ersten Aussage unseres Mantras stimme ich also absolut zu. Jetzt kommen wir zu der wichtigeren zweiten.
Rough consens and running code
Das finde ich so richtig geil! Ich übersetze die beiden Begriffe zuerst mal in Deutsche:
rough consens –> grober Konsens
Was bedeutet „grober Konsens“?
Wenn ich eine Zahl nennen sollte, dann würde ich nicht die von Pareto eingeführte beliebten 80 % nennen. Ich finde, dass eine 80 %ige Zielerreichung immer sehr gut ist. Alles was darüber hinausgeht, wird so richtig teuer. Beim Konsens dürfte es noch schwieriger sein. Also wäre ich mit 65 % Konsens schon zufrieden.
running code –> funktionierende Systeme
Diesen Begriff würde ich als gelungene Metapher nehmen für „WENN DER LADEN LÄUFT“ (allgemein), „DIE GESCHÄFTE FLORIEREN“ (Unternehmen) oder „DER STAAT FUNKTIONIERT“ (Politik)
Das Mantra im Unternehmen
Was ist, wenn ein Unternehmen dieses Mantra lebt und keine Chefs hätte, auch keine Gremien wie den Vorstand und den Aufsichtsrat oder den Betriebsrat? Dafür einen groben Konsens über alle Mitstreiter (Mitarbeiter genannt) hätte, wo es hin will? Und sich alle bemühen und sicherstellen, dass das Geschäft läuft? Ich meine, dass dem Erfolg eines solchen Unternehmens keine Grenzen gesetzt wären und das Unternehmen eine hohe Effektivität und Resilienz auszeichnen würden!
Jetzt provoziere ich noch ein wenig und stelle die Frage in den Raum:
„Wem gehört das Internet?“
Wer von Euch kann das schnell und präzise beantworten?
RMD
Eine Antwort
Wie ich diesen Artikel geschrieben habe, wurde das IETF in Wikipedia noch als „Unorganisation“ bezeichnet. Das hat mich begeistert. Mittlerweile ist der Artikel geändert worden. Und das IETF wird als Organisation bezeichnet.
Das verstehe ich, da das IETF ja ausgezeichnet organisiert ist. Aber man muss festhalten, es ist kein eingetragener Verein und auch keine Genossenschaft, keine GmbH und keine AG. Vielleicht wäre der Begriff „Freie Organisation“ zutreffend.
Und diese „Organisation“ ist von größter Wichtigkeit für unsere Zukunft.