In Wien unterscheidet man zwischen echten und unechten Wienern. Peter Gruber ist ein „unechter“ Wiener, weil er zwar in Wien lebt, aber aus der Steiermark kommt. Ich habe ihn vor vielen Jahren auf einer Veranstaltung mit Rupert Lay kennen gelernt.
Neben unserer Liebe zu Wien verbindet uns, dass wir beide überzeugt sind, dass Management Führungskräfte braucht und das dies für „alte“ und „neue“ Unternehmen gilt. Diese Personen dürfen dann aber – so meine ich – keine Systemagenten, sondern müssen Menschen sein.
Peter Gruber hat im Oktober 2023 sein neuestes Buch mit dem Titel „Management braucht Führungskräfte“
vollendet, mir davon erzählt und es mir als digitale Datei gesendet. Über die Weihnachtsfeiertage habe ich es förmlich verschlungen. Dann bin ich auf Peter Grubers Website gegangen und habe dort zahlreiche weitere Veröffentlichungen von ihm gefunden. Da gab es viele Titel, die mich neugierig gemacht haben.
Das hier von mir vorgestellte Buch ist wohl so brandneu, dass ich es auch auf der Website nicht gefunden habe. Es hat mir gefallen und so habe ich spontan eine Rezension erstellt. Hier ist sie:
Lassen wir zuerst den Autor selber zu Worte kommen. Sein Anspruch am Werk ist:
Dieses Brevier verdichtet die Erfahrungen zu menschengerechtem und leistungsorientiertem Führen aus der Zusammenarbeit mit mehr als 150 Firmen und 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in mehr als 25 Jahren. In den Trainings sind sie auf ihre Realitätsdichte abgeklopft worden.
Man erkennt an diesen Zeilen, dass Peter schon lange als Unternehmer und Berater „im Geschäft“ ist. Ich würde ihn als gewissenhaften und gründlichen Empiriker bezeichnen, der über einen riesigen Schatz an Erfahrungen verfügt. Er nennt sein neues Buch ein Brevier!
Ich habe es eigentlich mehr als Leitfaden empfunden. Was ist das eigentlich, ein Brevier? Ich suche nach Definitionen von Brevier und finde 4 Bedeutungen:
1a Gebetbuch des katholischen Klerikers mit den Stundengebeten
„im Brevier lesen“
1b Tägliches kirchliches Stundengebet
„das Brevier beten“
2a Kurze Sammlung wichtiger Stellen aus den Werken eines Dichters
„ein Brevier zusammenstellen“
2b kurzer, praktischer Leitfaden
„ein Brevier für gutes Benehmen“
Aha – ich beginne zu verstehen! Peter hat ein Brevier für gutes Führen erstellt. So liege ich mit dem Leitfaden nicht falsch.
Denn für mich ist das Buch ein gut lesbarer Leitfaden, für alle Menschen die zu ihrer Verantwortung stehen, so gestalten wollen und deshalb führen müssen. Angenehm zu lesen, gut verständlich und nicht zu lang. Sehr empirisch, praktisch, nie zu theoretisch und immer durch eigene Erfahrungen und Geschichten gut begründet. Im Genre ordne ich das Buch als Teil von Unternehmensphilosophie ein.
Aber steigen wir einfach mitten ins Buch ein. Ich serviere ein paar Kostproben:
Besonders hat mich die Metapher des „Andorra-Phänomen“ als negatives Gegenstück zum „Pygmalion-Effekt“ begeistert .
„Pygmalion war ein Bildhauer im alten Griechenland, der aus Alabaster eine 11 cm hohe Statue einer Frau schuf. Sie wurde so schön, dass er sich Hals über Kopf in sie verliebte. Und durch seine Liebe wurde sie zum Leben erweckt.“
Ist das nicht eine wunderbare Metapher, wenn es um die Gründung eines Unternehmens oder den Aufbau einer Organisation geht?
Eine andere Botschaft:
Es ist gut, wenn wir die Vernunft als Führerin wählen. Und wenn es uns durch sie gelingt, unsere Bedürfnisse abzugleichen mit den Bedürfnissen unserer Mitmenschen. Und wenn wir so bereit und fähig sind, unser Bedürfnis, andere zu dominieren, aufzugeben. Ein wie ich finde ganz wichtiger Satz.
Peter stellt auch wichtige (und wie ich meine die richtigen) Fragen.
Ein Beispiel:
Warum ist Kontrolle so ungeliebt bis gefürchtet?!
Auch die griechischen Götter Chronos und Kairos entdeckt er wieder! Ihm geht es um das Phänomen ZEIT, die Aristoteles noch in Arbeit, Freizeit und Muße gliederte.
Peter teilt seine Schlüsselerfahrungen mit uns. Hier auch nur zwei Beispiele:
Für Das Gute Leben.
„Es gibt eine Zeit zum Fischen und eine Zeit zum Trocknen der Netze.“
und
Als einer, der biophil sein, es schaffen möchte, „gut“ zu sein.
Dafür hat Peter „nur“ eine (1) Regel:
Verletze niemanden!
Und weiter geht es bei ihm mit Begriffen wie FLOW (im rechten Maß arbeiten), KonZENtration und Demut (der einfachen Form von Selbsterkenntnis).
Es ist gut zu wissen, dass
„Diejenigen, die Höchstleistung erbringen, selbstgesteuert sind.“
Dazu gehört nach meiner Meinung auch die Fähigkeit zur Selbstorganisation.
Peter meint auch, dass „Die drei Siebe des Sokrates“ immer noch so wichtig sind wie sie es schon vor Tausenden von Jahren waren. Und hat damit zweifelsfrei recht.
Ich stimme Peter zu, dass Führung das Thema alles gesellschaftlichen Lebens ist. So auch bei der Entwicklung von SW-Produkten und -Projekten. So war ich von der Lektüre begeistert. Weil ich gerade als ehemaliger Software-Unternehmer das Buch auch als ein schönes Plädoyer für agile Führung empfunden habe. So wie es im agile manifesto steht:
Individuals and interactions over processes and tools
Working software over comprehensive documentation
Customer collaboration over contract negotiation
Responding to change over following a plan
Am besten ist es natürlich, das Buch selber zu lesen.
RMD
P.S.
Jetzt kommt noch ein kleiner Wermutstropfen. Peter hat mir mitgeteilt, dass das abgebildete Buch ein Exemplar einer kleinen Vorserie ist. So richtig in Buchläden und Internet wird das Buch erst im Mai 2024 verfügbar sein.
Schade, da muss man ein wenig Geduld haben.
Oder man wendet sich an den Autor und fragt nach einem elektronischem Exemplar.