Nach 1 Jahr Abstinenz war ich Anfang der Woche wieder in Nürnberg auf dem PM-Forum. Zeit, ein Fazit zu ziehen.
PMO-Tag
Die 3-tägige Konferenz beginnt mit einem Tag zum Thema „PMO“. Alle Vorträge drehen sich um genau dieses Thema. Bis auf eine Ausnahme waren die Vorträge dieses Tages mäßig bis durchschnittlich interessant.
Spannend fand ich dabei vor allem, aus den Inhalten der Vorträge Rückschlüsse auf die jeweilige Firmenkultur zu ziehen. Besonders aufschlussreich war hier z.B. der Bericht über das Projekt-Portfoliomanagement (mit ca. 1000 Projekten) eines global tätigen Unternehmens aus der Verkehrsbranche. Hier scheint die Projektkultur vor allem auf der Angst vor einem (karrierelimitierenden) externen Audit zu basieren, dem sich Projekte im Status gelb oder rot unterziehen müssen.
Highlight des Tages war für mich ganz klar der Vortrag „The PMO and its challenge to survive“ von Ettore Turra (APSS Trento). In wenigen Worten, und auch wenigen, einfachen Folien, skizzierte er den Aufbau einer PMO-Organisation, deren Reifegrad der PMO aller anderen anwesenden Unternehmen (darunter viele bekannte Grossunternehmen) um eine ganze Grössenordnung übertrifft. Das konnte man auch wieder sehr schön auf den Folien sehen: Die dargestellten Lehren aus der 1. Projektphase von 2005 bis 2009 geben so ziemlich genau das wieder, was uns in den anderen Vorträgen als neue, bahnbrechende Erkenntnis verkauft werden sollte.
Gegen Ende des Tages gab es dann aber tatsächlich noch einmal Grund, sich zu ärgern. Ausgerechnet der Workshop „Planung einmal anders – Das Cynefin Lego Game“ wurde wegen Krankheit des Referenten abgesagt. Gerade dieser Workshop war für mich jedoch einer der ganz wesentlichen Gründe, überhaupt auf den PMO-Tag zu gehen. Umso mehr ärgerlich, als gesundheitliche Gründe denselben Referenten offenbar nicht davon abhielten, am Morgen des nächsten Tages eine Keynote auf einer anderen Konferenz zum Thema „Agiles Testen“ zu halten. Wie war das nochmal mit den agilen Werten? Ein Auffrischungskurs wär da evtl. angebracht.
PM-Forum
Nun zur eigentlichen Konferenz: Dem PM-Forum. Anders als vor 2 Jahren haben die Veranstalter bereits vor der Konferenz Zugriff auf die ganzen Foliensätze gewährt. Dies erwies sich als sehr praktisch, konnte ich doch anhand der Foliensätze wesentlich besser beurteilen, ob ein Vortrag für mich interessant ist oder nicht.
Track 7: „Agilität – neue Dimensionen nicht nur in Projekten“
Sehr gespannt war ich auch schon auf den Track zum Thema Agilität. Nach den eher durchwachsenen Vorträgen von 2011 (siehe hier) wollte ich sehen, ob sich die Qualität hier inzwischen verbessert hat. Um es vorweg zu nehmen: Sie hat!
Die 3 Vorträge, in denen ich war (Portfoliomanagement bei Daimler Financial Services, Scrum in der Medizintechnik und Gesamtprojektsteuerung bei der Datev), waren allesamt von hoher Qualität und zeugten von einem hohen Erfahrungswissen der Referenten und ihrer Unternehmen.
Besonders der Vortrag „Anwendung von agilen Prinzipien in der Gesamtprojektsteuerung eines Großprojektes bei der DATEV eG“ von Dr. Sascha Schorr und Michael Schmidt stach für mich heraus. In wenigen Folien und klaren Worten skizzierten die Referenten das Vorgehen der DATEV bei der Entwicklung der bekannten „DATEV-DVD“. Geleitet vom „DVD-Manager“ werden hier von ca. 1.000 Entwicklern an die 85 verschiedene Softwareprodukte entwickelt, und 2x jährlich auf DVD ausgeliefert. Die Erstellung erfolgt iterativ: Alle 4 Wochen müssen die Softwareentwicklungsteams eine lauffähige Version ihrer Software abliefern. Diese wird dann zusammen mit allen anderen Produkten zu einer Test-DVD integriert.
Besonders spannend: Eine agile Vorgehensweise wird den Teams zwar empfohlen (und mit allerlei Hilfestellungsangeboten unterfüttert), jedoch keineswegs vorgeschrieben. So soll es bis heute noch Teams geben, die nach Wasserfall arbeiten, wenngleich es immer weniger werden.
Für mich einer der besten Vorträge der ganzen Konferenz!
Besonders hat mich gefreut, daß gerade die in der agilen Welt so gern als Feindbild zitierten „klassischen Projektmanager“ hier den Brückenschlag zwischen den Welten schaffen und es auf geschickte Art und Weise verstehen, die Vorteile beider Welten zu kombinieren. Ganz ohne Dogmatik.
Interessanterweise scheinen gerade die sonst den Fortschritt so lautstark propagierenden Agilisten diesen Schritt nicht zu schaffen: Viele Vorträge auf agilen Konferenzen behalten auch 2013 immer noch dieselben Platitüden wie vor 10 Jahren – ohne in der Zwischenzeit irgendwie richtiger geworden zu sein.
An dieser Stelle merkt man, daß Projektmanagement analog zur Softwareentwicklung ebenfalls ein Handwerk ist, und gesundes Hintergrundwissen einen immensen Vorteil bringt. Ein solches erlernt man aber natürlich nicht von heute auf morgen.
Viele Agilisten, mich selbst eingeschlossen, würde es nicht schaden, sich auch mal ins klassische Projektmanagement zu vertiefen!
bfi
Eine Antwort
Lieber Bernhard, Deinen Schluss-Satz finde ich besonders gut. Hier ein extremes Beispiel Sogar die guten alten REFA-Techniken können agile Methodik und Geisteshaltung sinnvoll ergänzen. Man findet dann oft schöne Möglichkeiten zur Verbesserung in Projekten, die agiles Denken überhaupt nicht stören sondern ergänzen. Dies nur als ein ganz altmodisches Beispiel für Maßnahmen zur Erreichung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.