Selbstverständnis der IT in Großunternehmen – Dienstleister oder Bremser?

Von ee
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Hier der erste Beitrag von Dr. Edwin Ederle, der sich vor allem mit der Lösung datengetriebener Management-Probleme beschäftigt.

Herzlich Willkommen bei IF-Blog, lieber Edwin!

Vielleicht beginne ich mit der Schilderung eines kleinen Beispiels, das ich so ähnlich schon sehr oft erlebt habe:

Anfang Februar bat mich jemand aus einer Strategieabteilung einer deutschen Großbank um Rat. Dort müssen pro Quartal von ca. 35 Einheiten relativ viele Daten eingesammelt werden (die dort aus verschiedensten Systemen gezogen werden, z.T. aber auch manuell erfasst werden müssen). Diese Daten müssen analysiert, aggregiert und dann vorstandsgerecht aufbereitet werden. Aus verschiedensten Gründen entstand ein 40-MByte-Excel-Monster, das die Einheiten ausfüllen, und das dann manuell per copy und paste aggregiert und verarbeitet wird. Dies kostet jedes Quartal 2-3 Wochen, ist fehleranfällig und fragil (Excel stürzt häufig ab, braucht über 10 Minuten für recalculate) – nötige Erweiterungen oder ein Vorhalten der Historie ist unmöglich. Also eine „schmerzhafte“, unerfreuliche Situation, die dringend nach einer Lösung (idealerweise schon bis Ende März) verlangt.

Ich machte den Vorschlag, den ich immer in solchen Situationen mache: Erstellung eines schlanken, professionellen Excel-Erfassungs-Tools und eines Access-Aggregations-Tools, in das man die Erfassungssheets importieren kann und vordefinierte Analysen erhält. Dieses Tool kann man in 4 Wochen für ca. 30 T€ lauffähig haben und addressiert genau den Bedarf – jeder schien zufrieden!

Nun kommt der Haken: Software-Lösungen dürfen nur von der IT beauftragt werden und müssen von der IT genehmigt werden. Mein Vorschlag stieß auf wenig Gegenliebe:

  • Excel und Access sind keine professionellen Werkzeuge und werden von der IT nicht unterstützt.
  • Excel- und Access-Tools können nicht gemäß den internen IT-Vorschriften dokumentiert werden und sind damit nicht weiterentwickelbar bzw. wartbar.
  • Man kann nicht garantieren, dass die Tools in zukünftigen Office-Versionen laufen.
  • Man muß eine professionelle Lösung aus Oracle-DB + Java erstellen.

Somit hatte man etwas zum Nachdenken und vor ein paar Tagen (Ende Mai) lag das Angebot der IT für die professionelle Lösung vor: 300 T€ – nur 10 mal soviel aber dummerweise nicht im Budget der Strategieabteilung.

Es bleiben nur 2 Alternativen: Entweder, man zwingt über den Vorstand die IT-Abteilung, das pragmatische Tool doch zu genehmigen oder weiterzumachen mit der drittbesten Lösung wie bisher (zeitfressend, auch nicht dokumentiert, fehleranfällig und nicht erweiterbar). Vor Quartal 3 gibt es aber keine Lösung!

Um jetzt auf mein Thema zu kommen: Was geht in den Köpfen dieser IT-Leute vor? Ich sehe viele Gründe, warum Oracle „besser“ als Access ist – doch ist die Aufgabe der IT nicht, anderen Abteilungen zu helfen??? Es gibt ein klares drängendes Problem und die Antwort ist nur, wie es nicht geht (entweder, weil es nicht zu den IT-Richtlinien passt oder weil es zu teuer für das Problem ist). Das Problem bleibt ungelöst und man muß mit einer sehr viel unprofessionelleren Lösung weiterleben – der Frust auf allen Seiten ist groß.

Es macht den Anschein, als zielte das Selbstverständnis der IT mehr darauf eine technisch elegante, perfekte state-of-the-art Lösung zu erstellen (die allen von der IT (!) vorgegebenen Richtlinien genügt) als einfach nur ein real existierendes Problem der Nutzer zu lösen!

Ist das nicht ein Grund, warum IT-Abteilungen in der Regel nicht geschätzt sind?

E2E

Anmerkung vom Moderator (Roland M. Dürre):

Dr. Edwin Ederle wird in Zukunft des öfteren für IF-Blog schreiben. Seine Artikel dürften vor allem für Manager und Organisatoren hoch interessant sein.

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