Nun hat die Aschewolke aus Island also auch uns erwischt.

Dabei war der Plan eigentlich ganz einfach:

Meine Frau und ich wollten zum Ende meines auf 2,5 Wochen angesetzten Urlaubs noch für 1 Woche in den Badeurlaub fahren. Ganz egal wohin. Hauptsache warm und nicht allzuweit weg (d.h. nicht mehr als 2-3 Stunden Flugzeit).

Im Unterschied zu sonst wollten wir dieses Mal aber nicht schon ewig im Voraus buchen, sondern kurzentschlossen, also „Last Minute“, uns ein gutes Angebot schnappen. Das erste Mal nach fast 10 Jahren Individualtourismus also wieder eine Pauschalreise.

Gesagt, getan: Nach dem Studium der Internetseiten verschiedener Reiseanbieter und der globalen Wetterkarte haben wir bereits nach relativ kurzer Zeit ein Ziel ins Auge gefasst: Ägypten. Hier ist es warm genug (> 30 Grad), die Hotelbewertung im Internet (nachgeschaut auf holidaycheck.de) sieht gut aus, der Preis stimmt, und auch die Flugzeit hält sich mit 3:30 gerade noch so im selbst gesteckten Rahmen.

Die Anreise verfolgt völlig problemlos: Unsere Airline, deren Chef ein bekannter ehemaliger österreichischer Rennfahrer ist, bringt uns nach einem problemlosen Flug heil am Ziel in Sharm el-Sheikh an, und auch der anschließende Transfer mit dem Bus ins Hotel klappt einwandfrei. Pauschaltourismus halt. Alles ist eingespielt.

Auch die folgende Urlaubswoche verlief ohne grössere Vorkommnisse. Hotel und Wetter waren genauso wie erhofft, und die spektakulären Korallenriffe am Roten Meer mit ihren tausenden von Fischen taten ein übriges, daß die Zeit wie im Flug verging.

Irgendwann gegen Mitte der Woche hörte ich dann in den Nachrichten zum ersten Mal von dem Vulkanausbruch in Island, dachte mir aber noch nichts dabei. Ich sah es eher in der Kategorie „interessantes Naturschauspiel“. Dies änderte sich auch dann nicht,  als am nächsten Tag dann bereits die ersten Flughäfen in England schließen mussten.  Um ehrlich zu sein dachte ich eher an ein bekanntes Asterix-Zitat…

Das es auch uns betreffen könnte, das dachte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.  Dies änderte sich erst einen Tag später, also am Donnerstag (den 16.4.).  Hier sah ich zum ersten Mal, daß auch unser Rückflug verschoben wurde. Allerdings war es nicht sonderlich viel: Um 5 Stunden von 08:00 auf 13:00 am Samstag, den 17.4. Kein Problem also.

Dies ändert sich erst am kommenden Tag. Nach Bekanntgabe der Sperrung aller wichtigen europäischen Lufträume steht auf der Homepage der Fluglinie als Abflugtermin plötzlich Dienstag, der 20.4., um 03:50. Das wäre dann also 3 Tage später als ursprünglich.

Im Fernsehen sah man zu diesem Zeitpunkt schon Bilder von Menschen, die auf den Flughäfen gestrandet waren und nun auf Feldbetten kampieren mussten und von Hilfsdiensten mit Essen und Getränken versorgt wurde. Verglichen damit hatten wir jedoch ziemliches Glück: Unser (österreichischer) Reiseveranstalter kündigte umgehend an, das alle Gäste bis zum Rückflug selbstverständlich im Hotel bleiben könnten, und das sogar ohne Aufpreis.

Kurze Zeit später kam dann bereits die Nachricht über unsere geplanten Rückflüge: Sie würden alle zur ursprünglich geplanten Uhrzeit stattfinden – nur eben 1 Woche  später!

Dies ist auch momentan noch der aktuelle Stand der Dinge. Besonders interessant fand ich es seitdem, die Reaktionen der Menschen auf diese Nachricht zu beobachten.

Dazu muss gesagt werden, dass sich meiner Beobachtung nach die Touristen in unserem Hotel anscheinend recht gleichmäßig über die verschiedenen Länder und Altersschichten hinweg verteilen: Einer grösseren Gruppe Deutscher und Österreicher stehen fast ebenso viele Gruppen aus England, Russland, Frankreich und Skandinavien gegenüber.

Die Situation für die Heimreise ist daher für die verschiedenen Gruppen recht unterschiedlich. Dementsprechend fallen natürlich auch die Reaktionen ganz unterschiedlich aus:

  • Am entspanntesten sind momentan so gut wie alle Reisenden aus Russland. Soweit ich sehen konnte funktionierte in den letzten Tagen die Abreise und Ankunft von russischer Touristen einwandfrei. Die letzten Tage über schienen sogar fast die Hälfte der Flieger, die am nahegelegenen Flughafen landeten, zu russischen Fluglinien zu gehören. Hier gibt es also keine Probleme.
  • Das genaue Gegenteil trifft natürlich für alle Personen aus Grossbritannien zu. Hier ist der Luftraum auch jetzt noch zu großen Teilen gesperrt, die Chancen auf Heimreise in nächster Zeit ungewiss.  Trotzdem scheinen es die meisten recht sportlich zu nehmen, sind schier unerschütterlich guter Laune und genießen ihren verlängerten Aufenthalt. Lediglich ein älterer Herr, der schon seit fast 3 Wochen hier ist, und von seinem Reiseanbieter aus während der Flugausfälle nun schon drei mal das Hotel wechseln musste, und dem als einzige Möglichkeit bleibt, mit dem Flugzeug nach Barcelona  zu fliegen und von dort mit dem Bus die Heimreise nach England anzutreten, nannte seine Erfahrungen und die bevorstehende Heimreise „not as joyful as expected“. Eine andere Gruppe Engländer hat mir gerade erzählt, dass sie nun ebenfalls ausgeflogen werden, und den Rest der Heimreise dann mit einem Truppentransporter der englischen Marine antreten werden. Den meisten schien die Aussicht darauf durchaus zu gefallen.
  • Von der Situation der Engländer relativ weit entfernt sind die Österreicher, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen natürlich, weil die Flughäfen bereits seit gestern früh um 5:00 wieder vollständig geöffnet sind und sich die Heimreise dadurch weitaus weniger kompliziert darstellt. Zum anderen fällt aber auch die Reaktion auf die Ankündigung einer ungeplanten Woche mehr Urlaub komplett anders aus. Einige nahmen es mehr oder weniger gelassen. Eine Gruppe von ca. 25 Reisenden jedoch will sich partout nicht mit der Situation abfinden und belagert seitdem den Repräsentanten des Reisanbieters. Der Unmut der Betroffenen zündet sich hier v.a. an dem in letzter Zeit oft gehörten Gerücht, daß an den vergangenen zwei Tagen bereits zwei Maschinen unserer Airline halbleer wieder zurück geflogen sind ohne dass der Reiseanbieter die Gelegenheit genutzt hätte, „gestrandete“ Touristen mit heim zu nehmen. „Beschwerdeführer“ ist dabei ein Herr aus Wien. Noch nie habe ich jemanden gesehen, der eine Verhandlung so unmissverständlich eröffnet hat („Wenn Sie nicht das machen, was ich Ihnen sage, dann verklage ich Sie und ihre Gesellschaft auf alles, was Sie haben“), dabei aber dermaßen freundlich blieb, dass man sich im ersten Moment gar nicht sicher sein konnte, ob er es auch tatsächlich ernst meinte. Meinte er aber, und auch sonst blieb er sehr hartnäckig. Zuerst wollte er ab Tel Aviv zurück nach Österreich fliegen (mit mehrstündiger Taxifahrt vorneweg), später dann gleich eine eigene Maschine für 80.000 bis 100.000 Euro chartern und das Geld später vom Reiseveranstalter einklagen. Diese Drohung (und die garantierte Konsultation der Rechtsabteilung des Reiseveranstalters) brachte dann gestern Abend plötzlich Bewegung in die Sache: Urplötzlich gab es dann noch am selben Abend zwei Maschinen nach Hause. Eine nach Wien, eine nach München. Leider waren unsere Namen auf keiner der Passagierlisten. Dafür jedoch alle Namen derjeniger, die sich gestern so lautstark beschwert hatten. Scheinbar ist dieser Weg aktuell der einzig gangbare, um die ständigen Beteuerungen zu durchbrechen. Ich werde ihn ab jetzt auch beschreiten.
  • Zu den Franzosen kann ich leider nicht allzu viel sagen. Leider scheint nämlich mein französisch in letzten Jahren des Nichtgebrauchs so weit eingerostet zu sein, dass ich dem Gespräch der eng beieinander stehenden, heftig mit den Armen wedelnden und noch schneller als sonst sprechenden Franzosen nich mehr als die Grundstimmung entnehmen zu vermag. In den letzten paar Stunden hat sich die Lage hier jedoch spürbar beruhigt. Der (belgische) Reiseanbieter, mit dem die meisten französichsprachigen Gäste hier sind, hat mittlerweile detaillierte Passagierlisten für Rückflüge heute und morgen ausgelegt, sodass so gut wie alle nun eine konkrete Aussicht auf Rückkehr haben. Scheint so, als wäre nur unser Reiseanbieter dazu nicht in der Lage…

Von den Deutschen war bisher übrigens so gut wie nichts zu hören. Einige wenige sind, wie wir, über Salzburg geflogen, und verlieren sich nun in der (größeren) Gruppe der Österreicher. Von den anderen ist jedoch so gut wie nichts zu sehen. Was ich so mitbekomme haben sich die meisten mit der Situation abgefunden, erst am Wochenende zurück zu kommen, und entsprechende Arrangements gemacht. Von vielen Seiten höre ich jedoch, dass für die allermeisten Personen eine weitere Verlängerung über das kommende Wochenende hinaus zu argen Problemen – beruflich und privat – führen würde. Sollte dies wirklich Realität werden, so denke ich wird die Stimmung dann relativ schnell kippen.

Gerade erhalte ich vom Reiseveranstalter die Nachricht, dass wir Samstag auf alle Fälle zurück können. Man würde sich aber nun doch darum bemühen, alle Personen bereits im Laufe der Woche wieder zurück zu fliegen.

Ich bin also nun gespannt, was uns alle hier erwartet. In der Zwischenzeit versuche ich mal, ein ganz persönliches Fazit zu ziehen:

  • Nachdem Bahnchaos im Winter, das auch mich etliche Male eingeholt hat, und vier Stunden im Stau auf der Autobahn vor einiger Zeit, scheine ich auch mit den anderen Verkehrsmitteln kein Glück zu haben. Bleibt eigentlich nur noch das Schiff übrig. Aktuell bin ich mir nicht sicher, ob ich das so bald riskieren sollte.
  • Schon von vorneherein war uns klar, daß dies die letzte Flugreise für uns für die nächsten Jahre werden sollte. In Zukunft wollen wir uns mehr auf Ziele in Deutschland und Europa konzentrieren, v.a. da es hier noch so viele schöne Ecken gibt, an denen ich noch nicht gewesen bin. Die Ereignisse der letzten Tage bestärken uns in dieser Entscheidung.
  • Ich denke, dass vielen Leuten jetzt klar wird, wie fragil unser liebgewonnenes Verkehrssystem tatsächlich ist. Entfernungen werden urplötzlich wieder spürbar. Zudem scheinen die Passagierzahlen mittlerweile so hoch zu sein, dass eine plötzliche Verlagerung auf andere Verkehrsmittel diese in kürzester Zeit an ihre Kapazitätsgrenze bringt. Ein Vorgeschmack auf die Zeit nachlassender Ölreserven?
  • Sind alle diese Flugreisen tatsächlich notwendig? Mein Gefühl sagt mir „Nein“. Auf viele dieser Reisen könnte man sicherlich ohne Probleme verzichten. Natürlich zähle ich mich selbst auch zu dieser Gruppe. Auch meine Reise sehe ich als Luxus, nicht als Notwendigkeit.
  • In den letzten Tagen lese ich viel von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Luftraumsperrungen. Grundsätzlich teile ich dabei eher Edwin Ederle’s Meinung, wonach der Schaden für die Luftfahrtgesellschaften nicht so hoch ist wie jetzt kommuniziert (nicht zuletzt, da viele ihren geplanten Flug in den nächsten Wochen und Monaten nachholen werden). Eher denke ich werden viele Menschen in ihren Reiseplanungen an sich umdenken. Ich bin sicher nicht der einzige, der die Notwendigkeit einer Flugreise in Zukunft in Frage  stellen wird. Darüber hinaus bin ich sicher, daß vor allem denjenigen Touristikkonzernen, die ihren Kunden die Reiseverträge kündigten und sie somit quasi alleine im Regen stehen ließen, ebendiese Kunden in der Zukunft noch die eine oder andere (schmerzliche) Lektion erteilen werden. Zu recht, wie ich finde.
  • Dem Management des Hotels und allen Angestellten muß ich an dieser Stelle ein großes Lob ausstellen. Sie haben uns nicht einfach rausgeworfen, sondern dafür gesorgt, daß wir ohne Aufpreis noch länger bleiben konnten. Für den Reiseanbieter gilt das aktuell nur noch teilweise. Sie bezahlen zwar das Hotel für die Wartezeit bis zum Rückflug, allerdings scheinen sie sich nicht besonders um ihre Kunden zu kümmern. Klare Informationen sind nicht zu bekommen, stattdessen immer wieder Vertröstungen. Pauschaltouristen sind scheinbar eine der untersten Kategorien von Menschen für manche…

Interessehalber habe ich übrigens auch den bekanten österreichischen Rennfahrer über ein Formular auf der Homepage seiner Fluglinie direkt kontaktiert und ihm ein paar Zeilen geschrieben. Ich bin schon mal gespannt, ob und wann ich Antwort erhalte.

Nun bleibt mir nur noch, auf neue Nachricht bezüglich unseres Rückflugs zu warten…

BFI

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