Während meiner Jahre in Deutschland, insbesondere seit ich im Ruhestand bin und mehr Zeit habe herauszufinden, wie dieser Staat funktioniert, stoße ich immer wieder auf Verrücktes in der hiesigen sozialen Logik.
Eines davon ist, dass hier Einkommen aus erhöhten Aktiengewinnen nicht besteuert werden. Natürlich würden Leute dadurch ermuntert, damit zu spekulieren, anstatt ihr Geld bei soliden Firmen anzulegen, die eine gute (aber steuerpflichtige) Dividende abwerfen. Dies änderte sich Anfang 2009, Jahrzehnte zu spät. Deutsches „Last Chance”- Investment hat vielleicht ein wenig mit dazu beigetragen, dass es zur Finanzkrise kam. Aber eigentlich möchte ich hauptsächlich Kommentare zu neueren Ereignissen abgeben.
Ich habe oft gehört, dass Renten (mehr oder weniger) angeglichen werden an das allgemeine Einkommensniveau. Das erschien mir sehr sinnvoll. Rentner gewinnen und verlieren in dem Maße, wie diejenigen, die sie finanzieren (Solidarität). Natürlich merkte ich vor einiger Zeit, dass es (mindestens) drei verschiedene Rentensysteme gibt, mit entsprechend verteilter Ungerechtigkeit. Beispielsweise finanzieren ausgebildete Industriearbeiter (einschließlich etliche Ausländer) durch die Exporte einen hohen Lebensstandard in Deutschland, gleichzeitig müssen sie aber ungelernte Arbeiter subventionieren, während Beamte genug Einfluss haben, dies zu vermeiden.
Jetzt aber lerne ich (SZ letzte Woche), dass das “Durchschnittseinkommen” ziemlich komisch errechnet wird. Beispielsweise werden Arbeitslose nicht berücksichtigt. Das bedeutet, dass Kurzarbeit die Renten reduzieren, während Arbeitslosigkeit in Verbindung mit Überstunden anderer das Rentenniveau anhebt. Das Problem wurde etwas entschärft, aber nicht dadurch, dass die Berechnung logischer gemacht wurde, sondern dadurch, dass eine neue Vorschrift hinzugefügt wurde, gemäß derer die Renten niemals sinken dürfen. Das wird sicher wieder geändert werden müssen, wenn es eine wirkliche Krise gibt. Hat es vielleicht damit zu tun, dass Rentner mehr als ein Drittel der Wähler ausmachen und dass gerade Wahlen anstehen?
Eine andere Verrücktheit (oder auch Unehrlichkeit), die ich neulich hörte ist die, dass jemand mit Studienabschluß im Durchschnitt in seinem Leben etwa 130.000 Euro mehr verdient als jemand, der nicht studiert hat (bei Männern ist es mehr, bei Frauen weniger); folglich “zahlt sich eine universitäre Ausbildung selbst und ist damit eine gute Investition, die man staatlicherseits fördern sollte”. Ich wette, dieses Argument kam aus Kreisen der FDP oder CDU. Es handelt sich dabei um ein unehrliches Argument, um diejenigen zu unterstützen, die eh schon privilegiert sind. Wer zum Universitätsstudium geeignet ist, würde sich so oder so (im Durchschnitt) leichter tun, egal ob er studiert hat oder nicht.
Vielleicht würde er sogar mehr verdienen, wenn er seine Karriere früher beginnen könnte. Jedenfalls sind sich die Erziehungswissenschaftler einig, dass eine Investition in die Bildung kleiner Kinder wesentlich bessere Erfolge brächte. Sie profitieren am meisten von guter Bildung, und für ihre gute Bildung braucht man keine überdimensional intelligenten, überdimensional gebildeten, und überdimensional gutbezahlten Lehrkräfte. Alles, was man dazu braucht sind einigermaßen intelligente, einigermaßen anständig bezahlte, liebende Lehrer mit dem richtigen Temperament. Ein Studium ist besonders wertvoll für eine Frau, denn die Wirkung wird von ihr (besser) an ihre Kinder weitergeleitet.
Natürlich bin ich nicht gegen Universitäten. Fünf Jahre an der drittbesten Universität der Welt verfeinerten meine analytischen Fähigkeiten in dem Maße, dass ich soviel verdienen konnte, wie ein guter Klempner – und Perlen wie diese verstreuen kann.
Ich wäre dankbar für Kommentare, insbesondere für Aufklärung, falls ich Opfer von Irrtümern geworden bin.
cw
4 Antworten
Das ist erheiternd – stilistisch. Und inhaltlich auf niederschmetternde
weise richtig. Unsere „sozial“-Systeme sind ziemlich asozial, da sie
die Belastungen ziemlich einseitig auf Arbeiter und Angestellte verteilen.
was die Arbeit verteuert – und Arbeitsplätze kostet.
Beamte zahlen weder Renten-, Arbeitslosen- noch gesetzliche Krankenversicherung. Und sie gehen mit 7o% des letzten – also
höchsten Gehalts in PENSION.
Rentner erhalten 4o% des durchschnittlichen Lohn/Gehalts.
Die Netto-Löhne sind über die letzten 2o Jahre gesunken.
Auf Grund der „sozialen“ Abgaben.
Die Beamteneinkommen sind netto 7o% gestiegen.
Die Alterspensionen der Beamten sind 2einhalb mal höher
als die von Arbeitern/Angestellten.
7o% der Parlamentarier sind übrigens Beamte. Unsere Parlamente sind
Beamten Parlamente das unaufhörlich Wohltaten für EMPFänger
beschließt. Zu den Bezahlern gehört diese Gruppe Unkündbarer
vornehmerweise nicht.
Wir haben also ein wunderschönes Kasten-System, deren überversorgte Hohepriester in Talk Shows das Soziale über alles stellen.
Auch die Angestellten des deutschen Bundestages haben ein eigenes Alter-Versorgungswerk.
Das ist ok, wieso sollen nur Amts- oder Mandatsträger
in den genuß einer Überversorgung kommen?
(Herr Eichel klagt gerade gegen das Land Hessen, weil
er die volle Pension als Minister-Präsident haben möchte,
zusätzlich zur vollen Minister-Pension in Berlin (er war sehr
erfolgreich im Defizit Ausbau) und zusätzlich zu seiner OB Pension
(auch in Kassel hat er große Defizite hinterlassen).
Man muß in Deutschland nur das Wort „sozial“ aussprechen – sofort
erlischt jegliche Hirntätigkeit.
Was z.B. daran Sozial ist, Kinder aus Beamtenfamilien gebührenfrei
studieren zu lassen (Studienquote 95%) ist mir nicht ganz klar.
Klar ist: die Privilegierten in diesem Land sind sehr für den Sozialstaat –
sie kontribuieren wenig bis gar nicht.
Aber wir lassen lieber korrupte Politiker illegale Steuer-Disketten
aufkaufen und setzen Geld-
Schnüffelhunde an den Grenzen ein.
Thanks Klaus; I hope you read the English version, where the style and logic were slightly better.
I wonder whether the social system in Germany conflicts with European law. The main principle of the European Community is free movement of labour (between countries). Workers who come to Germany are forced to subsidise high earnings by civil servants, but have no chance, (or extremely little?) of joining this privileged group. It would at least be worth testing the case.
P.S. I agree with the purchase of the tax disks. I have little sympathy with billionaires who pay very little tax.
I should mention that my reference to Cambridge as third best university in the world is now out of date. Cambridge is now top in most lists. And my college „Emmanuel“ is often top in the list of Cambridge colleges. I chose Emmanuel because it was larger than most, and I had not heard of it. I thought I thus had better chances to get in. Also, I tried for Oxford before Cambridge, but failed.