Was ich im Leben gelernt habe?
Tatsächlich. Ich habe Abitur! 1969 abgelegt. Die Urkunde liegt im Keller. Mit dem Schnitt bin ich zufrieden. Ich habe auch ein Diplom in Mathematik. Wenn ich mich richtig erinnere mit Gesamtnote Gut. Also ziemlich durchschnittlich. Mein Nebenfach war Informatik.
Wo da die Urkunde ist, das weiß ich gerade nicht. Aber sie ist von der Technischen Universität München. Die mich auch regelmäßig mit bunter Werbung in Form von Hochglanzprospekten versorgt.
Und ich darf auf meine Visitenkarte Diplom-Mathematiker (univ.) drucken. Und tatsächlich kann ich meinen Enkeln erklären, wie man die natürlichen Zahlen definiert und und man ausgehend von diesenauch mit Hilfe der Relation MINUS die Ganzen Zahlen konstruieren kann. Das klappt dann auch für die Rationalen und mit ein wenig Nachschlagen für die Reellen und Komplexen.
Ich habe noch mehr gelernt. So weiß ich noch ein paar Jahreszahlen, an denen Kriege begonnen und beendet wurden (Geschichte). Und den Unterschied von Säugetieren und Reptilien weiß ich so in etwa auch (Biologie). So kann ich meinen Enkeln erzählen, dass fast alle Dinos ausgestorben sind.
Leider habe ich in der Schule und an der Uni kaum etwas Nützliches und Wichtiges gelernt.
Das wurde mir um 1980 noch mal klar gemacht. Als Mitarbeiter von Softlab wurde ich auf einen dreitägigen Kurs für Führungskräfte geschickt. Der wurde für Softlab von der Firma TPM (Tranining Psychologisches Management) aus Frankfurt in einem schönen Hotel am Starnberger See durchgeführt. An diesem radele ich heute noch gelegentlich vorbei und freue mich dann immer.
Damals bin ich ziemlich unwillig hingefahren, weil ich betreffend „persönlichkeitsfördernden Kommunikations-trainings“ genauso skeptisch war wie auch bei Begriffen wie „Führungskraft“ oder „Vertriebstraining“.
Die Firma TPM hat uns mit einem „Trainer-Tandem“ überrascht. Obwohl wir eine kleine Gruppe waren, wurden wir von 2 Trainern betreut. Der eine war der Gründer von TPM, ein smarter Unternehmer-Typ. Er wurde begleitet von einem promovierten Psychiater, der an der Uni Frankfurt lehrte.
Und die beiden waren großartig. Sie machten uns klar, wie Kommunikation geht und vor allem, wie man sie auf keinen Fall betreiben sollte. Und das auf sehr kurzweilige und effiziente Art und Weise.
Alle Teilnehmer waren nach den zwei ein halb Tagen begeistert. Bei mir mischte sich aber in die Freude, schönes Neues gelernt zu haben, eine bittere Frage: Warum bitte schön habe ich so Wichtiges aber trotzdem Einfaches nicht schon in der Schule gelernt?
Meine fachliche Haupttätigkeit war Programmieren. Das habe ich gelernt wie ein Handwerker. Also war mir die Bewegung Software Craftsmanship sehr nahe. Die Aussage, dass Softwareentwicklung ein Handwerk und keine Ingenieursdisziplin ist, finde ich richtig. Man muss viel üben und man braucht einen Meister, von dem man lernen kann. Nur so kann man selber zum Meister werden. Üben, Üben, Üben … und Lernen.
Im Lauf der Zeit wurde ich Unternehmer und so zwangsläufig zum „Manager“. Manager üben ist nicht so einfach, da – so war mein Gedanke – muss man wieder lernen. Als Manager muss man Dinge machen, da geht es um Menschen. Deshalb muss man Dinge lernen, wie Ethik, Philosophie, Psychologie, Hirnforschung aber auch vor allem Kommunikation. Besonders letztere und die Ethik war für mich wichtig. Und bei der Ethik spielen Tugenden eine wichtige Rolle.
Zu den Tugenden
Zuerst musste ich lernen, welche Tugenden es überhaupt gibt. Da sind mir zuerst mal eingefallen: Fleiß, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Genauigkeit, Loyalität … Sicher fallen Ihnen noch mehrere ein. In der Ethik habe ich gelernt, dass all diese guten Sachen in einer falschen Welt sehr negativ wirken können. Deshalb haben wir gelernt, dass die genannten Tugenden „sekundär“, also nachrangig sind.
Aber was sind die primären Tugenden? Mitte der 80iger Jahre habe ich gelernt, dass dies Tugenden sind, die man „Zivilcourage“ oder „konstruktiven Ungehorsam“ nennen könnte. Denn wenn man sich in einem falschen System befindet, dann können die sekundären Tugenden sich ins Gegenteil verkehren. Sie sind also nur dann ein positiver Wert, wenn der Entscheider auch über die erwähnten primären Tugenden verfügt.
Ich finde es aber noch schwieriger. Und möchte das am Beispiel des Handwerkers im Sinne von Craftsmanship Software diskutieren. Ich meine ja, dass ein guter Programmierer üben, üben, üben … muss. So ist Fleiß sicher notwendig. Nur in diesem meinem Beispiel ist der Fleiß eher tertiär. Da der Programmierer von seinem Meister lernen muss, braucht er ein großes Mass an Demut. Das wäre dann eine wichtige sekundäre Tugend.
Wenn er aber ein so richtig guter Programmierer wird, dann braucht er auch wieder die Zivil-Courage. Denn wenn er dann einen besseren Weg findet, muss man diesen gegen seinen Meister durchsetzen, für das Wohl des Ganzen!
Man sieht, „Zivilcourage“ und „konstruktiver Ungehorsam“ werden zurecht als „Primäre Tugenden“ bezeichnet.
RMD
3 Antworten
Vom „Kleinen“ zum „Großen“, die Grundprinzipien sind/bleiben immer die gleichen. Ein schönes Beispiel! Wünscht man sich an Schulen. Es gibt einzelne Lehrer, die das machen. In Summe zuwenig. Daher muss man es – wenn man beim System Schule bleiben will – in der Schule verankern: spätestens ab Klassenstufe 8 ist jedes Thema mit Praxis zu spiegeln. Die Praxis muss dabei nicht mit der Theorie der Schule übereinstimmen. Daher: für die Praxis immer wieder raus aus der Schule oder die Praxis (lebenserfahrene Menschen) in die Schule holen. „Aufwandsentschädigung“ für diese Menschen wären gut investierte Bildungsmittel.
Danke! RMD
Danke! RMD