Für uns ist es normal geworden, dass wir ein freies Recht auf gewerbliche oder wirtschaftliche Betätigung haben. Dabei ist und war dies sowohl geschichtlich bei uns wie in anderen Kulturkreisen alles andere als selbstverständlich.
In unserer „modernen Wirtschaftsordnung“ ist Gewerbe- und unternehmerische Freiheit quasi zum Grundrecht geworden – wie auch das Recht auf Eigentum.
Allerdings bringt jedes Recht auch eine Pflicht mit sich. Besonders klug ist das in der Bayerischen Verfassung beschrieben. Ich zitiere immer gerne die relevanten Paragraphen aus dieser wunderschönen Verfassung:
Paragraph 151
Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten. Innerhalb dieser Zwecke gilt Vertragsfreiheit nach Maßgabe der Gesetze. Die Freiheit der Entwicklung persönlicher Entschlusskraft und die Freiheit der selbständigen Betätigung des einzelnen in der Wirtschaft wird grundsätzlich anerkannt.
Die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen findet ihre Grenze in der Rücksicht auf den Nächsten und auf die sittlichen Forderungen des Gemeinwohls. Gemeinschädliche und unsittliche Rechtsgeschäfte, insbesondere alle wirtschaftlichen Ausbeutungsverträge sind rechtswidrig und nichtig.
Betreffend dem Kreditwesen schreibt die Bayerische Verfassung folgendes vor:
Paragraph 157
Kapitalbildung ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Entfaltung der Volkswirtschaft. Das Geld- und Kreditwesen dient der Werteschaffung und der Befriedigung der Bedürfnisse aller Bewohner.
Alle kursiv gesetzten Texte haben das copyright des Bayerischen Landtags:
(© Bayerischer Landtag)
Bei einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks gab es zahlreiche Menschen, die diese Texte für ein revolutionäres Programm einer radikalen Partei gehalten haben.
In den bayerischen Schulbüchern aus den 50iger und 60iger Jahren wurde genau im Sinne dieser Verfassung beschrieben, wie sich die Aufgaben von Banken, Handel, Industrie und Dienstleistern zu einem großen Ganzen fügen, das die Basis für uns Menschen für ein Leben in Freiheit und sozialem Wohlstand schafft.
So präsentierten noch in den 70iger Jahren führende deutsche Unternehmen stolz ihre positiven Sozialbilanzen. Darin listeten sie ihre Leistungen fürs Gemeinwohl neben dem Erzeugen von Produkten und der Zahlung von Steuern auf: Wie viele Auszubildende und Behinderte sie (damals noch freiwillig) beschäftigten, die Anzahl der Firmenkindergärten und -sportstätten, die Menge der Weiterbildungsmaßnahmen und vieles mehr.
Eine erste notwendige Bedingung könnte so ganz einfach heißen:
Ein „ethisches Unternehmen“ muss die Vorgabe der Bayerischen Verfassung erfüllen.
Seit Alfred Rappaport gibt es eine Lehre, die als Kernaussage hat:
Die Mehrung des „shareholder value“ ist die wesentliche oder einzige Aufgabe des Management eines Unternehmens.
Nach meiner Bewertung ist jedes Unternehmen, das wesentlich oder eindimensional dieser Vorgabe folgt, kein „ethisches Unternehmen“.
Dazu kommt: Ein „ethisches Unternehmen“ muss auch eine „Sinngebung“ haben. Die darf sich keinesfalls auf das Generieren von Ebit beschränken.
Aber auch die Anzahl der Arbeitsplätze oder die Menge der erbrachten Wertschöpfung sind für eine zufriedenstellende Sinngebung nicht ausreichend.
Ein Unternehmen ist eben nicht nur ein ökonomisches sondern auch ein soziales System. Ein „ethisches Unternehmen“ muss so neben dem wirtschaftlichen auch einen sozialen Wert schaffen.
Es gibt Firmen, die schaffen Ersatz für eine fehlende Sinngebung. Dazu gehören Maßnahmen wie Motivation durch Championing (Wir müssen die Nummer 1 werden!), ein besonderes und beeindruckendes Unternehmensdesign (Corporate Identity als Ersatz für Unternehmensphilosophie), Kreation von elitären Bewusstsein und gefühlter Überlegenheit (Wir sind die Besten!), quasi religiöse Unternehmensrituale (Jeden Morgen singen wir im Chor die Firmen-Hymne!), das immer feiernde Unternehmen (work hard, party hard!) oder tolle Mission Statements (Unsere Werte hängen überall aus – auch im Aufzug!).
Das ist (vielleicht) beeindruckendes und eine Zeitlang auch wirksames modernes Führungs-Schnickschnack. Es löst aber nicht das Problem einer Sinngebung, die ich für ein „ethisches Unternehmen“ einfordere.
Zusammenfassung:
Eine notwendige Bedingung für ein „ethisches Unternehmen“ ist, dass es einem Regelwerk im Sinne zum Beispiel der Bayerischen Verfassung genügt und neben ökonomischen Werten auch einen sozialen Wert für möglichst alle Menschen innerhalb und möglichst viele Menschen außerhalb des Unternehmens generiert.
Das hat auch mit sozialer Marktwirtschaft zu tun, wie sie ja von den frühen Regierungen der Bundesrepublik Deutschland erfolgreich angestrebt wurde.
Ich höre schon den Widerspruch: Wie passt das in der heutigen Zeit des „Raubtierkapitalismus“?
Die Antwort ist einfach:
Die heutige Zeit ist nicht das Maß aller Dinge! Und auch der Staatskommunismus ging ganz schnell zu Ende. Und ich hoffe einfach, dass wir vernünftig werden, bevor es unser System dann mal wirklich so richtig zerlegt und nicht nur so ein bisschen ankratzt, wie dies in der angeblich gerade zu Ende gehenden Krise vielleicht geschehen ist.
RMD
P.S.
Mir ist bewusst, dass ich mich in dieser Serie mit einem ganz schwierigen Thema beschäftige. Laufend fallen mir zu meinen eigenen Aussagen Verbesserungen und Ergänzungen ein. Ich bitte die Leser deshalb um Verständnis, dass die beschriebenen Konstrukte gerade in unserer Welt sehr dynamisch sind und ich immer nur einen situativen Eindruck „dumpen“ kann (wie wir alten Programmierer sagen).