Also jetzt kommt nach dem Thriller ein Roman! Und zwar eine Story für jung gebliebene Jugendliche und jung gebliebene ältere Herrschaften: immer am Sonntag und Donnerstag kommt ein Kapitel – insgesamt sind es 13 Kapitel. Mal sehen wieviel dieses mal durchhalten auf Facebook in meiner Story…
Kapitel 10
Unerwartete Hilfe
Und Papa hatte nicht zu viel versprochen! Gleich am Montag beantragte er zwei Wochen Urlaub, die er von seinem Chef auch genehmigt bekam, da er, wie er sagte, ein wichtiger Mann war, dem man nicht gerne einen Wunsch ausschlug.
Er war fest entschlossen diese zunehmend immer schlimmer werdende Angelegenheit zu einem raschen Ende zu bringen und sollten die zwei Wochen nicht reichen, dann wollte er seinen gesamten restlichen Jahresurlaub dafür verwenden. Seine Familie sollte nicht länger unter der Missgunst der Rodenbacher leiden müssen!
Allerdings hatte er da die Rechnung ohne den Wirt gemacht: denn mit dem Entschluss allein, waren die Probleme noch nicht gelöst. Mama bekam das am Dienstag beim Metzger in voller Schönheit zu spüren: der ständig angesäuselte Karl Korn quatschte sie ganz blöd an, als sie auf ihr Fleisch wartete: „Schmarotzer seid ihr Drecksnasen, ganz üble Schmarotzer! Wollt euch am Eigentum der Gemeinde vergreifen ihr Decksäcke,“ – und so weiter, und so weiter – und keiner der wartenden Kunden sagte etwas, sondern drehten sich schweigend weg. Nur Frau Behr, die resolute Fleischfachverkäuferin wies ihn zurecht und forderte ihn energisch auf sofort den Laden zu verlassen. Karl Korn brauchte eine Weile, bis er das begriff, ging dann aber doch, wenn auch widerwillig und schimpfend, aus dem Laden. Und zwei Frauen, die Mama vom Sehen kannte, gingen aus Solidarität gleich mit ihm!
„Unglaublich“, schrie Papa als er das hörte und rannte längere Zeit tobend im Wohnzimmer auf und ab, und obwohl Mama in abhalten wollte griff er nach seiner Jacke und rannte, noch immer hochgradig aufgeladen, zum Bürgermeister.
Herr Schneider ließ ihn auch tatsächlich vor, meinte dann aber mit einem Anflug von Bedauern, dass er das leider schon kommen sehen habe.
„Die Rodenbacher sind zwar normalerweise kreuzbrave Leutchen, aufrecht, arbeitsam und friedlich, aber leider manchmal etwas unberechenbar in ihrem Zorn – und zornig sind die momentan! Was man nach all’ den Gerüchten und Verdächtigungen der letzten Zeit vielleicht sogar etwas verstehen kann! Für etliche im Ort ist das schlicht zu viel gewesen! Da musste immer mal wieder Dampf abgelassen werden!“
„Aber warum, denn“, wollte Papa wissen, „es ist doch nichts Schlimmes passiert?“
„Natürlich nichts Schlimmes, Herr Koblewski! Aber dafür etwas Undurchschaubares, etwas wo sich die Leute ausgeschlossen fühlen, etwas von dem nur einige wenige etwas wissen, oder wissen könnten und etwas, das nach Geld riecht, sogar viel Geld – und das ist ein Gemisch das radikalisiert, das Scharfmacher hochkommen lässt und die Vernünftigen leider ruhigstellt, da es sie ekelt, wie manche sich verhalten. Glauben Sie mir, Herr Koblewski, es ist nur eine winzige Minderheit, die Ihnen und Ihrer Familie das Leben schwer macht, die überwiegende Mehrheit der Rodenbacher ist mit ihren eigenen Sorgen ausreichend beschäftigt, die kümmert das eigentlich alles nicht, beziehungsweise belustigt sie höchstens…Und darauf trinken wir jetzt zusammen einen schönen Cognac, Herr Koblewski, auf dass ganz schnell wieder Ruhe einkehrt im schönen Rodenbach! Prost – ich bin übrigens der Jörg!
„Und ich der Carl!“
Papa war nach dem Besuch beim Bürgermeister wieder etwas beruhigt; er war überzeugt, dass er nach wie vor mit Schneiders Unterstützung rechnen konnte.
„Allerdings hat auch er mich gebeten, die ganze Angelegenheit so rasch wie möglich zu einem Ende zu bringen. Letztlich wisse er auch nicht wie lange er noch die Erlaubnis für die Arbeiten im Naturschutzgebiet – Steinbruch – aufrechterhalten kann!“
„Außerdem“, sagte Papa, “ habe ich Jörg, unseren Bürgermeister, nach dem Du und dem fünften Glas Cognac teilweise in unser Geheimnis eingeweiht“.
„Na prima, hoffentlich ist es bei deinem `Jörgl` auch gut aufgehoben“, unkte Mama.
„Das will ich doch hoffen! Aber ich musste es fast tun, da der Jörg durch das ständige Gerede auch an so etwas wie einen Schatz geglaubt hat. Und diesen Zahn musste ich ihm logischerweise ziehen!“
Da Eile jetzt wirklich geboten war, waren auch Konrad und Georg bereit eine Urlaubswoche für ihren etwas spinnerten Freund Carl zu opfern.
Sie hatten genau wie wir die Nase voll und wollten endlich wieder ihre Ruhe haben. Irgendwie saßen wir jetzt alle im selben Boot. Auch sie zogen zunehmend den Zorn der Rodenbacher auf sich. Alfred Brecher und Hubert Fleischer hatten aus diesem Grund schon aufgegeben. Wir waren ihnen aber deswegen nicht böse. Im Gegenteil; Papa war es schon peinlich genug, dass er seine Freunde in solche Schwierigkeiten gebracht hatte. Aber auch die nahmen ihm das Gott sei Dank nicht krumm. Wer hatte denn schon ahnen können, dass sich aus so einem Schmarren, der eher wie ein besserer Faschingsscherz daher kam, so ein Drama entwickeln würde.
Konrad und Georg hatte Papa natürlich nun auch in unser Geheimnis eingeweiht. Die Blumentopfgeschichte wurde dabei nur am Rand erwähnt.
„Aus verschiedenen Gründen vermuten wir, dass unter dem Geröll ein Mensch begraben liegt“, sagte Papa zu ihnen, als wir, auf unsere Einladung hin, alle zusammen bei uns auf der Terrasse saßen beziehungsweise standen und in den Garten schauten, in dem der Flieder noch immer blühte und die Paeonia officialis gerade zu blühen begonnen hatte.
„Und wer soll dieser geheimnisvolle Tote sein“, fragte Georg eher belustigt als erstaunt.
„Das wissen wir eben nicht genau“, trukste Papa herum,“ aber es könnte ein alter Hausierer sein, der in den Jahren nach dem Krieg öfters in Langenwaden gesehen worden war und hier auch allerlei Kram verkauft hat“
„Und warum ist das so ein Staatsgeheimnis?“ wollte Konrad wissen.
„Ist es ja gar nicht“, antwortete Papa gereizt“ es ist nur so, dass dieser Mann – „Verzaubert ist!!!“, fuhr ich schnell dazwischen.
„Ach Kiki, du immer mit deinem Zauberkram – das nervt echt!“
„Er ist trotzdem verzaubert und magisch ist er auch!!“ behauptete ich stur und stampfte trotzig zweimal auf den Boden. Ich spürte wie alle drei ihre Blicke auf mich richteten, schaute sie aber nicht an.
Ich spürte auch, dass ich rot zu werden begann je länger sich das nun eingetretene Schweigen hinzog…
„Also gut, “ sagte Papa plötzlich beherzt, „da es sich vermutlich um einen toten Magier handeln dürfte, wie wir ja gerade gehört haben, war es natürlich klar, dass wir das nicht rausposaunen durften“.
Ich schaute verlegen grinsend zu Papa und nickte ihm verblüfft zu.
Das war schlicht und ergreifend wieder einmal ein echter `Koblewski` gewesen!
„Na ja, wenn das so ist“, meinte Georg augenzwinkernd,“ dann ist ja alles klar!“
„Dann wollen wir uns mal ranhalten und der Sache ein schnelles Ende bereiten, nicht wahr, Kiki!
„Das wär’ super“, sagte ich und verschwand in mein Zimmer.
Papa ging mit Konrad und Georg nun tatsächlich jeden Tag in den Steinbruch und warf dort bis in die sinkende Nacht die Steine durch die Gegend.
Spätestens nach zwei Tagen fiel ihnen aber auf, dass sie von unbekannter Seite Hilfe bekamen. Die Geröllhalde schaute morgens immer anders aus als abends, beim Verlassen.
Da man an Heinzelmännchen nicht auch noch glauben wollte, schlichen sich Papa und Georg einmal nachts hinaus, und ertappten tatsächlich vier Männer aus Langenselbold, die wie verrückt im Scheinwerferlicht ihrer Autos arbeiteten. Die schafften in der Nacht mehr fort, als Papa und seine Freunde am Tag. Papa überlegte mehrere Tage, ob er sie anzeigen sollte, aber Konrad und Georg rieten ihm von einer Anzeige ab.
„Es ist doch gut, wenn die mitarbeiten, auch wenn’s nicht ganz legal ist! Alles was die wegschaffen, müssen wir nicht tun – sieh’s doch mal so, Carl!
“Ganz wohl ist mir nicht bei der Sache – irgendwie fühle ich mich dem Bürgermeister gegenüber verantwortlich. Nur wir haben von ihm die Bewilligung für diese Arbeiten bekommen. Nicht umsonst hat er ja auch noch extra einige zusätzliche Verbotsschilder aufgestellt!! Also das ist schon eine heiße Kiste, liebe Freunde!“
„Das stimmt schon, Carl! Wenn ich aber an mein armes Kreuz denke, dann bin ich ehrlich gesagt, näher bei unseren ’geheimen Helfern’ als bei deinem `lieben Bürgermeister`“, sagte Konrad.
„Ich auch!“ meinte Georg etwas spitz.
„Na ja, wenn ihr meint“ sagte Papa, nach dem er noch einige Bedenken mit den beiden abgearbeitet hatte, „aber ich tu’s mit ziemlichen Bauchschmerzen – muss aber auch zugeben, dass die Möglichkeit andere arbeiten zu lassen schon sehr verlockend ist!“
„Blöd nur, wenn die anderen zuerst bei der Höhle sind“ warf Mama ein und entschuldigte sich gleichzeitig dafür mit dieser Bemerkung uns möglicher Weise den Spaß verdorben zu haben.
„Ne ne, da werden wir schon aufpassen, und die Lektion, die diese Burschen gleichzeitig kriegen, ist auch nicht schlecht!“
Dank dieser unerwarteten Hilfe wurde beschlossen, es ab sofort ganz locker angehen zu lassen.
Angeregt von Papa beschränkte man sich mehr auf ein Herumsuchen und markierte die Stellen, wo man die Steine forthaben wollte, in dem man ein bisschen anfing, aber wieder abbrach, den Rest erledigten dann die fleißigen Nachtarbeiter selbstständig und zuverlässig.
Schon nach wenigen Versuchen funktionierte dieses Zusammenspiel ausgezeichnet. Die Kollegen, so nannte Papa sie ab sofort, mussten ein erstaunlich präzises Beobachtungssystem aufgebaut haben. Bestimmt waren einige von ihnen auch tagsüber unter den heimlichen Spähern, die schon seit Tagen bei sommerlichen Temperaturen rund um den Steinbruch lagerten und alle Vorgänge mit Ferngläsern und Videokameras beobachteten und dokumentierten.
Die meisten von ihnen waren ganz ungeniert. Überhaupt die von auswärts. Sie saßen bequem auf Campingstühlen oder lümmelten mit Radios auf Decken und vertrieben sich die Zeit mit Biertrinken und Essen; für Etliche war’s wie Urlaub! Georg prostete einigen von ihnen sogar zu. Und die zurück! Richtig feindselig war diese auswärtige Gruppe vorläufig nicht, wie es schien, aber zu einer Verbrüderung kam es natürlich auch nicht!
Einige der Späher suchten die Verborgenheit; sie hockten auf Bäumen oder hinter Büschen und taten alles, um nicht gesehen zu werden. Das hätten die sich allerdings sparen können: der Lutz und ich hatten sie längst alle identifiziert. Jeden Nachmittag nahmen wir uns einen anderen vor. Lutz hatte auch immer seine Kamera dabei. Natürlich hatten wir auch bald heraus, wer zu den `Nachtarbeitern` gehörte. Und den Typ, den ich verprügelt hatte, entdeckten wir auch.
Aber am meisten staunten meine Eltern als ich ihnen ein Foto von unserem Nachbarn zeigen konnte. Das war echt der Hammer!
„Wo doch dieser Herr Dr. Kirbis immer so vornehm tut.
Ein paar Mal hat er mir schon versichert, dass ihn das ganze Getratsche im Ort nicht interessiere“ murmelte Papa in einer Art Selbstgespräch vor sich hin.
Auch Mama bestätigte, dass Herr Dr. Kirbis immer gleich freundlich, auch jetzt in den schwierigen Tagen war und auch immer aufmunternde Worte fand, wenn sie mit ihm Zusammentraf.
Und die kleine Nina kam auch nach wie vor zu uns spielen. Und gerechter Weise muss man wirklich bestätigen, dass er sich nie durch neugierige Fragen hervorgetan hat. Im Gegenteil; seine vornehme Zurückhaltung war von uns immer als beispielhaft angesehen worden.
Und jetzt lag dieser beispielhafte Herr Dr. Kirbis hinter einem Haselnussstrauch auf seinem dicken Bauch und beobachtete uns durch einen Feldstecher. Wenn das die kleine Nina gewusst hätte; die hätte sich bestimmt für ihren Vater geschämt…