In habe einen guten Freund, der war Eigentümer und Manager eines feinen Unternehmens der Metallbe- und -verarbeitung. Zerspanen und Fräsen war das traditionelle Betätigungsfeld dieses Unternehmens. Das Unternehmen war hochspezialisiert und verfügte über eine hervorragende Reputation.
Er übernahm das Unternehmen in der dritten Generation und war genauso erfolgreich wie es sein Vater und Großvater über Jahrzehnte gewesen sind. Die Kunden waren erstklassig, viel „who-is-who“ der deutschen Industrie war dabei. Das Unternehmen bot Präzisionsleistungen z.B. bei der Fertigung von Vorserien an und war die erste Adresse in einer bekannten Stadt in Baden-Württemberg.
Die USP des Unternehmens waren über die Jahre gewachsen. Eine ausgezeichnete Lieferanten-/Kundenstruktur und exzellente Mitarbeiter, die zum größten Teil im Unternehmen selbst ausgebildet worden waren. Kunden waren unter anderem die großen Autoproduzenten, die Kooperation mit den Entwicklungsabteilungen der Stammkunden war ein perfekt eingespielter Prozess.
Ein weiteres USP lag in der Arbeitsvorbereitung und Kalkulation. Da gab es sehr erfahrene (allerdings auch schon ältere Mitarbeiter), die mit einzigartiger Präzision die notwendigen Arbeitsschritte kalkulieren konnten.
Auf die Minute genau schätzten sie den Aufwand, der notwendig war, um z.B. aus einem Metallquader ein filigranes Werkstück zu fertigen. Bei ihrer Planung haben sie sehr rational gerechnet, ab und zu sind sie aber dabei auch mit „dem Hintern geflogen“ und haben sich zu Recht auf ihr Gefühl verlassen.
Dann wurde die Zeit schwieriger für Mittelstandsunternehmen in der metallverarbeitenden Branche.
Konzentrationsprozesse fanden in der Branche statt, es wurde viel fusioniert und übernommen.
Der Trend ging zum großen, internationalem Unternehmen, das durch Kooperation mit „near-shore“- oder „off-shore“-Partnern (scheinbar) deutlich billiger anbieten konnte.
Viele Unternehmer verkauften, mein Freund wollte aber der Tradition seiner Familie folgen und eigenständig bleiben.
Aber Preisverfall und Kostenanstieg setzten ihn unter Druck. Mein Freund agierte wie ein moderner Manager, er senkte als erstes die Kosten.
Zu viele der Lehrlinge wanderten nach der Ausbildung ab nach Stuttgart zu Unternehmen wie Porsche, Daimler oder Bosch. Das machte die Ausbildung uneffizient. Also wurde die eigene Ausbildungswerkstatt geschlossen. Die alten erfahrenen (aber auch teuren) Kollegen wurden in den Vorruhestand versetzt.
Die Fertigung wurde mit Unterstützung eines Unternehmensberaters neu angeordnet. So konnten in der Tat beachtliche Ersparnisse erzielt werden und es sah eine Zeit lang wieder besser aus.
Und mein Freund begab sich auf die Suche nach einem neuen USP. Er entdeckte die Mikro-Bearbeitung als wachsenden Markt und schrieb einen hochwertigen Businessplan.
Die Firma wurde in eine AG umgewandelt, an der sich sogar die lokale Sparkasse beteiligte. Er schaffte Präzisionsmaschinen an, die im Bereich von µ’s arbeiteten. Die waren zwar teuer, aber die Eigenkapital-Decke war gut und die Bank finanzierte mit. Und der Businessplan zeigte, dass die Investitionen sich rentieren würden.
Das neue Alleinstellungsmerkmal schien sich zu lohnen. Aber nach kurzer Zeit war die größere Konkurrenz auch in der Mikro-Bearbeitung präsent und der Vorsprung dahin.
Mein Freund entwickelte noch zwei weitere USP.
Das erste war der Aufbau von „flexiblen Fertigungslinien“ basierend auf Bosch-Modulen. Da stand wieder eine sehr vernünftige Idee dahinter. Er ging davon aus, dass in Zukunft die Fertigung flexibler werden müsste. Die Rechnung ging aber auch nicht auf. Die Fertigung wurde flexibler, aber nicht in Deutschland.
Beim zweiten USP ging es um besondere Prüfmaschinen für mechanische Teile, die vor Ort bei den Kunden montiert wurden. Das war zuerst ein großer Erfolg. Aber dann mussten aufgrund der Globalisierung diese Maschinen nicht mehr im „Ländle“ sondern weltweit aufgestellt werden. Und das verdoppelte die Kosten und die Wettbewerbsfähigkeit mit Billiganbietern aus Übersee ging verloren.
Und so kam es wie es kommen musste: Die Marge wurde negativ, jedes Jahr ein bisschen mehr. Das war nicht tragisch, aber kostete Substanz. Die Kosten waren überwiegend Gehaltskosten und konnten nicht gesenkt werden. Da stand die IG Metall davor. Also ging das Unternehmen in Insolvenz.
Am Rande sei bemerkt, dass das Unternehmen noch Jahre (ich glaube sogar heute noch) i.K. (in Konkurs) weiter arbeitete. Und wieder Gewinn machte. Weil bei einem Unternehmen i.K. die Rechte der Mitarbeiter so eingeschränkt sind, dass auch Gehaltssenkungen durchgesetzt werden können. Und man auch die Kunden ein wenig erpressen kann: Ohne Geld keine Ware, also Scheck her …
Man sieht, auch wohl überlegte und objektiv richtige USP sind keine Garantie für den Erfolg. Auch wenn sie gut umgesetzt werden.
Rückwirkend betrachtet hätte meine Freund entweder rechtzeitig verkaufen sollen. Oder aber auf die alten Werte setzen und sein Unternehmen, klein aber fein, mit Lehrlingswerkstatt und dem Wissen der altgedienten Kollegen weiterführen sollen.
Vielleicht wäre das Unternehmen geschrumpft, aber noch heute profitabel und in einer großen Familientradition geblieben. Aber das hat nichts mit USP zu tun, sondern gehört zum Thema Wachstum. Und das Wachstum kommt in meinem Unternehmertagebuch erst in einer Woche dran.
RMD
Hier noch das USP meines Zeltplatzes:
Wenig Wohnwagen, viele Zelte. Kein großer Komfort, aber Sauberkeit. Viel Natur mit Schatten. Ganz nah am Meer (näher geht es nicht). Kein Swimming Pool, dafür viel Ruhe. Toller Strand mit wenig Menschen. Viele Griechen. Gutes Essen und Trinken. Freiheit, keine Regeln und trotzdem sind alle sehr rücksichtsvoll. Und ein netter Camping-Chef. Und ein kleiner Platz mit schnellem Wireless-Zugang. So gefällt mir das.
2 Antworten
Hallo Roland,
es stimmt – doppelt unterstrichen – gerade in der metallverarbeitenden Industrie sind einige Herausforderungen anstehend, siehe:
http://www.westaflex-forum.de/neue-shk-mondpreisliste-handel/
Vielleicht hat der Freund wenigstens sein Privatvermögen vor der Insolvenz sichern können, denn das ist das nächste Kapitel oder tiefe Loch, in welches ein Nachfolger im Mittelstand fallen kann….
Jan
Schade, dass ich erst so spät auf diese interessanten Beiträge gestoßen bin. Der Mittelstand der Unternehmen ist so groß und weit gefächert und bedient so viele Kunden, dass die Lohnfertigung wie hier beschrieben, nur eine Fassette der vielen Arten der Unternehmen darstellt, die Lohnfertigung. Ich arbeite auch mit solchen Unternehmen in Frankreich und zwar immer dann, wenn die Zeit brennt, d.h. schnell etwas gefertigt werden muss, was in einer schwerfälligen Produktionsplanung unseres Stammhauses nicht mögliche ist. Die Wirtschaftskrise ist in Frankreich ausgeprägt und schlecht im Vergleich zu Felix Germania. Meine Partner zeichnen sich durch folgende Vorteile aus, die sie Krisen überstehen lassen: der Inhaber ist der absolute Spezialist und hat nur einen Assistenten, der auch so viel von Fertigung versteht. Die Mitarbeiter sind alle lange im Unternehmen und brauchen keine Anweisungen. Projektmanagement und IT Leute sind nicht vorhanden. Da haben auch keine Billiglohnländer eine Chance gegen diese hocheffizienten Spezialisten.